Internationaler Wochenaufenthalter Dtl->Schweiz und KV

9. Oktober 2025 20:13 |
Preis: 55,00 € |

Sozialversicherungsrecht


Beantwortet von


in unter 2 Stunden

Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich arbeite projektbezogen auf selbstständiger Basis für verschiedene Kunden in DACH. Hierzu habe ich in Deutschland eine Einzelfirma, sowie eine GmbH, in welcher ich alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer bin. Daher in Deutschland also Selbstständiger. Zusätzlich habe ich eine Einzelfirma in der Schweiz, und den Aufenthaltstitel G für Grenzgänger beziehungsweise internationaler Wochenaufenthalter. Hiermit gelte ich in der Schweiz ebenfalls als selbstständig Erwerbender und werde für die Einkünfte in der Schweiz dort ordentlich besteuert. Diese Konstellation besteht seit drei Jahren und wurde auch von den Steuerbehörden so entsprechend anerkannt. Mein Lebensmittelpunkt befindet sich in Nürnberg, dort haben wir ein Haus und eine Familie. Aufgrund des Lebensmittelpunktes in Deutschland und der Sozialversicherungen in Deutschland habe ich mich bisher von der Schweizer Sozialversicherungspflicht problemlos befreien lassen.
Bisher hatte ich in Deutschland ebenfalls Kunden auf selbstständiger Basis und dementsprechend auch in Deutschland einen Umsatz aus selbstständiger Tätigkeit.
Ich bin in der gesetzlichen Krankenversicherung in Dtl. freiwillig versichert und habe bisher dort meist den Höchstsatz gezahlt. Zusätzlich bin ich in der Rentenversicherung Bund in Deutschland ebenfalls freiwillig rentenversichert. Nun werde ich in Kürze ein umfangreiches Projekt in der Schweiz starten und dieses Mandat über meine Einzelfirma in Zug abwickeln. Aufgrund der hohen Auslastung werde ich in diesem Zeitraum (circa ein Jahr) keine zusätzlichen Mandate in Deutschland wahrnehmen.
Meine Frage bezieht sich ausschließlich auf die Sozialversicherung: Ich gehe davon aus, dass ich aufgrund der Mindestbemessungsgrundlage (ca. 1250€/Monat) in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland für diesen Zeitraum zum Mindestbeitrag freiwillig krankenversichert bleiben kann und weiterhin von der Sozialversicherungspflicht (AHV und KV) in der Schweiz befreit sein kann. Mein Verständnis ist, dass ausschließlich das Einkommen in Deutschland zur Beurteilung des KV – Beitrags in der gesetzlichen GKV herangezogen wird.
Können Sie mir bestätigen, ob meine Auffassung so korrekt ist? Beziehungsweise gerne mögliche Konstellationen nennen, die ich hierbei noch berücksichtigen muss.
Vielen Dank!

Einsatz editiert am 9. Oktober 2025 20:38

9. Oktober 2025 | 21:25

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Ihre Ausgangsfrage betrifft die sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Einkommen, das Sie als in Deutschland wohnhafter, freiwillig gesetzlich krankenversicherter Selbstständiger in der Schweiz erzielen. Dabei geht es im Kern darum, ob Ihre dortigen Einkünfte bei der Beitragsbemessung in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung zu berücksichtigen sind oder ob lediglich die deutsche Mindestbemessungsgrundlage heranzuziehen ist.

Die rechtliche Bewertung ist nicht eindeutig, da sich an der Schnittstelle zwischen nationalem Beitragsrecht und europäisch-schweizerischem Koordinierungsrecht zwei unterschiedliche Ansätze herausgebildet haben. Nach dem deutschen Sozialgesetzbuch (§ 240 SGB V) richtet sich der Beitrag freiwillig Versicherter grundsätzlich nach der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Das bedeutet, dass alle Einnahmen, gleichgültig ob sie im In- oder Ausland erzielt wurden, beitragspflichtig sein können, soweit sie der Lebensführung dienen und nicht ausdrücklich ausgenommen sind. Diese weite Auslegung wird auch von den meisten Krankenkassen und vom GKV-Spitzenverband vertreten. Sie stützen sich auf den Grundgedanken, dass die gesetzliche Krankenversicherung nicht nach der Herkunft des Einkommens unterscheidet, sondern danach, welche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Versicherten besteht. Die Techniker Krankenkasse und andere Träger verweisen deshalb ausdrücklich darauf, dass ausländisches Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen beitragspflichtig bleibt, auch wenn darauf im Ausland bereits Steuern entrichtet wurden. Diese Auffassung findet Rückhalt in Teilen der Rechtsprechung, die etwa Auslandszuschläge oder ausländische Renten dann als beitragspflichtig anerkennt, wenn sie wirtschaftlich mit inländischen Einkünften vergleichbar sind und der Deckung des allgemeinen Lebensunterhalts dienen.

Daneben steht jedoch eine restriktivere Ansicht, die sich aus dem europäischen Koordinierungsrecht, insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und dem Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz ergibt. Nach Art. 11 dieser Verordnung unterliegt eine Person stets nur den Rechtsvorschriften eines Staates. Dieses sogenannte „Ein-Staat-Prinzip" wird ergänzt durch das Territorialprinzip des § 3 SGB IV, wonach deutsches Sozialversicherungsrecht grundsätzlich nur für im Inland erzielte Arbeitseinkommen gilt. Vertreter dieser Auffassung argumentieren, dass Einkommen aus einer im Ausland ausgeübten selbstständigen Tätigkeit, die dort der Besteuerung unterliegt und nicht im deutschen Wirtschaftsraum erwirtschaftet wurde, nicht der deutschen Beitragspflicht unterfallen darf. Andernfalls würde das Koordinierungsrecht umgangen und eine doppelte Beitragspflicht riskiert. Nach dieser Sichtweise darf die Krankenkasse nur das inländische Arbeitseinkommen, gegebenenfalls die gesetzliche Mindestbemessungsgrundlage, heranziehen, solange Sie keine deutschen Mandate ausführen und Ihre Tätigkeit vollständig in der Schweiz entfalten.

In der Praxis versuchen Krankenkassen, beide Ebenen zu harmonisieren. Sie berücksichtigen grundsätzlich auch Auslandseinkommen, sofern keine ausländische Sozialversicherungspflicht besteht, zeigen sich aber bei nachweislich im Ausland versteuerten Gewinnen oft bereit, nur den Mindestbeitrag anzusetzen. Rechtlich gesichert ist diese Verwaltungspraxis allerdings nicht. Maßgeblich bleibt die Frage, ob Deutschland als zuständiger Staat die im Ausland erzielten Einkünfte im Rahmen der VO 883/2004 überhaupt verbeitragen darf.

Für Ihren konkreten Fall bedeutet das: Da Ihr Lebensmittelpunkt in Deutschland liegt und Sie dort freiwillig krankenversichert bleiben, bleibt Deutschland grundsätzlich zuständiger Staat. Ob die Schweizer Einkünfte in die Beitragsbemessung einzubeziehen sind, hängt davon ab, ob sie trotz Auslandsbezug als Teil Ihrer inländischen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gelten. Die herrschende Verwaltungspraxis der Krankenkassen bejaht das, während ein Teil der juristischen Literatur und einige Sozialgerichte dies mit Hinweis auf das Territorialprinzip verneinen. Sicher ist daher nur, dass Sie während der ausschließlichen Schweizer Tätigkeit zumindest den Mindestbeitrag schulden; ob darüber hinaus die Schweizer Einkünfte beitragspflichtig wären, bleibt eine Auslegungsfrage, die letztlich von der Kassenpraxis und im Zweifel der sozialgerichtlichen Kontrolle abhängt. Höchstgerichtlich ist diese Rechtsfrage bislang nicht geklärt, sodass sich ein Widerspruch (im Falle einer Verbeitragung) häufig lohnt.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

El-Zaatari
Rechtsanwalt


Rechtsanwalt Mohamed El-Zaatari

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