Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber das wirtschaftliche Risiko, also auch das Risiko, dass er angebotene Arbeitszeit nicht in Anspruch nehmen kann. Bietet der Arbeitgeber seine Arbeitszeit vertragsgerecht an, so muss der Arbeitgeber diese auch voll vergüten, selbst wenn er diese nicht verwerten kann, § 615 BGB
( Annahmeverzug).
Soweit die Grundregel. Bei Ihnen wurde aber ein Arbeitszeitkonto arbeitsvertraglich vereinbart. Diesem ist leider immanent, dass auch Minusstunden "gesammelt" werden können, die so dann auszugleichen sind. Insofern stellt die volle Vergütung des Arbeitgebers, die trotz fehlender Arbeitszeit voll bezahlt wird, einen Vorschuss da. Mit der Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos erteilt der Arbeitnehmer in dieser Konstellation seine Einwilligung, dass im Falle eines negativen Kontostandes beim Arbeitszeitkonto diese Vorwegleistung des Arbeitgebers mit späteren Vergütungsforderungen des Arbeitnehmers verrechnet wird.
Besteht also ein Minus auf dem Arbeitszeitkonto, so ist der Arbeitnehmer verpflichtet, die fehlenden Stunden binnen des vertraglich definierten Ausgleichszeitraums nachzuholen. Schafft er das binnen des Zeitraumes nicht, können nach Ablauf des Zeitraumes seine Vergütungsansprüche mit den Minusstunden aufgerechnet, und damit der dann aktuelle Gehaltsanspruch, gekürzt werden.
Die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos ist zulässig. Bei Ihnen haben wir das Problem, dass zum einen die für das Arbeitszeitkonto zugrundegelegten Stunden falsch sind ( 40 statt 30). Dies geht zu Lasten des Arbeitgebers, dieser kann sich nach Treu und Glauben sowie dem recht der AGB`en ( §§ 307 ff. BGB
) nicht darauf berufen, dass sie nur 30 Stunden arbeiten und Ihnen deswegen nur anteile Zeitsalden für Über- und Minusstunden zur Verfügung stehen.
Darüberhinaus bestehen auch Unsicherheiten bzgl der "6 Monate ( oder 12 Monate)". was dies bedeutet vermag ich auch nicht zu beurteilen. Dies erschließt sich aus dem zitierten Kontext nicht, so dass hier Unklarheiten wiederum zu Lasten des Arbeitgebers gehen, wodurch der Ihnen zur Verfügung stehende Ausgleichszeitraum 12 Monate beträgt. Liegen AGB (vom Arbeitgeber vorgefertigte Vertragsbedingungen, die mehrfach verwendet werden) vor, dürfte eine Beschränkung des Ausgleichzeitraums sogar völlig wegfallen, denn bei diesen gilt, dass eine umklare Formulierung unwirksam ist und gerade nicht umgedeutet werden darf (Verbot der Geltung erhaltenden Reduktion) Liegt also eine unklare Regelung vor, so fällt diese ganz weg und bleibt nicht etwa teilweise bestehen.
Grundsätzlich darf ein Arbeitszeitkonto dazu dienen, Minusstunden zu erfassen. Neben der Verrechnungsabrede wird aber auch konkludent vereinbart, dass ein Arbeitszeitkonto korrekt zu führen ist. Dies wiederum bedeutet, dass der Arbeitnehmer nur dann mit Minusstunden belastet werden darf, wenn die Minusstunden von ihm zu vertreten ist, er diese also verschuldet hat. Der Arbeitnehmer muss also die Möglichkeit der Einflußnahme auf die Minusstunden haben. Wäre der Arbeitgeber hier frei, Minusstunden für betriebliche Auftragsengpässe einzutragen käme dies einer Abwälzung des wirtschaftlichen Risikos auf den Arbeitnehmer und damit der Umgehung des § 615 BGB
gleich. Daher ist es unzulässig dem Arbeitnehmer Minusstunden einzutragen, wenn er seine Arbeitskraft vertragsgerecht angeboten hat und der Arbeitgeber diesen lediglich wegen betriebsinternen Störungen - wie z.B. fehlenden Aufträgen durch Corona- Minusstunden einträgt.
Dabei trägt jedoch der Arbeitnehmer die Beweislast, dass er seine Arbeitskraft angeboten hat.
Dies vorausgeschickt nun zu Ihren Fragen:
1. Der Vertrag ist also für eine 40 Std./Wo verfaßt; ich arbeite aber nur 30!
Da hier dem Arbeitszeitkonto wohl falsche Zahlen zu Grunde liegen, kann eine nur anteilige Gewährung der Über- und Minusstunden nicht verlangt werden. Anders sähe es aus, wenn Sie bei Abschluss der Vereinbarung in Vollzeit gearbeitet hätten und es einen Änderungsvertrag in teilzeit geben würde, der auch die Quotelung der Arbeitszeitsalden bestimmt. Hierfür habe ich jedoch keine Anhaltspunkte.
Fazit: Ihnen stehen in Ermangelung einer anderen Abrede und da Fehler zu Lasten des Verwenders gehen 150 Überstunden und 100 Minusstunden zu, auch wenn sie nur Teilzeit arbeiten.
2. Was bedeuten 6 Monate oder 12 Monate??
Dies geht leider aus der Vereinbarung nicht hervor. Da Unklarheiten hier zu Lasten des Arbeitgbers gehen, haben Sie Anpruch auf eine Ausgleichszeit von mindestens 12 Monaten. Handelt es sich um einen Vertag, den der Arbeitgeber bei mehreren Arbeitnehmern in gleicher Form nutzt, so ist die Regelung sogar völlig unwirksam. Dies bedeutet, Sie haben Zeit die Minusstunden abzuarbeiten bis das Arbeitsverhältnis endet. Erst dann kann der Arbeitgeber die noch vorhandenen Minusstunden abrechnen und geltend machen.
Fazit: Sie haben 12 Monate, eventuell sogar bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Zeit die Minusstunden durch Überstunden und Mehrarbeit auszugleichen.
3. Muß ich überhaupt wg. Corona nacharbeiten (unverschuldet!)
Hier kommt es darauf an, ob Sie Ihre Arbeitskraft angeboten haben. Sie sagen Sie waren arbeiten und haben diese deshalb angeboten. Dies geht aber nicht so klar Hand in Hand. Die Beweislast liegt bei Ihnen und Sie müssen nachweisen, dass Sie den Arbeitgeber baten, Ihre vollen Stunden erbringen zu dürfen.
Ob dies nachweisbar ist, kann ich nach dem obigen Sachverhalt nicht bestimmen.
Läßt sich das Angebot Ihrer (vollen) Arbeitskraft nachweisen, so dürfen Ihnen keine Minusstunden angelastet werden, da sonst das betriebswirtschaftliche Risiko des Arbeitgebers auf Sie abgewälzt werden würde. Hierzu soll das Arbeitszeitkonto genau nicht dienen.
Daneben können Sie sich auf den arbeitsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz berufen, dieser ist gesetzlich nur rudimentär fixiert wird aber anerkannt. Er bedeutet, dass Mitarbeiter nicht ohne sachlichen Grund verschieden behandelt werden dürfen. Sie schreiben, Sie seien der einzige Mitarbeiter von dem Nacharbeit verlangt wird und dass vorhandene Aufträge vorrangig an Kollegen vergeben wurden. Dies ist unzulässig, denn Sie sind den Kollegen gleich zu behandeln, also auch nach fairem System zuzuteilen bzw. nicht mit Minusstunden zu belasten, wenn dies bei den Kollegen ebenfalls nicht der Fall ist.
Fazit: Sie müssen die Minusstunden nicht nacharbeiten, wenn sich das Angebot der (vollen) Arbeitskraft beweisen läßt. Auch müssen Sie nicht arbeiten, wenn den Kollegen Minusstunden erlassen wurden oder sie belegen können, dass Sie bei der Zuteilung vorhandener Aufträge benachteiligt wurden.
4. wenn ja, wieviele Std. Die 100 Minusstd. beziehen sich ja offenbar auf eine 40-Std.-Woche...
Grundsätzlich müssen alle Minusstunden abgearbeitet werden, die zulässigerweise gezählt wurden. Hierfür müsste zunächst geprüft werden, ob bei Ihnen eingetragenen Minusstunden überhaupt korrekt erfasst wurden, oder ob hier nicht zu viele eingetragen wurden, weil fälschlicherweise eine 40 Stunden Woche zugrunde gelegt wurde. Sodann ist zu prüfen ob die mathematisch korrekten Minusstunden überhaupt eingetragen werden durften, oder ob Sie nachweisen können, dass Sie Ihre Arbeitskraft angeboten haben, also z. B. in der Praxis anwesend waren und einfach nicht zugeteilt wurden.
Gelingt der Nachweis nicht, dass die Fehlstunden unzulässig eingetragen wurden, sind sämtliche Minusstunden die erfasst sind, abzuarbeiten, dass für die Zeitsalden für Über- und Minusstunden im Arbeitszeitkonto 40 Stunden zugrundegelegt wurden, ist hierfür irrelevant.
Dabei sind schnellstmöglich 50 Arbeitsstunden abzuarbeiten, um keine Abmahnung zu riskieren, denn es sind nur höchsten 100 Überstunden im Zeitarbeitskonto zulässig.
Fazit: Grundsätzlich sind sämtliche (berechtigt, Siehe 3. ) eingetragene Minusstunden nachzuholen.
5. und kann der AG...verlangen, ALLE Std. durch tägliche Übst. in einem halben Jahr zu tilgen??
Dies halte ich für problematisch. Verlangen kann er dies wohl für 50 Minusstunden ( unterstellt, es kann nicht nachgewiesen werden, dass diese unrechtmäßig erfasst wurden), denn diese gehen über die laut Vereinbarung zulässigen 100 Fehlstunden hinaus.
Für den Abbau von bis zu 100 Minusstunden haben Sie nach der von Ihnen zitierten Regelung mindestens 12 Monate Zeit, denn die Unklarheit die durch die divergierenden Zeitangaben in der Vereinbarung zum Arbeitszeitkonto entsteht, geht zu Lasten des Arbeitgebers. Wurde diese Regelung sogar ( unabgeändert) mehrfach für Arbeitnehmer verwendet, so liegen AGB `en vor, die bei Unklarheiten unwirksam sind. In diesem Fall haben Sie für 100 Stunden sogar bis zur beendigung des Arbeitsvertrages Zeit, bevor eine Verrechnung der ( als Vorschuss geleitesten) Vergütung ansteht.
Was tun Sie nun am Besten?
Sie sagen ein klärendes Gespräch sowie die Anordnung von Kurzarbeit fand nie statt.
Sicher ließe sich hier erwägen, ob der Arbeitgeber unter den Gesichtspunkten von Treu und Glauben verpflichtet wäre bei mangelhafter Auftragslage Kurzarbeit zu beantragen und anzuordnen, damit die Minusstunden nicht überhand nehmen. Aber mit der Grundlage des Annahmeverzuges haben Sie meines Erachtens bessere Chancen, als mit der Berufung auf Treu und Glauben ( § 242 BGB
), da dieser nur Korrektiv für besondere Umstände im Einzelfall darstellt.
Ich denke, statt diesen Gedanken nachzuhängen, sollte konstruktiv an einer Lösung gearbeitet werden. Sie sollten also den Austausch mit dem Arbeitgeber suchen. ZU Beweiszwecken sollte dieser schriftlich erfolgen.
Zunächst sollten Sie der Anrechnung der Minusstunden wieder sprechen, da diese nicht durch Sie sondern durch die fehlenden Patienten verschuldet wurde und fehlende Patienten zum wirtschaftlichen Risiko einer Praxis gehören. Der Arbeitnehmer hingegen trägt das wirtschaftliche Risiko gerade nicht, so dass die Fehlzeiten, die er nicht selbst zu vertreten hat, ihm nicht angelastet werden können. Fordern Sie daher eine Korrektur des Arbeitszeitkontos.
Berufen Sie sich dabei auch darauf, dass Sie und die Kollegen gleichzubehandeln sind und Sie in Erfahrung gebracht haben, dass andere Kollegen keine Minusstunden sammelten bzw. diese nicht nacharbeiten müssen. Auch die noch vorhandenen Aufträge hätten gleichmäßig verteilt werden müssen, so dass Sie nicht dafür einstehen können, dass nicht ausreichend Arbeit, um Sie zu bedenken, vorhanden war.
Ich hoffe, der Arbeitgeber lenkt ein, sonst bleibe Ihnen (nach einem eventuellen anwaltlichen Schreiben) nur die negative Feststellungsklage vor Gericht bzw. bei der Geltendmachung von Verrechnungsansprüchen des Arbeitgebers oder bei Abmahnungen aufgrund von Minusstunden oder sonstigen Maßnahmen jeweils dagegen vorzugehen. Hier müssten dann aber eventuelle arbeitsvertragliche Ausschlußklauseln geprüft und (gegenseitig) beachtet werden.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Doreen Prochnow
(Rechtsanwältin)
Antwort
vonRechtsanwältin Doreen Prochnow
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Rechtsanwältin Doreen Prochnow
Liebe Frau Rechtsanwältin, zunächst einmal herzlichen Dank für Ihre ausführliche und prompte
Stellungnahme!
Leider ist mir das Eine oder Andere nicht recht verständlich:
-"Dies geht zu Lasten des Arbeitgebers, dieser kann sich nach Treu und Glauben sowie dem recht der AGB`en ( §§ 307 ff. BGB
) nicht darauf berufen, dass sie nur 30 Stunden arbeiten und Ihnen deswegen nur anteile Zeitsalden für Über- und Minusstunden zur Verfügung stehen."
Heißt das, für mich gelten ebenso 100 Minusstd. und nicht anteilig weniger?
-zu Ihrer Information:
Inzwischen ist es sicher, daß ich als einziger Mitarbeiter überhaupt Minusstd. nacharbeiten soll.
In der kommenden Wo wurden mir für über 35 Std.!! Patienten auf's Auge gedrückt. Der Rezeptionsdame wurde -ohne mich darüber zu informieren- gesagt,
mir soviele Pat. als möglich!! einzutragen. Wieviel Übstd. muß ich bei 30-Std.-Woche machen?
Interessant auch: während der "Corona-Hauptzeit" wurden zwei Teilzeit-Rezeptionskräfte ganz normal
weiterbeschäftigt (bei vollem Gehalt)--obwohl der Dienstplan das garnicht hergab! Eine der beiden Damen arbeitet
zudem als Masseurin
in der Praxis und konnte sich so auch selbst bei neuen Patienten "bedienen", d.h. diese sich und einer weiteren Mitarbeiterin eintragen.
Ferner übernahm sie diverse Patienten von dieser Kollegin, deren Plan auf wundersame Weise stets gefüllt war.
Darunter auch etliche Patienten, die Krankengymnastik verordnet bekamen und die sie als Masseurin gar nicht hätte behandeln dürfen! Das alles läßt sich anhand des Dienstplanes beweisen.,
Auf diese Umstände machte ich die Chefin insgesamt dreimal aufmerksam und erntete betretenes "Unverständnis"!
Ich gab zu verstehen, daß unter den (besonders neuen) Pat. doch eigentlich auch welche für mich sein müßten...
Daraufhin wurde mir geantwortet, Patienten könne man nicht wie "Aktenordner"?? hin- und herschieben...
Auch dadurch habe ich schließlich meine Arbeitskraft angeboten!!
Ganz abgesehen davon wurden so gut wie alle Massage- oder Lymphdrainage-Patienten (neu) bei der Masseurin
eingetragen, obschon ich dafür ebenfalls qualifiziert bin! Dazu befragt, sagte die Chefin: "Doch, natürlich sollst auch du Mass.
bzw. MLD machen!" Allerdings ohne jedwede Konsequenz...Mein Dienst-Plan blieb weitgehend leer.
-Sie schreiben:
"Fazit: Grundsätzlich sind sämtliche (berechtigt, Siehe 3. ) eingetragene Minusstunden nachzuholen."
Aber doch nur 100??---laut Vertrag...
Ich würde mich über eine rasche Replik sehr freuen, da ich nicht weiß, wielange ich dem mobbing (nichts anderes ist das!) standhalten kann!
Zum Schluß darf ich Ihnen ein wunderschönes Wochenende wünschen.
MfG
M.S.
Lieber Fragesteller,
gern zu Ihren Nachfragen.
Vorab: Sie haben Ihre Arbeitskraft mehrmals angeboten, aber im Streitfall müssen Sie das auch beweisen. Dabei sind Zeugen stets der unsicherste Beweis, denn Sie können falsche Angaben machen. Auch wenn dies strafbar ist, kommt dies sehr häufig vor und die Überführung ist ohne "harte" Beweise ( Video- und Bildmaterial, schriftliches) kaum möglich. Daher gehe ich durchaus davon aus, dass Sie Ihre Arbeitskraft mehrfach angeboten haben, dass gerade die "Chefin"sich aber hieran nur ungern erinnern und eventuell anderes behaupten wird. Gerade weil die Masseurin eventuell nicht ganz fachgrecht eingesetzt wurde, wird sie dies vielleicht vertuschen wollen. Insofern halte ich einen Beweis trotz der gegebenen Tatsachen hier für eventuell schwierig, dass Annahmeverzug des Arbeitgebers vorliegt und nicht etwa selbst verschuldete Minusstunden.
Hiervon hängt aber alles ab. Für den Arbeitgeber, der Sie nacharbeiten lassen möchte oder die Vergütung verrechnen, ist das Zeitkonto zunächst der Beweis für Minusstunden. Sie aber müssen beweisen, dass diese nicht zulässig aufgenommen wurden.
Gelingt der beweis, dass alle Stunden trotz Arbeitskraftangebot nur wegen dem Patientenwegfall anfielen, muss keine dieser Stunden nach gearbeitet werden. Natürlich ist das Vorliegen der Corona-Pandemie hier ein guter Indikator, ob dieser einem Gericht für alle Stunden genügt , ist aber nicht beurteilbar, weil es eben noch keine gefestigte Rechtsprechung hierzu gibt. Möglicherweise läßt der Dienstplan und die Dokumentation der Patientenanzahl einen Rückschluss darauf zu, dass weniger Patienten zur Verfügung standen und diese auch noch ungerecht verteilt wurden. Ein weiterer mögliches Indiz, dass die Minusstunden Folgen der Pandemie sind, wäre, dass die anderen Mitarbeiter nichts nacharbeiten müssen, bei Ihnen also trotz Minusstunden von einem unverschuldeten weniger Arbeiten ausgegangen wird. Ob dies alles gut verargumentiert und wenigstens in Teilen klar belegt werden kann, vermag ich aber ohne Kenntnis aller Unterlagen nicht einzuschätzen.
Deshalb wichtig: Sie müssen schauen, ob Sie beweisen können, dass Sie Ihre Arbeitskraft angeboten haben und die Fehlzeiten nur eine Auswirkung des Patientenmangels in der Corona-Krise war. Dies ist der entscheidende Punkt in Ihrem Fall.
Die vorausgeschickt nun zu Ihren Nachfragen:
1. -"Dies geht zu Lasten des Arbeitgebers, dieser kann sich nach Treu und Glauben sowie dem recht der AGB`en ( §§ 307 ff. BGB
) nicht darauf berufen, dass sie nur 30 Stunden arbeiten und Ihnen deswegen nur anteile Zeitsalden für Über- und Minusstunden zur Verfügung stehen."
Heißt das, für mich gelten ebenso 100 Minusstd. und nicht anteilig weniger?
Ja, im Kern bedeutet es dies.
Dabei hat die Begrenzung im Vertrag zwei Seiten. Sie dürfen bis zu 100,00 Minusstunden ansammeln ohne zum zeitlich gebundenen Ausgleich verpflichtet zu sein. Bis 100 Minusstunden kann von Ihnen also keine Sanktion für die Minusstunden erfolgen. Da bei Ihnen die falsche Berechnungsgrundlage - nämlich 40 Stunden - gewählt wurde, muss der Arbeitgeber Ihnen diese Grenze von 100 Minusstunden, die sie nach Ihrem Zitat zulässig ansammeln dürfen, zugestehen, er darf dies also nicht anteilig kürzen.
Diese vertragliche Grenze bedeutet aber nicht, dass nicht mehr als 150 Minusstunden erfasst werden dürfen. Sondern Sie beutet, dass alle angesammelten über 100 Minusstunden eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellen, für die sofortige Sanktionen drohen können. Dies kann die Nacharbeit sein oder die anteilige Gehaltskürzung, aber auch eine Abmahnung bis hin zur Kündigung.
Deswegen ist der beweis , dass die Stunden zu Unrecht angesammelt wurden so wichtig für Sie. Gelingt dies nicht, müssen zumindest 50 Stunden möglichst schnell nachgearbeitet werden um die arbeitsvertragliche Pflichtverletzung zu beseitigen.
Zudem ist der zeitliche Rahmen des Abbaus der weiteren 100 Minusstunden nach Ihrem Zitat unklar, so dass die Minusstunden, die zulässig im Konto stehen dürfen ( 100 Stunden) erst binnen 12 Monaten (die für den Arbeitgeber ungünstigerer Auslegung bei Individualvertrag, § 242 BGB
) bzw. bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses ( ersatzloser Wegfall der Klausel bei Arbeitsvertrag, der AGB steht, § 307 ff. BGB
)
2. "Fazit: Grundsätzlich sind sämtliche (berechtigt, Siehe 3. ) eingetragene Minusstunden nachzuholen."
Aber doch nur 100??---laut Vertrag...
Nein, eben nicht nur 100 laut Vertrag. 100 Minusstunden ist lediglich die Grenze der Stundenanzahl, die zulässig von Ihnen weniger gearbeitet werden darf. Sobald Sie eine höhere Anzahl von Minusstunden haben ist dies eine vertragliche Pflichtverletzung Ihrerseits, die zu arbeitsrechtlichen Sanktionen führen kann.
Genau, dass ist der Punkt, warum das Arbeitszeitkonto möglichst schnell korrigiert werden muss, entweder durch möglichst schnellen Ausgleich der zuviel gesammelten 50 Minusstunden oder eben durch den Nachweis, dass diese nicht durch Sie verschuldet wurden.
Es sind also sämtliche 150 Minusstunden nachzuholen, wenn nicht der Beweis möglich ist, dass diese nur entstanden sind, weil zu wenig Patienten zu verteilen waren und diese auch noch ungerecht verteilt wurden.
3. In der kommenden Wo wurden mir für über 35 Std.!! Patienten auf's Auge gedrückt. Der Rezeptionsdame wurde -ohne mich darüber zu informieren- gesagt,
mir soviele Pat. als möglich!! einzutragen. Wieviel Übstd. muß ich bei 30-Std.-Woche machen?
Grundsätzlich müssen alle Minusstunden nachgearbeitet werden, die im Zeitkonto erfasst wurden, denn diese gelten als Nacharbeit und nicht als "Überstunden".
Überstunden sind nur Stunden , die die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit überschreiten, diese dürfen nur verlangt werden, wenn dies arbeitsvertraglich vereinbart wurde, bei Teilzeitkräften sind diese zumeist unzulässig, da hier ja gerade eine verkürzte Arbeitszeit vorliegen soll.
Da es bei Ihnen aber um Minusstunden geht, liegen aber eben gerade keine Überstunden vor, sondern nur eine Nacharbeit der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Diese müssen nachgeholt werden, bis das Arbeitszeitkonto ausgeglichen wird. Deswegen nochmal, der Ausgleich kann über Nacharbeit ( oder Verrechnung der Vergütung, beides unschön) gelingen oder darüber, dass Sie belegen, dass die Minusstunden gar nicht hätten erfaßt werden dürfen, weil sie Folge der Pandemie und von Ihnen nicht verschuldet waren.
Eine Grenze der täglichen bzw. wöchentlichen Arbeitszeit bildet hier nur das Arbeitszeitgesetz, welches dem Gesundheitsschutz von Arbeitnehmern dient. Hiernach dürfen Arbeitnehmer grundsätzlich in der Woche nicht mehr als 8 Stunden pro Werktag arbeiten, wobei die wöchentliche Arbeitszeit maximal 48 Stunden betragen darf, weil der Samstag als Werktag mitzuzählen ist. Dabei darf die tägliche Arbeitszeit maximal 10 Stunden betragen, wenn diese im 24 Wochen -Durchschnitt maximal 38 Stunden pro Woche beträgt. ( vgl. § 3 ArbeitszeitG). Mit Ihrer Nacharbeit dürfen Sie also durchschnittlich nicht mehr als 48 Stunden pro Woche arbeiten. Im Ausnahmefall sind auch 50 Stunden möglich, wenn Sie dann an anderer Stelle nur 46 Stunden arbeiten würden, sich das ganze also binnen 24 Wochen ausgleicht.
Leider hilft Ihnen also , das Arbeitszeitgesetz wenig weiter, da die zulässige Arbeitszeit sehr hoch angesetzt ist. Deshalb werde ich nicht müde zu betonen, Sie müssen den Nachweis erbringen, dass die Minusstunden nur Corona bedingt anfielen und Ihnen daher nicht angelastet werden dürfen.
Bitte setzen Sie sich daher möglichst schnell schriftlich mit dem Arbeitgeber auseinander, und teilen Sie ihm mit, dass die Erfassung der Minusstunden nicht zulässig war. Denn diese sind von Ihnen unverschuldet und der Arbeitgeber hat das Risiko zu tragen, dass er zur Verfügung gestellte Arbeitskraft nicht verwenden kann. Aufgrund der Pandemie entstandene Minusstunden, kann er Ihnen also nicht abziehen, sondern die Minusstunden liegen in seinem Risikobereich und er muss volle Vergütung zahlen ( § 615 BGB
). Teilen Sie ihm daher mit, dass mehr Stunden als vereinbart, ihrem Zeitarbeitskonto daher nicht als Ausgleichsstunden - die Sie nicht brauchen- sondern Überstunden gutzuschreiben sind, so dass der Arbeitgeber hierfür vergütungs- bzw ausgleichspflichtig ist.
Ich hoffe nun ist diese Thematik klarer. Sie müssen dringend tätig werden.
mit freundlichen Grüßen
Doreen Prochnow