Sittenwidriger Erbpachtvertrag?

| 10. November 2011 23:23 |
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Baurecht, Architektenrecht


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in unter 2 Stunden

Es handelt sich um ein ca. 1800 m² großes Grundstück, welches 1981 als Erbpachtgrd. auf die Dauer von 99 Jahren gebildet wurde (urspr. 38.400 DM)-von Privat . Anschließend folgte eine Bebauung mit einem nun leerstehenden Supermarkt. Das Grd. hat einen Wert (Basis Bodenrichtwert) von ca. 180.000 €. Der Vertrag ist direkt (ohne Schwelle) an einen Index gekoppelt (Anpassung 1* jährlich), der dazu geführt hat, dass der Erbpachtzins derzeit 30 t€ p.a. beträgt!! Im Vertrag gibt es eine Klausel, dass der Nehmer eine Anpassung verlangen kann, wenn der Mietzins den Ursprungsmietpreis um 200% übersteigt.

Die Miete entspricht ca. 16,6%. Mir sind Zinssaätz zwischen 4-7% geläufig. Da der Vertrag noch 70 Jahre läuft eine deutliche Summe, die den Wert des Grundstückes um ein mehrfaches übersteigt. Die Erbpachtgeber wollen natürlich keine Änderung herbeiführen.

Welche Chancen/Rechtsgrundlagen können hier greifen - wie kann man die Erfolgsaussichten einschätzen?

11. November 2011 | 00:41

Antwort

von


(175)
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01139 Dresden
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Sehr geehrter Fragesteller,

ich möchte Ihre Anfrage anhand des geschilderten Sachverhaltes im Rahmen einer ERSTberatung wie folgt beantworten:

Grundsätzlich ist von den vertraglichen Vereinbarungen auszugehen.

Jedoch ist nach vorliegendem Sachverhalt möglicherweise der Index eine unvollständige Bezugsgröße.

Grundlage dieser Betrachtung ist § 9a ErbbauRG mit seiner Regelung zur Unbilligkeit von Erhöhungsansprüchen.

Mehrere Urteile sprechen für eine flexiblere Anpassung insbesondere der Berücksichtigung der Entwicklung der !allgemeinen! wirtschaftlichen Verhältnisse.

Die Anpassung des Erbbaupachtvertrages erfolgt dann in der Regel nach § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage).

Der BGH in MittBayNot 1993, 8 , Urteil vom 18. 9. 1992 - V ZR 116/91
"a) Für die Erhöhung des Erbbauzinses infolge Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist die seit Vertragsabschluß eingetretene Entwicklung des Bodenwerts maßgebend, wenn diese hinter der Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse zurückgeblieben ist (Abgrenzung zu BGHZ 77, 194 ).
b) Die Anpassung des Erbbauzinses muß von dem vereinbarten prozentualen Wertverhältnis zwischen Erbbauzins und Bodenwert ausgehen, wird aber durch das Ausmaß der Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse begrenzt."

Und der BGH in NZM 2009, 211 , Urteil vom 31. 10. 2008 - V ZR 71/08

"Ein zutreffendes Bild der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse wird nur dann gezeichnet, wenn neben den Lebenshaltungskosten auch die Einkommensverhältnisse berücksichtigt werden."

Was Unbillig ist, ist Richterrecht im Einzelfall.

Eine Erfolgsprognose kann nur gegeben werden, soweit offensichtliche Tatsachen die Unbilligkeit belegen.

Andererseits begründet die Überschreitung der vertraglich bestimmten Anpassungsgrenze (200%) einen eigenen Anspruch, der auch gerichtlich einfacher durchsetzbar ist, als der Nachweis der Unbilligkeit.

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Ich hoffe, dass ich Ihnen eine erste Orientierung in der Sache geben konnte.

Sollte sich der Sachverhalt doch etwas anders darstellen, nutzen Sie bitte die Nachfrage.

Sie können mich jederzeit über die Kontaktdaten in meinem Profil erreichen und auch in anderen Angelegenheiten beauftragen.

Es sei noch der Hinweis erlaubt, dass die rechtliche Einschätzung ausschließlich auf den von Ihnen mitgeteilten Tatsachen beruht und dass durch das Hinzufügen oder Weglassen von weiteren tatsächlichen Angaben die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen kann.


Rechtsanwalt Heiko Tautorus

Bewertung des Fragestellers 14. November 2011 | 08:17

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