Abschichtungsvereinbarung bei einem geerbten Haus

22. Juni 2025 17:32 |
Preis: 65,00 € |

Steuerrecht


Beantwortet von


14:08

Guten Tag :-)
Ich habe zusammen mit zwei Geschwistern im Jahr 2022 ein Einfamilienhaus mit Grundstück geerbt.
Die beiden können sich bislang nicht für einen Verkauf entscheiden, sind sich aber auch bzgl. einer anderweitigen Nutzung nicht im klaren - das Haus steht seither leer.
Im Oktober 2024 habe ich angekündigt, aus der Erbengemeinschaft ausscheiden zu wollen, und wir sind uns auch schon einig über die Modalitäten.
Wir möchten eine notariell beglaubigte Vereinbarung treffen, in Folge der ich mit Ablauf des Jahres 2025 aus dem Grundbuch entfernt werde und eine Abfindung von 35.000 Euro erhalte. Diese Vereinbarung möchte ich nun aufsetzen.
Die einzige offene Frage, die sich hier noch stellt, ist die nach den steuerlichen Auswirkungen - wird hier seitens des Finanzamts in irgendeiner Form eine Steuer erhoben und wenn ja wem gegenüber und wie bemisst sich die / wie hoch ist die?
Zum Haus ist noch zu bemerken, dass es sich um ein sanierungsbedürftiges Gebäude handelt und es schuldenfrei ist...
Vielen Dank im Voraus :-)

22. Juni 2025 | 18:49

Antwort

von


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Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen wie folgt beantworten:

1. Zivilrechtlicher Rahmen: Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft gegen Abfindung
Wenn Sie mit Ihren beiden Miterben vereinbaren, aus der Erbengemeinschaft auszuscheiden und im Gegenzug eine Abfindung von 35.000 € zu erhalten, handelt es sich zivilrechtlich um eine sogenannte Abschichtungsvereinbarung. Dabei übernehmen die verbleibenden Miterben Ihre Erbanteile und entschädigen Sie mit einer Abfindung. Diese Vereinbarung ist grundsätzlich notariell zu beurkunden, wenn Grundbesitz übertragen wird (§ 311b Abs. 1 BGB).

2. Steuerrechtliche Beurteilung: Keine Erbschaftsteuer – aber mögliche Einkommen- oder Grunderwerbsteuer
a) Erbschaftsteuer
Die Erbschaft selbst ist bereits 2022 erfolgt und wurde zum damaligen Zeitpunkt steuerlich bewertet. Die Auszahlung der Abfindung stellt keine erneute Erbschaft dar, sondern betrifft einen zivilrechtlichen Vorgang innerhalb der Erbauseinandersetzung. Es fällt keine Erbschaftsteuer an (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG greift nicht erneut).

b) Grunderwerbsteuer
Die Grunderwerbsteuer fällt gemäß § 3 Nr. 3 GrEStG nicht an, weil es sich um eine Übertragung innerhalb einer Erbengemeinschaft handelt, bei der ein Miterbe den Anteil eines anderen übernimmt. Voraussetzung ist aber, dass die Erbengemeinschaft unmittelbar aus dem Nachlass hervorgegangen ist, was hier zutrifft. Auch die Tatsache, dass Sie eine Abfindung erhalten, löst keine Grunderwerbsteuer aus, da kein entgeltlicher Erwerb eines Nicht-Erben erfolgt.

c) Einkommensteuer
Problematisch kann die einkommensteuerliche Behandlung der Abfindung sein. Hier kommt es entscheidend darauf an, ob die Abfindung als Veräußerungserlös im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu werten ist.

Da es sich um ein unbebautes Grundstück oder ein bebautes Grundstück handelt und dieses innerhalb von 10 Jahren nach Erwerb (Erbfall) veräußert wird, kann grundsätzlich ein privates Veräußerungsgeschäft vorliegen. Dies gilt auch für die Abfindung, wenn diese wirtschaftlich als Gegenleistung für Ihren Miteigentumsanteil am Grundstück zu sehen ist.

Ausnahme: Es liegt kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft vor, wenn:

das Haus ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG), was hier nicht der Fall ist (steht leer), oder

der Erbfall länger als 10 Jahre zurückliegt (hier: nicht der Fall – Erbfall war 2022).

Ergebnis: Da Sie den Miteigentumsanteil gegen Geldzahlung an die Geschwister übertragen und das Haus nicht selbst genutzt haben, liegt ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft vor, sofern ein Veräußerungsgewinn entsteht.

d) Bemessung der Einkommensteuer
Als Anschaffungskosten gilt der Ihnen zugeordnete anteilige Wert des Grundstücks im Zeitpunkt der Erbschaft (meist: Einheitswert oder Verkehrswert zur Feststellung der Erbschaftsteuer).

Die Abfindung in Höhe von 35.000 € ist der Verkaufspreis.

Die Differenz ergibt den Veräußerungsgewinn, der nach § 23 Abs. 3 EStG zu versteuern ist (als „sonstige Einkünfte" nach § 22 Nr. 2 EStG).

Beispielhafte Berechnung:

Angenommener anteiliger Verkehrswert 2022: 30.000 €

Abfindung: 35.000 €

Veräußerungsgewinn: 5.000 €

Einkommensteuerpflicht besteht für diesen Betrag (individueller Steuersatz, keine Abgeltungsteuer)

3. Gestaltungshinweis: Reduktion steuerlicher Belastung
Um eine steuerpflichtige Veräußerung zu vermeiden, kann es sinnvoll sein, die Auseinandersetzung so zu strukturieren, dass:

kein wirtschaftlicher Verkauf, sondern eine Ausgleichszahlung im Rahmen der Auseinandersetzung über den Gesamt-Nachlass dokumentiert wird

evtl. die Zahlung der Abfindung in nicht geldwerter Form erfolgt (z. B. Übertragung anderer Nachlasswerte statt Bargeld)

ein Steuerberater mit Blick auf § 23 EStG hinzugezogen wird, um eine saubere Wertermittlung und ggf. Verlustverrechnung vorzunehmen

4. Fazit
Erbschaftsteuer: Nein

Grunderwerbsteuer: Nein

Einkommensteuer: Ja, wenn Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG erzielt wurde – die Abfindung ist wirtschaftlich als Verkauf Ihres Miteigentumsanteils zu werten

Eine genaue Prüfung durch einen Steuerberater ist wegen der komplexen Abgrenzung zwischen steuerneutraler Auseinandersetzung und steuerpflichtiger Veräußerung sehr zu empfehlen

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen.

Mit freundlichen Grüßen


Hagen Riemann
(Rechtsanwalt)


Rückfrage vom Fragesteller 29. Juni 2025 | 12:58

Guten Tag Herr Riemann,
ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Ausführungen - sie haben genau das Anliegen getroffen :-)
Eine Nachfrage hätte ich noch...
Sie gehen davon aus, dass zwischen "Anschaffung" (Erbfall) und "Veräußerung" (Abtretung eines Erbteils gegen eine Abfindung) mindestens 10 Jahre vergangen sein sollen, damit der Veräußerungsgewinn steuerfrei bleibt.
Nun hat meine Schwester mich auf §23 Abs 1 Nr.3 Satz 3 hingewiesen, nach dem dem Einzelrechtsnachfolger die Anschaffung oder Überführung des Wirtschaftsguts in das Privatvermögen durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen ist, damit läge in unserem Fall ja kein privates Veräußerungsgeschäft vor und die Steuerpflicht nach EStG entfiele?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 29. Juni 2025 | 14:08

Vielen Dank für Ihre Rückmeldung und Ihre sehr präzise Nachfrage. Ich möchte Ihre ergänzende Frage wie folgt beantworten:

1. Zur Einordnung Ihrer Argumentation mit § 23 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 EStG
Sie beziehen sich zutreffend auf folgenden Passus aus dem Einkommensteuergesetz:

§ 23 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 EStG:
„Dem Rechtsnachfolger ist die Anschaffung oder die Überführung in das Privatvermögen durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen."

Diese Regelung dient dazu, dass die Spekulationsfrist von 10 Jahren nicht durch Erbfälle umgangen werden kann. Entscheidend ist, dass der Erbe im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts in die steuerliche Position des Erblassers eintritt.

2. Was bedeutet das konkret im Erbfall?
Die Vorschrift bewirkt, dass für den Erben nicht der Zeitpunkt des Erbfalls maßgeblich ist, sondern der Zeitpunkt der ursprünglichen Anschaffung durch den Erblasser.

Wenn also der Erblasser das Grundstück bereits vor mehr als 10 Jahren angeschafft oder hergestellt hatte, dann ist eine Veräußerung durch den Erben steuerfrei – auch wenn dieser selbst noch keine 10 Jahre Eigentümer war.

3. Anwendung auf Ihren Fall
Sie haben gemeinsam mit Ihren Geschwistern im Jahr 2022 das Grundstück im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) geerbt. Nun kommt es darauf an, wann Ihr Erblasser (vermutlich ein Elternteil) das Grundstück ursprünglich angeschafft hat. Entscheidend sind:

Anschaffung durch Kauf oder Tausch → maßgeblich ist der notarielle Kaufvertrag des Erblassers

Herstellung (bei selbst gebautem Haus) → maßgeblich ist der Abschluss der Bauarbeiten

Wenn der Erblasser das Grundstück bereits vor mehr als 10 Jahren erworben oder hergestellt hat, dann tritt der Erbe gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 EStG in diese Besitzdauer ein – und es liegt kein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft vor, selbst wenn die Veräußerung des Miterbenanteils innerhalb von 10 Jahren nach dem Erbfall erfolgt.

4. Fazit
Wenn der Erblasser das Haus bzw. Grundstück bereits vor mehr als 10 Jahren angeschafft hat, dann liegt gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 EStG keine steuerpflichtige Veräußerung vor.

Die Zahlung der Abfindung ist dann nicht einkommensteuerpflichtig.

Eine genaue Dokumentation des ursprünglichen Erwerbszeitpunkts durch den Erblasser ist entscheidend. Halten Sie also am besten den damaligen Kaufvertrag oder Bauunterlagen bereit.

5. Empfehlung
Wenn dies zutrifft (d.h. Anschaffung durch den Erblasser vor 2014), kann die geplante Abschichtungsvereinbarung ohne Einkommensteuerbelastung für Sie abgeschlossen werden. Ich empfehle dennoch eine kurze steuerliche Bestätigung (z. B. durch Steuerberater oder im Rahmen einer verbindlichen Auskunft beim Finanzamt), sofern Unsicherheit über das ursprüngliche Erwerbsdatum besteht.

Mit freundlichen Grüßen

Hagen Riemann
(Rechtsanwalt)

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