Wohnungsrecht als Vermögen bei Hilfe zur Pflege

| 27. Februar 2025 11:04 |
Preis: 55,00 € |

Sozialrecht


Beantwortet von

Guten Tag,

folgende Situation:

Eine Rentnerin mit kleinem Einkommen hat ein in das Grundbuch eingetragenes lebenslanges Wohnungsrecht (nach Paragraph 1093 BGB) in der Wohnung ihres verstorbenen Lebensgefährten. Zwei der (erwachsenen) Kinder des verstorbenen Lebensgefährten sind als Erben die Eigentümer der Wohnung.

Die Rentnerin ist nun gezwungen, in eine stationäre Senioren-Pflegeeinrichtung (Seniorenheim) umzuziehen und lässt das Wohnungsrecht aus dem Grundbuch löschen, einerseits da sie in der Wohnung nicht mehr wohnen kann und andererseits, aus Fairness-Gründen, damit die Erben/Eigentümer die Wohnung nutzen (z.B. vermieten) können.

Gleichzeitig fehlt der Rentnerin, da sie nur eine kleine Rente von weniger als EUR 1500/Monat bezieht, ein Teil des Geldes zum Bestreiten ihres Lebensunterhaltes und der Kosten in der Senioren-Pflegeeinrichtung und beantragt daher beim Sozialamt Hilfe zur Pflege für diese Differenz.

Dazu zwei Fragen:

1. Kann das zuständige Sozialamt das gelöschte Wohnungsrecht als Schenkung betrachten und zurückfordern und verlangen, dass die Rentnerin zunächst diese vermeintliche Schenkung zur Deckung der Pflegekosten einsetzt?

2. Oder, angenommen die Rentnerin würde das Wohnungsrecht behalten: Kann das Sozialamt das Wohnungsrecht als Vermögen betrachten und wiederum verlangen, dass es zur Deckung der Pflegekosten eingesetzt wird?

Verstehen würde ich das nicht, denn ich sehe keine Möglichkeit, wie die Rentnerin das Wohnungsrecht sozusagen in Einkommen umwandeln könnte: Sie kann dort nicht mehr wohnen, und verkaufen oder vermieten kann sie auch nicht.

Aber ich wüsste gern wie in diesem Fall die Rechtslage bewertet wird.

Vielen Dank im Voraus!

27. Februar 2025 | 12:48

Antwort

von


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Sehr geehrter Ratsuchender,

welche Auswirkungen die Löschung des Wohnrechts hat, ist zunächst einmal von den vertraglichen Vereinbarungen zur Bestellung des Wohnrechts abhängig.

Ist keine Befristung oder ein Grund für das Erlöschen des Wohnrechts genannt, hat die Löschung durch die Rentnerin Konsequenzen für die Eigentümer.

Da Hilfe zur Pflege beantragt werden muss, stellt dann in der Regel der Verzicht auf das Wohnrecht eine Schenkung dar.

Dazu hat der BGH in seinem Urteil vom 20.10.20, Az.: X ZR 7/20 ausgeführt:

Zitat:
Der Verzicht hat zur Folge, dass das betroffene Grundstück von einer Belastung frei wird. Die darin liegende Zuwendung erfolgt aus dem Vermögen des Verzichtenden, weil dieser eine ihm zustehende Rechtsposition aufgibt. Dies reicht für eine Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers im Sinne von § 516 Abs. 1 BGB grundsätzlich aus.

Nach § 528 Abs. 1 BGB ist der Wert der Bereicherung herauszugeben. Dieser besteht im Falle eines Verzichts auf ein Wohnungsrecht nicht im Wert des Wohnungsrechts für den Berechtigten, sondern im Wert, den der Verzicht für den Beschenkten hat.
Dieser Wert spiegelt sich regelmäßig in der Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks bei Wegfall des Wohnungsrechts, da nur der sich hieraus ergebende Wertzuwachs dem Beschenkten zugutekommt.


Aber die Rechtsprechung urteilt auch, dass ein wertloses Wohnrecht keine Schenkung darstellt.

Das Wohnrecht ist dann als wertlos zu bewerten, wenn eine Rückkehr in die Wohnung ausgeschlossen ist, weil der Wohnberechtigte apparativ versorgt werden muss, was nur in einer Einrichtung gewährleistet werden kann. Möglich ist auch die Beurteilung als wertlos, bei fortgeschrittener Demenz. Dann ist die Nutzung der Wohnung leider auch nicht mehr möglich.

Es wird demnach darauf ankommen, was a) im Vertrag geregelt oder ob auch b) eine Rückkehr der Rentnerin in die Wohnung ausgeschlossen ist. Letzeres bedarf aber der besonderen bereits genannten Voraussetzungen. Allein ein Umzug in ein Pflegeheim bedeutet nicht, dass eine Rückkehr ausgeschlossen ist.


Wird das Wohnrecht nicht gelöscht, gilt folgendes:

Auch hier kommt es wieder auf die vertraglichen Regelungen an.

Zahlungsansprüche aus dem Wohnrecht können nur dann bestehen, wenn der Eigentümer dem Wohnberechtigten die Vermietung gestattet.
Das Wohnrecht ist eine persönliche Dienstbarkeit und dazu regelt dann § 1092 BGB

Zitat:
Zitat:
(1) Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist nicht übertragbar. Die Ausübung der Dienstbarkeit kann einem anderen nur überlassen werden, wenn die Überlassung gestattet ist.


Ist dem Wohnberechtigten die Vermietung nicht gestattet, können auch keine Anspruche geltend gemacht werden.

Zudem hat der BGH in seiner Entscheidung vom 09.01.2009, Az.: V ZR 168/07 dazu entscheiden, dass selbst bei Leerstand, Nutzung durch den Eigentümer oder naher Angehöriger kein Wertersatz besteht.

Das gilt selbst bei einer Fremdvermietung durch den Eigentümer ( BGH Urteil vom 13.07.2012 Az.: V ZR 206/11 ).

Für eine nähere Einschätzung ist aber die Einsichtnahme in den Vertrag über die Bestellung des Wohnrechts erforderlich.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwältin

Sylvia True-Bohle


Rückfrage vom Fragesteller 5. März 2025 | 09:20


Sehr geehrte Frau True-Bohle,

bis hierher erst einmal vielen Dank.

Ich brauchte etwas Zeit, um den Wortlaut der fraglichen Regelung zu finden und stelle daher jetzt erst meine Rückfrage.

Die vertragliche Regelung lautet wie folgt:
"Frau ... steht ein durch Tod von ... aufschiebend bedingtes, lebzeitiges unentgeltliches Wohungsrecht an sämtliche Räumen der Wohnung ..., eingetragen in dem Grundbuch ... zu. Dieses Wohnungsrecht soll den gesetzlichen Inhalt haben (§ 1093 BGB).
Der Eigentümer weiß, dass zur Löschung dew Wohnungsrechts zu seinen Lebzeiten es der notariell beglaubigten Löschungsbewilligung der Berechtigten bedarf."

Dieses Wohnungsrecht soll in der Tat gelöscht werden.

Nach meinem Verständnis schließt § 1093 eine Vermietung durch die Rentnerin aus.
Weiterhin halte ich es für wahrscheinlich, dass die Rentnerin wegen Pflegegrad 3 und tatsächlich fortgeschrittener Demenz attestiert bekommt, dass sie in der Wohnung nicht mehr leben könnte.

Wenn ich also Ihre Ausführungen und die hier von mir ergänzten Fakten kombiniere, käme ich zu dem Schluss, dass die vermeintliche Schenkung (im Fall 1. - Löschung des Wohnungsrechts) nicht zur Deckung der Pflegekosten zurückgefordert werden kann.
Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie dies unter diesen Bedingungen auch so sehen würden?

Noch einmal besten Dank und freundliche Grüße!

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 5. März 2025 | 10:00

Sehr geehrter Ratsuchender,

wird das Wohnrecht jetzt gelöscht, stellt sich die Frage der Schenkung.

Die vertragliche Regelung beeinhaltet leider keinen anderen Befristungsgrund als den Tod der Berechtigten.

Es wird daher auf die Frage ankommen, ob die Rentnerin tatsächlich in die Wohnung zurückkehren kann.

Sie geben den derzeitigen Pflegegrad mit 3 an.

Dazu möchte Ihnen eine Definition an die Hand geben:

Zitat:
Schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit: Die Betroffenen sind in diesem Stadium auf umfassende Hilfe im Alltag angewiesen, da sie wesentliche Alltagsaktivitäten nicht mehr selbstständig ausführen können. Sie benötigen Unterstützung bei der Körperpflege, der Nahrungsaufnahme, der Mobilität und der Kommunikation......... Zudem kann eine teilstationäre Tages- oder Nachtpflege in Betracht gezogen werden, um den Betroffenen und ihren Angehörigen Entlastung zu bieten.


Bei demPflegerad 3 ist demgemäß eine Rückkehr nicht vollständigen auszuschließen. Mit einer Tages- und Nachpflege könnte die Rückkehr gegeben sein.

Es kann demnach schwierig werden, derzeit diese Rückkehr tatsächlich ganz auszuschließen.

Im Falle der Löschung ist daher damit zu rechnen, dass es zu einer Auseinandersetzung, gegebenenfalls auch gerichtlich kommen wird. Seriös kann ich den Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens nicht vorhersagen. Es werden aber gute Argumente angeführt werden können, dass die Rentnerin nicht mehr zurückkehren kann. Aber letztlich ist diese Beurteilung einer Entscheidung des Gerichts vorbehalten bleiben.

Zudem habe ich auch Bedenken, ob die Rentnerin angesichts der Erkrankung die Reichweite ihrer Erklärung überhaupt noch erkennen kann. Es besteht daher auch die Möglichkeit, dass die Löschung ohnehin ohne eine Betreuung der Rentnerin nicht möglich wäre.

Insgesamt birgt daher die Löschung doch einige Unsicherheiten und sollte gut überlegt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwältin

Sylvia True-Bohle



Bewertung des Fragestellers 5. März 2025 | 10:31

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