Sehr geehrter Fragesteller:
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich möchte anhand des geschilderten Sachverhaltes im Rahmen einer Erstberatung wie folgt beantworten:
1. Gibt es andere Gelegenheiten außer Klage, um die Umsatzsteuererstattung 2009 doch zu erhalten? Eventuell Korrekturvorschriften? Wiedereinsetzung im vorigen Stand ist kaum zu begründen.
Nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung können die Wiedereinsetzungsgründe nur im Klageverfahren geltend gemacht werden, sodass diese Möglichkeit ausscheidet.
Änderungsvorschriften sind dagegen theoretisch anwendbar, in der Praxis greifen idR nicht ein, außer zugunsten des FA. zB steht einer Änderung gem. § 173 AO
regelmäßig entgegen, dass das jeweilige Vorbringen nicht „nachträglich" bekanntgeworden ist und den Einspruchsführer ein grobes Verschulden an der verspäteten Geltendmachung trifft. Ob präkludiertes Vorbringen im Rahmen des § 177 III AO
zu berücksichtigen ist, ist streitig. Eine schlichte Änderung ist aber auf jeden Fall präkludiert. Eine abschließende Prüfung der Möglichkeiten würde aber den Rahmen dieser Erstberatung bei Weitem sprengen. Gerne stehe ich hierfür zur Verfügung in Rahmen einer Mandatierung.
2. Kann die Klage erfolgreich sein? Oder ist die Nichtabgabe/verspätete Abgabe auch für Klage schädlich? Und wohin sollten nun jetzt die fertigen Erklärungen gesendet werden?
Wird gegen den Steuerberschied und die ihn bestätigende Einspruchsentscheidung Klage erhoben, bestimmen sich die Auswirkungen der Präklusion auf das finanzgerichtliche Verfahren nach § 76 III iVm. § 79 b III FGO: Aufgrund der hiernach dem Gericht möglichen Berücksichtigung nachträglichen Vorbringens bewirkt die Präklusion nach § 364 b II 1 AO keine Teilbestandskraft des Steuerbescheides. Eine Klage kann sich daher lohnen.
Soweit das verspätete Vorbringen die Begründetheit des Einspruchs betrifft, ist eine Zurückweisung durch das Gericht ausgeschlossen, wenn der Beteiligte die Verspätung gem. § 76 III iVm. § 79 b III S. 1 Nr. 2 und S. 2 FGO genügend entschuldigt und der Entschuldigungsgrund ggf. glaubhaft gemacht worden ist.
Die Zurückweisung und Entscheidung ohne weitere Ermittlung ist ausgeschlossen, wenn es dem Gericht mit geringem Aufwand (§ 76 III iVm. § 79 b III 3 FGO) möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln (BFH VI B 24/04
, BFH/NV 2005, 1225
). Das ist zB der Fall, wenn die in der verspätet nachgereichten Steuererklärung angegebenen Besteuerungsgrundlagen unstreitig sind (Pahlke/Koenig, Abgabenordnung 2. Auflage 2009, § 364b AO
Rn. 41). Die Materie ist aber insgesamt streitig: es bestehen widersprüchliche Entscheidung der Senate des BFH zum Thema.
Aufgrund der Komplexität der Materie, rate ich Ihnen dringend dazu ab, Klage ohne rechtlichen Beistand einzureichen.
Was die Erklärung angeht, wird die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung gem. § 149 I 4 AO
durch die Schätzung nicht berührt. Die Abgabe der Erklärung kann auch nach Erlass eines Schätzungsbescheids weiterhin nach §§ 328 ff. AO erzwungen werden, so dass Sie nach wie vor verpflichtet bleiben, die Erklärung abzugeben.
Ich hoffe, Ihnen eine erste rechtliche Orientierung gegeben zu haben.
Mit freundlichen Grüßen.
Antwort
vonRechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M.
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Fachanwalt für Migrationsrecht