Ausübung / Auslegung Wegerecht

| 13. Juni 2023 20:14 |
Preis: 85,00 € |

Hauskauf, Immobilien, Grundstücke


Beantwortet von


16:03
Im Grundbuch ist für mein Grundstück A ein Wegerecht zugunsten meines Nachbarn eingetragen. Die entsprechende Formulierung im Grundstücksübertragungsvertrag lautet wie folgt: „das Flurstück A zum Gehen und Fahren zum Flurstück B in einer Breite von 4 m gemäß dieser Urkunde beigefügten Lageplan und dort grün eingezeichneten Weg mitzubenutzen."

Aus dem erwähnten Lageplan geht hervor, dass die Bebauung des Nachbargrundstücks B aus einem Haus und einer Garage besteht. Beide Gebäude sind von einer Seitenstraße aus separat erschlossen und somit ohne das Wegerecht erreichbar. Das zusätzliche Wegerecht über meine Parzelle A wurde seinerzeit eingetragen, da der Gartenteil des Nachbargrundstücks B gesondert verpachtet war. Dieser Garten sollte durch den Weg über mein Grundstück erreichbar sein.

Die Gartenpacht ist inzwischen ausgelaufen, der Gartenteil ist wieder zum ursprünglichen Grundstück zugefügt worden, was, wie erwähnt, separat erreichbar ist. Der Weg über mein Grundstück jedoch wird nun häufiger befahren als vorher. Während der frühere Gartenpächter mehrere Überfahrten pro Jahr unternahm, wird der Weg jetzt mehrfach täglich durch PKW und manchmal sogar Traktoren befahren. Der Nachbar pocht ferner darauf, dass der Weg Tag und Nacht freizuhalten sei.
Im Jahr 2021 deutete der Nachbar an, er wolle das Gartengrundstück wieder abtrennen und mit einem Einfamilienhaus bebauen. Ich erklärte ihm, dass, solle dafür eine Nutzungsänderung des Wegerechts erforderlich sein, ich dieser nicht zustimmen werde. Daraufhin blieb es eine Weile ruhig.
Da ich häufig im Ausland bin, musste ich jedoch im Herbst 2022 feststellen, dass hinter meinem Rücken Fakten geschaffen wurden. Eine ca. 300 Jahre alte Eiche auf meinem Grundstück am Ende des besagten Weges wurde in meiner Abwesenheit ohne mein Wissen und selbstredend ohne meine Erlaubnis gefällt. Von weiteren Eichen wurden dicke Äste abgesägt, mehrere hohe sehr alte Fliederbüsche gestutzt und der Weg am Ende (also direkt an der Grenze zum Nachbarn) von 4 Meter auf 8 Meter verbreitert. Ein Gartenschuppen mit Betonfundament wurde nicht nur auf sondern sogar über die Grenze gebaut, obwohl nicht einmal eine Baulasteintragung besteht. Mehrfach habe ich den Nachbarn um eine Stellungnahme gebeten, die bis heute ausgeblieben ist.
Während meines Auslandsaufenthalts hatte ich den Verkauf meiner Immobilie eingeleitet, und es gab zahlreiche ernsthafte Interessenten. Mir wurde jedoch berichtet, dass nahezu jedes Mal wenn Kaufinteressenten vor Ort waren, mein Nachbar mit seinem PKW über den Weg fuhr, auf sein Wegerecht pochte und darauf hinwies, der Weg sei strikt freizuhalten. Da mein Nachbar selbst ein Interesse am Kauf meiner Immobilie geäußert hatte, bekommen diese Aktionen einen zusätzlichen Beigeschmack.
Aktuell werden auf dem Gartenteil des Nachbargrundstücks aufwendige Erdarbeiten durchgeführt. Möglicherweise wird das geplante Bauvorhaben aus 2021 nun doch realisiert.

Ich frage mich daher, muss ich eine Nutzungsänderung des Wegerechts hinnehmen und falls ja, in welchem Umfang? Wäre es aufgrund der genannten ziemlich extremen Vorkommnisse evtl. möglich, meinem Nachbarn das Wegerecht entziehen zu lassen? Welche Reaktion auf das übergriffige Verhalten meines Nachbarn (Baum, Büsche, Grenzbebauung) ist sinnvoll?
13. Juni 2023 | 21:19

Antwort

von


(3191)
Marktstraße 17/19
70372 Stuttgart
Tel: 0711-7223-6737
Web: https://www.hsv-rechtsanwaelte.de
E-Mail: hesterberg@hsv-rechtsanwaelte.de
Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Der von Ihnen geschilderte Komplex
"Eine ca. 300 Jahre alte Eiche auf meinem Grundstück am Ende des besagten Weges wurde in meiner Abwesenheit ohne mein Wissen und selbstredend ohne meine Erlaubnis gefällt. Von weiteren Eichen wurden dicke Äste abgesägt, mehrere hohe sehr alte Fliederbüsche gestutzt und der Weg am Ende (also direkt an der Grenze zum Nachbarn) von 4 Meter auf 8 Meter verbreitert. Ein Gartenschuppen mit Betonfundament wurde nicht nur auf sondern sogar über die Grenze gebaut, obwohl nicht einmal eine Baulasteintragung besteht"

sehe ich als unrechtmäßig erfolgt an, denn das hat ja nichts mit dem reinen Wegerecht oder einem sonstigen Nutzungsrecht zugunsten Ihres Nachbarn zu tun.

Ein Bauvorhaben müsste erst einmal initiiert werden, was Ihren Nachbarn betrifft und das ist es schließlich noch nicht. In der Tat gilt zu Ihren Gunsten:

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) schreibt nämlich in
§ 1023, Verlegung der Ausübung, vor:
"(1) Beschränkt sich die jeweilige Ausübung einer Grunddienstbarkeit auf einen Teil des belasteten Grundstücks, so kann der Eigentümer die Verlegung der Ausübung auf eine andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle verlangen, wenn die Ausübung an der bisherigen Stelle für ihn besonders beschwerlich ist; die Kosten der Verlegung hat er zu tragen und vorzuschießen. Dies gilt auch dann, wenn der Teil des Grundstücks, auf den sich die Ausübung beschränkt, durch Rechtsgeschäft bestimmt ist.
(2) Das Recht auf die Verlegung kann nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden."

Es gibt hier jetzt eine Reihe von Fällen, die gleichermaßen oder sehr ähnlich rechtlich gehandhabt werden, also man die oben genannte Vorschrift analog, also entsprechend anwendet. Ein solcher Fall könnte hier nach meiner ersten Einschätzung aufgrund folgenden Umstandes gegeben sein:

"Die Gartenpacht ist inzwischen ausgelaufen, der Gartenteil ist wieder zum ursprünglichen Grundstück zugefügt worden, was, wie erwähnt, separat erreichbar ist."

Wahrscheinlich werden Sie aber nach meiner Erfahrung nur dann weiterkommen, wenn Sie anwaltlich etwas zum Thema schreiben lassen.

Denn die Materie ist durchaus anspruchsvoll und komplex.

Aber wie gesagt, ich sehe hier doch einen deutlichen Ansatzpunkt im oben genannten Sinne, um die Sache derart weiter zu verfolgen.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Daniel Hesterberg

Rückfrage vom Fragesteller 14. Juni 2023 | 14:50

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,
danke für die Rückmeldung.
Ich möchte bitte noch einmal ganz konkret auf meine am Ende der Situationsschilderung gestellten Fragen zurückkommen.
Eine Verlegung der Grunddienstbarkeit innerhalb meines Grundstücks, wie von Ihnen erörtert, ist nicht möglich und war nicht Gegenstand meiner Anfrage.
Hier noch mal kurz die Eckpunkte: Nach Ende der Gartenverpachtung haben sich die Überfahrten von mehrfach jährlich auf mehrfach täglich erhöht. Das scheint mir bereits eine Nutzungsänderung zu sein. Eine weitere würde sich ggf. durch ein Bauvorhaben ergeben.
„Ich frage mich daher, muss ich eine Nutzungsänderung des Wegerechts hinnehmen und falls ja, in welchem Umfang?"
Aus meiner Sicht übt der Nachbar sein Wegerecht keineswegs in der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen „schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit" aus. Möglicherweise liegt auch ein Verstoß gegen das Schikaneverbot vor (u.a. Vergraulen von Miet- und Kaufinteressenten). Die weiteren Vorkommnisse (Baumfällung etc.) haben sicherlich bereits strafrechtliche Relevanz, zeichnen aber ebenfalls auf, wie „weit" der Nachbar das Wegerecht für sich auslegt, respektive missbraucht. Soweit ich weiß, kann eine eingetragene Grunddienstbarkeit nur im beidseitigen Einvernehmen gelöscht werden, doch soll eine einseitige Löschung in bestimmten Fällen möglich sein. Etwas laienhaft formuliert könnte man sagen, mein Nachbar braucht das Wegerecht zwar nicht (er kann seinen Garten auch über seine eigene Zufahrt erreichen), aber er missbraucht sein Wegerecht.
„Wäre es aufgrund der genannten ziemlich extremen Vorkommnisse evtl. möglich, meinem Nachbarn das Wegerecht entziehen zu lassen? Welche Reaktion auf das übergriffige Verhalten meines Nachbarn (Baum, Büsche, Grenzbebauung) ist sinnvoll?"
Vielen Dank und lieben Gruß

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 14. Juni 2023 | 16:03

Sehr geehrter Fragesteller,

ich antworte Ihnen auf Ihre Nachfrage gerne wie folgt:

Richtig, dass meinte ich ja: "Eine Verlegung der Grunddienstbarkeit innerhalb meines Grundstücks, wie von Ihnen erörtert, ist nicht möglich und war nicht Gegenstand meiner Anfrage."

Eine entsprechende Anwendung der von mir genannten Vorschrift wäre aber durchaus möglich.

In der Tat gilt zudem:
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 1020 Schonende Ausübung (S. 1):
"Bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit hat der Berechtigte das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen."

Die Nutzungsänderung kann also da durchaus entscheidend sein.

Wie gesagt, im vorliegenden Fall kann aufgrund der Nutzungsänderung und der Gegebenheiten durchaus eine Verlegung jedenfalls auf das eigene Grundstück B Ihres Nachbarn verlangt werden, wenn auch keine Löschung, was aber ebenfalls zum Ziel führt. Verlegung im dem Sinne heißt aber, dass der Nachbar eben auch eine Benutzung des eigenen Grundstücks nunmehr zulassen muss.

Das sind die Fälle, die nach meiner Prüfung von der Rechtsprechung analog eben entsprechend angewendet werden, es sich also um Fälle handelt, die über die Verlegung auf einen anderen Teil des eigenen Grundstücks hinausgehen und etwa hier das Nachbargrundstück selbst einschließen.

Die Sache mit der Grenzbebauung, den Büschen und Bäumen kann ich nur im Rahmen einer gesonderten Anfrage klären, wozu ich Ihnen ein Angebot unterbreitet habe, danke für Ihr Verständnis.

Ich hoffe, Ihnen damit gedient zu haben.

Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt

Bewertung des Fragestellers 14. Juni 2023 | 17:47

Hat Ihnen der Anwalt weitergeholfen?

Wie verständlich war der Anwalt?

Wie ausführlich war die Arbeit?

Wie freundlich war der Anwalt?

Empfehlen Sie diesen Anwalt weiter?

"Mein Anliegen hatte ich gestern Abend eingegeben und nach einer Stunde bereits eine Reaktion erhalten. Überraschend schnell, aber leider nicht zielführend. Auf meine Fragen ging der Anwalt nicht ein, bot mir aber sofort eine weitere kostenpflichtige Beratung an. Ein erneutes Nachfassen blieb ebenfalls erfolglos. Auf "frag-einen-anwalt.de" hatte ich im Vorfeld einige sehr gute Ausführungen zu meinem Themenbereich gelesen. Meine Situation hatte ich daraufhin bewusst sehr ausführlich geschildert, damit sich ein interessierter Anwalt einen guten Eindruck verschaffen kann. Durch das "First come, first served"- Prinzip wurde mein Anliegen leider schnell aus dem Anfragen-Pool entfernt, ohne dass ich zu nennenswerten Erkenntnissen gekommen bin. Außer Spesen nichts gewesen. Leider!"
Stellungnahme vom Anwalt:
Es tut mir Leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen konnte. Dennoch habe ich nach meiner Meinung Ihnen umfangreich zum Fall geantwortet und Ihre Ansprüche mit einer jeweiligen Begründung bejaht, sodass ich Ihre Bewertung nicht nachvollziehen kann.
Mehr Bewertungen von Rechtsanwalt Daniel Hesterberg »
BEWERTUNG VOM FRAGESTELLER 14. Juni 2023
1,4/5.0

Mein Anliegen hatte ich gestern Abend eingegeben und nach einer Stunde bereits eine Reaktion erhalten. Überraschend schnell, aber leider nicht zielführend. Auf meine Fragen ging der Anwalt nicht ein, bot mir aber sofort eine weitere kostenpflichtige Beratung an. Ein erneutes Nachfassen blieb ebenfalls erfolglos. Auf "frag-einen-anwalt.de" hatte ich im Vorfeld einige sehr gute Ausführungen zu meinem Themenbereich gelesen. Meine Situation hatte ich daraufhin bewusst sehr ausführlich geschildert, damit sich ein interessierter Anwalt einen guten Eindruck verschaffen kann. Durch das "First come, first served"- Prinzip wurde mein Anliegen leider schnell aus dem Anfragen-Pool entfernt, ohne dass ich zu nennenswerten Erkenntnissen gekommen bin. Außer Spesen nichts gewesen. Leider!


ANTWORT VON

(3191)

Marktstraße 17/19
70372 Stuttgart
Tel: 0711-7223-6737
Web: https://www.hsv-rechtsanwaelte.de
E-Mail: hesterberg@hsv-rechtsanwaelte.de
RECHTSGEBIETE
Arbeitsrecht, Erbrecht, Miet- und Pachtrecht, Vertragsrecht, Zivilrecht, Baurecht, Verwaltungsrecht, Ausländerrecht