Mobilfunk-Sendemast verhinderbar?

| 7. August 2005 05:33 |
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Verwaltungsrecht


Zusammenfassung

Unter welchen Voraussetzungen kann der Bau eines Mobilfunkmastes im Außenbereich verhindert werden?

Der Bau von Mobilfunkmasten im Außenbereich ist in der Regel ein privilegiertes Vorhaben. Gesundheitliche Bedenken der Anwohner spielen dabei meist keine Rolle, solange die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden. Auch eine befürchtete Wertminderung der Immobilien ist kein ausreichender Grund. Die Erfolgsaussichten einer Klage sind eher gering. Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren die Errichtung von Mobilfunkmasten zumeist für zulässig erachtet, wenn die Grenzwerte eingehalten werden. Nur in Ausnahmefällen mit besonders geringem Abstand wurden Anträge auf Beseitigung stattgegeben.

Guten Tag,
ich wohne im Außenbereich eines Dorfes in Niedersachsen (betreibe aber keine Landwirtschaft). Auf dem Nachbargrundstück, ebenfalls Außenbereich und landwirtschaftlich genutzt (Acker), soll ein 30 m hoher Mobilfunk-Sendemast für UMTS gebaut werden. Zwischen Haus und Mast werden ca. 50 - 100 m liegen.
Ich bin gegen den Bau des Mobilfunkmastens, weil ich aufgrund des geringen Abstandes gesundheitliche Gefahren befürchte und der Grundstückswert meiner Immobilie um ca. 25 % sinkt. Mieter sind nur schwer zu finden, da auch diese gesundheitliche Beeinträchtigungen fürchten und der Mast die bäuerliche Anmutung des Bereiches stört.
Ich habe inzwischen gelesen, dass gesundheitliche Gründe nicht zählen, sofern die Grenzwerte der Strahlung und die Höhe des Mastes eingehalten werden, wovon ich ausgehe. Es zählen nur baurechtliche Gründe. Die Stadtverwaltung sagte mir, dass es keine baurechtlichen Bedenken gäbe, weil es sich um den Außenbereich handelt. Außerdem sei der Bau eines Mobilfunkmastens ein sog. "privilegiertes Vorhaben". Auf der Stadtverwaltung sagte man mir, dass die übergeordnete Regionsbehörde entscheidet, ob ich als Nachbarin gelte (eine Grundstücksecke liegt meinem Grundstück gegenüber) und überhaupt nach § 72 NBauG an dem Verfahren beteiligt werden darf, so dass ich Widerspruchsrechte gegen die Baugenehmigung hätte.
Der Grundstückeigentümer läßt nicht mit sich verhandeln, der Mobilfunkbetreiber natürlich auch nicht. Die nächsten Wohnhäuser stehen ca. 350 m vom geplanten Sendemasten entfernt, so dass noch keine Bürgerinitiative zustande gekommen ist. Nächste Woche soll die Baugenehmigung beantragt werden, d.h. der Grundstückseigentümer hat schon unterschrieben.
Meine Frage: Hat eine Klage gegen den Bau unter diesen Bedingungen Aussicht auf Erfolg? Gibt es ähnliche Fälle, die positiv ausgegangen sind und wenn ja, was waren die Gründe?
Herzlichen Dank für Ihre Auskunft.

Sehr geehrte Fragestellerin,
sehr geehrter Fragesteller,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Auf Grundlage Ihrer Angaben möchte ich Ihr Anliegen gerne wie folgt beantworten:


Sie sprechen ein Problem an, dass die Rechtsprechung in den letzten Jahren sehr beschäftigte, aber in der Grundlinie zwischenzeitlich zuungunsten der Anrainer und potentiellen Gefährdeten von Mobilfunk-Sendeanlagen geklärt wurde – immissionsschutzrechtlich (siehe 1), aber wohl auch baurechtlich (siehe 2).


1.

Es ist zunächst in der Tat schon zweifelhaft, ob Sie Nachbar im Sinne der Landesbauordnung, hier § 72 LBO-Niedersachsen sind. Aber materiell-rechtlich, hier unter dem Gesichtspunkt des BImmSchG und der hierzu ergangenen Verordnungen, gilt mit der auszugsweise zitieren Rechtsprechung:


(BayObLG, Beschluss vom 13.11.2003- Aktenzeichen 2Z BR 115/03)

»Es ist nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft
aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn ein Antrag
auf Beseitigung einer Mobilfunkantenne zurückgewiesen
wird, wenn bei einem Umgebungswert von 1,33 % des nach
der 26. BImSchV zulässigen Grenzwerts die Räume eines
Wohnungseigentümers mit maximalen Werten zwischen 0,96 %
und 8,63 % des zulässigen Grenzwerts belastet werden
(Folgeentscheidung zu BayObLGZ 2002, 82 ).«

Dies betraf einen Sachverhalt mit deutlich grösserer räumlicher Nähe als von Ihnen mitgeteilt. Siehe des weiteren eine schon ältere, aber immer wieder bestätigte Entscheidung des VGH Hessen aus dem Jahre 1994 mit dem Leitsatz:

„4. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand sind schädliche Umwelteinwirkungen durch den Betrieb des Mobilfunks nicht festzustellen und nicht auszuschließen. Angesichts verschiedener, teilweise angezweifelter biologischer Phänomene wird im Verfahren eines Nachbarn zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes die Entscheidung in der Hauptsache als offen angesehen.“

und der zentralen Begründung:


“Da derzeit eine sichere Aussage über die Gefährlichkeit elektromagnetischer Strahlen, die beim Betrieb des Mobilfunkes auf den menschlichen Organismus ausgehen, nicht getroffen werden kann, aber ein nach dem Kenntnisstand des Senats auch unter Vorsorgegesichtspunkten in Erwägung zu ziehender Abstand der Funkübertragungsstelle zum Grundstück der Antragsteller eingehalten und sogar deutlich überschritten wird, gibt es auch bei einer Abwägung der Interessen der Beteiligten keine Bedenken dagegen, den Antragstellern den Betrieb der Funkübertragungsstelle bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens zuzumuten.“

Rechtlich haben Sie also unter immissionsrechtlichen Aspekten eher schlechte Karten. Ab und zu gab es zwar Entscheidung von Amtsgerichten, welche von der Presse und potentiell Gefährdeten „abgefeiert“ – aber genauso schnell von den Landgerichten resp. den Verwaltungsgerichtshöfen aufgehoben wurden.



2.

Nicht auf den ersten Blick so skeptisch bin ich baurechtlichen Aspekten. Die etwas unsichere Situation als Nachbar in derartigen Fällen hatte ich bereits eingangs beschrieben. Nur ist es sicherlich nicht so, dass, wie Sie schrieben „die übergeordnete Regionsbehörde“ dies entscheidet. Diese ist nur für Ihren evt. Widerspruch als Nachbar Widerspruchsbehörde resp. sie hat gewisse Weisungsbefugnisse gegenüber der örtlichen Bauaufsichtsbehörde. Nachbar dürften Sie –unter dem Vorbehalt einer Prüfung „aus der Ferne“- hier sein, schon wegen der von Ihnen beschriebenen räumlichen Nähe. Deswegen stehen Ihnen m.E. die Rechte des Nachbarn aus § 72 LBONiedersachsen zu. Sie sind als solcher im Baugenehmigungsverfahren zu beteiligen, haben also auch ua. das Recht auf Nachbarwiderspruch und nachfolgende verwaltungsgerichtliche Überprüfung. Materiell-rechtlich kann ich Ihnen jedoch keine grossen Hoffnungen machen, erfolgsträchtig scheint mir bei einer ohne Ortskenntnis nur kursorisch möglichen Prüfung der Aspekt des Landschaftsschutzes („bäuerliche Anmutung“), eher ggfsl. noch der Wertminderung des Grundstücks für Sie als Eigentümer und Vermieter.

Ich hoffe Ihnen mit dieser Antwort zunächst einmal weitergeholfen zu haben, auch wenn das Ergebnis eher enttäuschend ist. Für Rückfragen stehe ich Ihnen im Rahmen der kostenlosen Nachfragefunktion von „Frag einen Anwalt“ selbstverständlich zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Thomas Schimpf
- Rechtsanwalt -

Tel.: +49 (0)39 483 97825
Fax: +49 (0)39 483 97828
E-Mail: ra.schimpf@gmx.de

Rückfrage vom Fragesteller 7. August 2005 | 11:57

Guten Tag, Herr Dr. Schimpf,

herzlichen Dank für die schnelle und umfassende Auskunft am Sonntagmorgen!

Meine Nachfrage: Wie, wann und bei wem kann ich den Wertverlust meiner Immobilie geltend machen, wenn ich a) als Nachbar anerkannt werde bzw. b) nicht anerkannt werde?

Vielen Dank in Voraus!

Viele Grüße

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 7. August 2005 | 14:33

Guten Tag, Frau M.,

das ist eine recht komplexe Nachfrage. Je nach Verfahrenskonstellation gilt: Manchmal, aber nicht eben häufig, lässt sich der Mobilfunkbetreiber im laufenden Genehmigungsverfahren auf freiwillige Ausgleichsansprüche ggü. dem Nachbarn ein. Im Falle einer rechtswidrigen Baugenehmigung wäre weiterhin an Ansprüche aus Amtshaftung zu denken. Daneben existieren noch –ungeschriebene- Anspruchsgrundlagen aus enteignungsgleichem Eingriff oder Aufopferung. Viel Hoffnung kann ich Ihnen auf Grundlage der zivil- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung aber nicht machen.

Mit freundlichen Grüssen

RA Schimpf

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Bin sehr zufrieden mit der Beratung. Aussagen decken sich mit dem, was ich bisher über ähnl. Fälle gelesen habe. Ich denke, viel Geld gespart zu haben, da ich ggf. gezielter bei einem Anwalt vor Ort nachfragen kann. Das jetzt bessere Überblickswissen beruhigt mich etwas, da ich etwas klarer sehe. Wenn ich mir auch einen anderen Ausgang in der Sache gewünscht hätte... Danke für alles!

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