Frage zur 5/6 Regel der Scheinselbstständigkeit

| 6. März 2019 21:12 |
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Arbeitsrecht


Beantwortet von

Zusammenfassung

Wie viele Auftraggeber benötigt es, um nicht in die Scheinselbstständigkeit zu rutschen?

Ob Sie scheinselbständig sind, richtet sich nach einer Gesamtbetrachtung. Wenn mindestens 5/6 des Umsatzes durch einen Auftraggeber erzielt werden, gilt der Selbstständige als „im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig". Etwas anderes kann sich auf Grund weitere Umstände ergeben.

Sehr geehrte Anwälte,

mich beschäftigt im Grunde nur eine Frage zur Scheinselbstständigkeit in Zusammenhang mit der 5/6 Regel .

Ich weiß, das ich wohl in die Scheinselbstständigkeit rutsche wenn ich durch einen Auftraggeber 5/6 des Gesamt-Umsatzes erziele.

Meine Fragen

1) Sicher wäre es wünschenswert wenn es mehrere Auftraggeber gäbe. Wie aber sieht es aus, wenn ich 2 oder 3 Auftraggeber habe und die Anteile des Umsatzes relativ gleich sind ? 50/50 oder 30/30/40 Prozent
Würden 2 Auftraggeber/ Kunden überhaupt reichen ?

2) Wenn ich tatsächlich mehrere Auftraggeber bzw Kunden (über Verkäufe) habe, wie groß muss dann mindestens der Umsatz sein, der zu erzielen ist um die 5/6 Regel zu verhindern. 1/6 würde ja nicht reichen, das ist ja genau die Grenze, also müssten es um sicher zu gehen wenigsten 2/6 sein ?

3) Nehme wir an ich habe 10 Kunden. Dann reicht die Anzahl der Kunden aber immer noch nicht um die 5/6 Regel zu umgehen, weil die Anzahl der Kunden nicht maßgeblich ist, sondern die 5/6 Regel ? Stimmt das so ?

4) Die Umsätze zählen aufs Jahr gesehen, oder ist schon ein/zwei Monat(e) ausschlaggebend wo ich tatsächlich mal nicht über die 5/6 Regel komme ?

5) Letzte Frage. Ich habe eine "Großkunden", bei dem eigentlich die 5/6 Regel zutrifft und ich damit Scheinselbstständig wäre. Nun versuche ich über Verkäufe zusätzliche Umsätze zu generieren.
Über den Großkunden setzte ich im Monat z.B 2000 Euro inkl. MwSt. um. Würden 400 oder 500 Euro durch weitere Kunden, an die ich verkaufe als minimum reichen um die 5/6 Regel zu umgehen UND muss es zwingend Gewinn sein (ja, was natürlich wünschenswert wäre) oder reicht es als Umsatz ?

Ich hoffe ich konnte die Fragen verständlich stellen und freue mich über Ihre Aufklärung
Vielleicht könne Sie die Fragen anhand der Nummerierung beantworten

Vielen herzlichen Dank
Mit freundlichen Grüßen
Anna

6. März 2019 | 22:43

Antwort

von


(39)
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Tel: 03053213330
Web: https://www.frag-einen-anwalt.de/anwalt/Rechtsanwaeltin-Stefanie-Kremer-__l108448.html
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Sehr geehrte Fragenstellerin,

die Frage, ob Sie scheinselbständig sind, d.h. den tatsächlichen Umständen Ihrer Tätigkeit nach als Arbeitnehmerin gelten müssen, richtet sich nach einer Gesamtbetrachtung. Dabei spielen eine Vielzahl von Kriterien eine Rolle, insb. die Eingliederung in die Arbeitsorganisaton des Auftraggebers und die Weisungsgebundenheit. Wer seine Arbeitszeit frei einteilen, Aufträge nach eigener Entscheidung annehmen oder ablehnen kann und nach Außen (z.B. durch Werbung oder in einem Briefkopf) als Unternehmer auftritt, wer selber Rechnungen ausstellt und das Risiko von Gewinn und Verlust trägt, dürfte eher eine Selbständiger sein.

Ein weiteres Kriterium ist zudem, ob die Tätigkeit auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber erfolgt. Wenn mindestens 5/6 des Umsatzes durch einen Auftraggeber erzielt werden, gilt der Selbstständige als „im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig". Dieses Kritierum wird wiederum anhand einer wertenden Betrachtung der Einkünfte des Vorjahres und für die Zukunft beurteilt.

Ob Ihre Tätigkeit im Gesamtbild eher der einer Arbeitnehmerin oder einer Selbständigen entspricht lässt sich anhand eines einzelnen Kriteriums also nicht sagen.

Es könnte auch sein, wenn Sie zwar das 5/6-Kriterium erfüllen, Ihre Tätigkeit ansonsten aber im Wesentlichen unternehmerische Merkmale aufweist und sie auch sonst nicht als Arbeitnehmerin anzusehen sind, dass Sie als „arbeitnehmerähnliche Selbständige" gelten müssen. Arbeitnehmerähnliche Selbstständige sind zwar „echte" Selbstständige, also nicht scheinselbstständig, sind allerdings rentenversicherungspflichtig. Der Gesetzgeber definiert arbeitnehmerähnliche Selbständige als Personen, die regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind.

Zu Ihrer Frage 1) ist zu sagen, dass Sie bei den dort angegebenen Konstellationen gerade nicht „im Wesentlichen für einen Auftraggeber" tätig sind, d.h. Das 5/6-Kriterium ist dann nicht erfüllt.

Zu Frage 2): Grundsätzlich ist, wenn ein zweiter Auftraggeber mehr als 1/6 der Einkünfte ausmacht, die 5/6-Regelung nicht erfüllt. Aber wenn die Einkunftsverteilung knapp an der Grenze oder knapp darüber ist, entscheidet eben die wertende Betrachtung der Einkunftssituation des gesamten Vorjahres sowie die Zukunftsaussichten.

Zu Frage 3): Bei 10 Kunden wären Sie auf jeden Falls nicht nur „im Wesentlichen für einen Auftraggeber" tätig.

Ihre Frage 4) ist bereits antwortet: Das gesamte Vorjahr ist maßgeblich.

Zu Frage 5): Maßgeblich sind die Einkünfte, nicht der Umsatz. Folge der Anwendbarkeit der 5/6-Regelung könnte in Ihrem Fall aber wie gesagt auch sein, dass Sie nur rentenversicherungspflichtig sind, ansonsten aber als Selbständige gelten.

Sollte die 5/6-Regelung bei Ihnen nicht zutreffen, steht damit umgekehrt allerdings auch nicht zwingend fest, dass Sie nicht scheinselbständig sind. Das lässt sich nur anhand einer Gesamtbetrachtung und unter Einbeziehung der gesamten Tätigkeitssituation beurteilen. Auf Antrag (§7a SGB IV ) stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund fest, ob im konkreten Fall eine Selbständigkeit vorliegt oder ob es sich um eine Scheinselbständigkeit handelt. Wird das bejaht, bedeutet das für den Arbeitgeber aber die Pflicht, Sozialversicherungsbeiträge, ggf. in größerem Umfang auch für eine begrenzte Zeit in der Vergangenheit zurückzuzahlen.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Stefanie Kremer
Rechtsanwältin


Rechtsanwältin Dr. Stefanie Kremer

Rückfrage vom Fragesteller 7. März 2019 | 07:59

Vielen Dank für die ausführliche Beantwortung

Ein paar Nachfragen

Zu Frage 3): Hätte ich also mehrere Kunden, spielt die Verteilung der generierten Umsätze keine Rolle mehr für die 5/6 Regel.

Zu Frage 5): Zitat "Maßgeblich sind die Einkünfte, nicht der Umsatz"

Könnten Sie "Einkünfte" etwas genau erklären, da stehe ich gerade etwas auf dem Schlauch, was genau gemeint ist.
Ich hätte Einkünfte mit Umsatz gleichgesetzt.

Als arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger könnte ich also Antrag auf freiwillige Versicherung in der Rentenversicherung stellen. Würde bei Antragstellung hier denn etwas rückwirkend geprüft werden ?

Im Moment ist es so, das ich zwar hier und da weitere Einkünfte durch Dritte habe, diese aber verschwindend gering geworden sind. Somit beziehe ich mein fast komplette Einkommen aus einer Quelle. Ich hab allerdings eigenen Briefpapier, Visitenkarten, Homepage bin nicht weisungsgebunden, könnte wenn ich wollte auch andere Dinge machen, habe im Grunde keine festen Arbeitszeiten, fülle z.B. keinen Urlaubantrag aus wie die festangestellten, sondern sage wann ich Urlaub mache. Allerdingt füge ich mich freiwillig in die Abläufe ein, damit Verlässlich- und Planbarkeit gegeben ist. Am Ende des Monats stelle ich eine Rechnung über die Anzahl der Stunden die ich dort war. Das Finanzamt erhalt eine Gewinn-/Verlustrechnung und Umsatzsteuererklärung von mir.

Vielen Dank
Viele Grüße

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 7. März 2019 | 10:17

Wenn Sie arbeitnehmerähnliche Selbstständige sind, sind Sie verpflichtet, sich innerhalb von drei Monaten nach der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu melden. Die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für arbeitnehmerähnliche Selbständige beginnt grundsätztlich mit Aufnahme der Tätigkeit, es besteht bis drei Jahre nach Aufnahme der Tätigkeit (§ 6 Abs. 1 a SGB VI) eine Befreiungsmöglichkeit. Die Befreiung wirkt allerdings erst vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. Wenn Sie bereits in der Vergangenheit als arbeitnehmerähnliche Selbstständige tätig waren, besteht auch rückwirkend, bis zu fünf Jahre, eine Versicherungspflicht. Sofern die drei Jahre Befreiungsmöglichketi für Berufsanfänger noch nicht abgelaufen sind, können Sie sich für die Zukunft noch für den Rest dieser Zeitspanne von der Versicherungspflicht befreien lassen. Nach Vollendung des 58. Lebensjahrs besteht eine weitere Freistellungsmöglichkeit.

Die von Ihnen genannten Merkmale Ihrer Tätigkeit, insbesondere dass Sie Ihre Arbeit frei einteilen können, sprechen tendenziell gegen eine Arbeitnehmereigenschaft. Auch dass Sie die Möglichkeit haben, wenn sich die Gelegenheit ergibt, in größerem Umfang für andere Kunden zu arbeiten,ist ein Indiz für Ihre Selbstständigkeitt. Sie als Auftragnehmerin sollten Ihrem Unternehmerkonzept nach die Zusammenareit mit mehreren Auftraggebern anstreben und dies sollte auch den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten nach Erfolg versprechen.Wenn allerdings Ihre Tätigkeit im Gesamtbild z.B. der eines bei Ihrem Auftraggeber als Arbeitnehmer Beschäftigten sehr ähnlich ist, können wiederum Zweifel an der Selbständigkeit bestehen. Abschließend kann ich die Frage an dieser Stelle nicht beantworten, da es einer eingehenden Prüfung unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Umständen bedarf. Bei einer Anmeldung zur Rentenversicherungspflicht
als arbeitnehmerähnliche Selbständige (mit dem Formular Formulars V020 der Rentenversicherung) prüft die Rentenversicherung auch, ob möglicherweise eine Arbeitnehmereigenschaft vorliegt (Formular V023). Zu den Fragebögen gibt es im Internet auch Erläuterungsbögen, die Ihnen noch mehr Klarheit verschaffen können.

Laut dem Rentenversicherungsformular V020 kommt es auf das 5/6-Verhältnis der „Betriebseinnahmen" an (Frage 2.4.2). Hierunter sind alle Geld- und Sachleistungen zu verstehen, die ein Unternehmer für erbrachte Leistungen von seinem Kunden erhält. Betriebseinnahmen können sowohl ein zu zahlender Geldbetrag als auch zu erbringende Sachleistungen sein. Z.B. verkaufte Dienstleistungen sind Betriebseinnahmen. Die Betriebseinnahmen entsprechen nicht dem Gewinn. Dieser ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der Einnahmen mit den Ausgaben, die in regelmäßigen Abständen getätigt werden oder gelegentlich anfallen. Sie sind aber auch nicht mit dem Umsatz gleichzusetzen. Der Umsatz ist auf die operativen Einnahmen beschränkt, dahingegen werden in den Betriebseinnahmen alle Einnahmen der Unternehmung erfasst. Keine Betriebseinnahmen sind dagegen unter anderem Investitionszulagen und durchlaufende Posten. Eine gesetzliche Definition für "Betriebseinannahmen" gibt es allerdings nicht. Bitte fragen Sie ggf. noch mal bei der Rentenversicherung nach, welche Posten bei der Beantwortung dieser Frage berücksichtigt werden sollen.

Bewertung des Fragestellers 9. März 2019 | 10:08

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