Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
vielen Dank für Ihre Anfrage auf diesem Portal, die ich im Rahmen einer Erstberatung gern wie folgt beantworten möchte.
Welche Leistungen die PKV zu übernehmen hat, ergibt sich zum einen aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen und zum anderen aus dem von Ihnen gewählten Tarif. Leistungen, die weder nach den Versicherungsbedingungen noch in dem gewählten Tarif mitversichert sind, braucht die PKV grundsätzlich nicht zu übernehmen.
Zudem ist die PKV nach den Versicherungsbedingungen - § 5 Abs. 2 der Musterbedingungen 2009 - berechtigt, bei Behandlungen, die nicht mehr unter die medizinische Notwendigkeit fallen, ihre Leistung entsprechend zu kürzen oder die Leistungen gar nicht zu erbringen. Nach derselben Vorschrift kann die PKB von der Leistungspflicht befreit werden, soweit die Kosten für eine Behandlung in einem erheblichen Missverhältnis zur erbrachten Leistung stehen.
Nach Ihrer Schilderung gehe ich davon aus, dass die PKV die kieferorthopädische Behandlung nach dem Kostenvoranschlag für medizinisch nicht erforderlich hält. Wäre die Behandlung tatsächlich nicht medizinisch erforderlich oder hätte die gewählte Behandlungsmethode keine ausreichenden Erfolgsaussichten, wäre sie nicht erkannt oder ständen die Kosten der Behandlung in einem erheblichen Missverhältnis zur Leistung, wäre die PKV nach den Versicherungsbedingungen berechtigt die Kostenübernahme entweder auf das Notwendige zu beschränken oder aber ggf. sogar ganz abzulehnen.
Insoweit ist die PKV also grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, die Kostenvoranschläge für Behandlungen zu prüfen und ggf. abzulehnen oder der geplanten Behandlung hinsichtlich der Kostenübernahme zu widersprechen. Bei einer Behandlung, die von der PKV zu Recht abgelehnt wurde oder die ohne die Zustimmung der PKV begonnen wird, besteht für den Versicherten grundsätzlich kein oder nur ein eingeschränkter Anspruch auf Kostenübernahme.
Aus diesem Grunde ist es der PKV erlaubt, einer von Ihnen geplanten Behandlung zu widersprechen, wenn diese für unnötig angesehen wird.
Eine andere Frage ist dagegen, ob der Widerspruch im konkreten Fall begründet ist, oder ob es sich entgegen der Auffassung der Krankenkasse doch um eine medizinisch notwendige und sinnvolle Behandlung handelt, für die eine Leistungspflicht der Versicherung besteht. Dies kann allerdings nur geklärt werden, wenn die tatsächlichen Ablehnungsgründe der Versicherung bekannt sind.
Sie sollten daher auf jeden Fall eine ausführliche schriftliche Begründung für die Ablehnung von der Krankenkasse anfordern. Erst danach kann Ihr Zahnarzt oder ein Kollege prüfen, ob die Ablehnung durch die Krankenkasse zu Recht erfolgt.
Daneben haben Sie die Möglichkeit, die Auffassung der Krankenkasse durch ärztliche Stellungnahmen, Zweitmeinungen oder durch ein medizinisches Gutachten prüfen und ggf. widerlegen zu lassen. Dabei gilt es jedoch zu bedenken, dass z. B. ein Sachverständigengutachten nicht unerhebliche Kosten auslöst, die Sie u. U. nicht von der PKV erstattet bekommen.
Lässt sich durch Zweitmeinungen oder ein Sachverständigengutachten zweifelsfrei und hinreichend belegen, dass die von Ihnen geplante Zahnbehandlung medizinisch notwendig ist und auch kostenmäßig nicht unverhältnismäßig ist, ist die PKV grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen Kosten für die Behandlung und die Heilmittel zu übernehmen. Würde ein Sachverständiger aber zu dem Ergebnis kommen, dass die Behandlung nur teilweise notwendig ist oder es gleichwertige günstigere Methoden gibt, müsste die PKV nur die notwendigen und geringen Behandlungskosten übernehmen.
Sollten in den Versicherungsbedingungen bzw. in Ihrem Tarif bestimmte kieferorthopädische Behandlungen gar nicht mitversichert sein, müsste die PKV die Behandlungskosten grundsätzlich nicht übernehmen, selbst wenn die Behandlung medizinisch notwendig wäre.
Nur wenn Sie eine Leistungspflicht der Krankenversicherung durch entsprechende Zweitmeinungen oder ein Sachverständigengutachten nachweisen können und auch kein sonstiger Leistungsausschluss aus dem Vertrag besteht, werden Sie Ihren Anspruch auf Kostenübernahme gegen die Versicherung erfolgreich durchsetzen können.
Zusammengefasst möchte ich Ihnen daher folgende Vorgehensweise vorschlagen:
1. Fordern Sie eine schriftliche Begründung für die Ablehnung bei der PKV an.
2. Lassen Sie die Argumente der Versicherung zunächst von Ihrem behandelnden Arzt und ggf. von einem weiteren Zahnarzt überprüfen.
3. Der Zahnarzt sollte eine weitere Stellungnahme anfertigen, in der die medizinische Notwendigkeit sowie die Verhältnismäüigkeit der gewählten Behandlungsmethode darlegt und nachweist. Ggf. sollte auch eine Zweitmeinung eines weiteren Zahnarztes eingeholt und eingereicht werden.
4. Sollte die PKV auch danach noch die Kostenübernahme ablehnen, sollte versucht werden, eine Begutachtung durch einen Sachverständigen der Versicherung zu vereinbaren. Bei dieser Begutachtung würde nicht nur der Heil- und Kostenplan geprüft sondern auch der konkrete Zustand Ihrer Zähne sowie die Notwendigkeit und Möglichkeiten einer Behandlung.
5. Ist eine solche Begutachtug durch die Versicherung nicht möglich oder wird die Leistung weiterhin abgelehnt, können Sie versuchen, diese Ablehnungen mit einem Sachverständigengutachten zu widerlegen. Ob dies gelingt, lässt sich naturgemäß im Vorfeld nicht vorhersagen. Das Kostenrisiko tragen insoweit Sie.
6. Nur wenn aufgrund des Sachverständigengutachtens eine Leistungspflicht der PKV nachgewiesen werden kann, macht es Sinn, die Kostenübernahme notfalls gerichtlich geltend zu machen. Hierzu sollten Sie sich vor der Einleitung gerichtlicher Schritte unbedingt anwaltlich beraten und vertreten lassen.
Wie Sie sehen, haben Sie zwar Möglichkeiten zu versuchen, die Auffassung der PKV zu widerlegen und damit evtl. die Versicherung zur Kostenübernahme zu "zwingen". Allerdings bedeutet dies regelmäßig relativ lange Verhandlungen mit der PKV, die durch die Einholung von ärztlichen Stellungnahmen und/oder Gutachten auch mehrere Monate dauern können. Solange werden Sie mit der Behandlung noch nicht beginnen können. Würde die Behandlung ohne Zustimmung der PKV begonnen, würde dies höchstwahrscheinlich nur zu weiteren Problemen bei der Kostenübernahme führen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort einen ersten Überblick verschaffen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Silke Jacobi
Rechtsanwältin
Sehr geehrte Frau Jacobi,
vielen Dank für die ausführliche Antwort! Ich bin entsprechend versichert bei der PKV, d.h. in meinen Vertragsbedingungen sind die Leistungen für kieferorthopädische Behandlungen und Zahnersatz zu 80 bzw. 90 % enthalten. ich bin seit 8 Jahren bei dieser PKV.
Ihre Antwort entmutigt mich schon ziemlich. Es wirkt als wenn die PKV willkürlich (mit Hilfe von beauftragten Externen) sich ihrer Leistungspflicht entziehen könnte. In letzter Zeit wurden mir auch andere Leistungen nicht bezahlt, die früher immer bezahlt wurden (Brille, Heilpraktiker Bioresonanzuntersuchung). Nun habe ich den Eindruck, es gäbe keine richtige Widerspruchsmöglichkeit für mich, es sei denn, ich bin bereit, Monate zu warten und ggf. vor Gericht zu ziehen. Meine Behandlung wurde durch viel Hin und Her im Vorfeld zu dieser Ablehnung bereits um 7 Monate verzögert. Ich finde es skandalös, was sich diese Versicherung herausnimmt. Bereits jetzt erwarte ich hinsichtlich der geplanten Implantate, die ich nach der orthopädischen Behandlung einsetzen lassen möchte, ebensolche Probleme. Der Zahnarzt sagte mir, es wäre inzwischen fast Usus, dass die Versicherungen den Ärzten preisgünstigere Alternativen dazu vorschlagen (TEilprotesen). Es ist mir nicht verständlich, wie dieses Vorgehen mit den Versicherungsbedingungen zusammenpasst. Ich versichere doch eine bestimmte Leistung. Wie kann sie dann einfach abgelehnt werden?
Ich werde nun überlegen wie ich weiter vorgehe.
Eine Rückfrage noch: Muss die PKV mir ein Gutachten/Stellungnahme eines vereidigten Sachverständigen zusenden? Oder reichen ein paar abgetippte Zeilen mit unverständlichem Inhalt auf dem Briefpapier der Versicherung? (Ohne Namen und Titel etc.)?
Vielen Dank!
xenia
Sehr geehrte Ratsuchende,
ich freue mich, wenn ich Ihnen weiterhelfen und etwas neuen Mut geben konnte. Auch ich mache im Rahmen meiner Tätigkeit leider immer wieder die Erfahrung, dass Versicherungen mit der Leistungsübernahme relativ zögerlich sind oder sich mit Entscheidungen viel Zeit lassen. Da hilft dann - wenn ein Leistungsanspruch besteht - nur eine gewisse Hartnäckigkeit, um die Leistungen doch noch zu erhalten.
Die Übersendung des vollständigen Gutachtens kann in der Regel nicht verlangt werden. Dies gilt vor allem dann, wenn dieses Gutachten nur zu internen Zwecken gefertigt wurde. Die Versicherungen berufen sich dabei fast immer darauf, dass es sich um ein Gutachten zur internen Verwendung handelt. Es ist nur selten möglich, dass Versicherungsgutachten vollständig in Kopie zu erhalten.
Trotzdem kann man aber eine ausführliche Begründung der Ablehnung unter Bezugnahme auf das Ergebnis des Gutachtens verlangen. Wenn nur das Gutachten zitiert wird, ohne dass für Sie daraus verständlich ist, weshalb die Leistung abgelehnt wird bzw. weshalb die Leistung "Unsinn" sein soll, können Sie also verlangen, dass die Versicherung ihre Ablehnung entsprechend erläutert. Die Ablehnung muss für Sie verständlich sein. Daher reicht es für die Ablehnung grundsätzlich nicht aus, wenn nur ein paar unverständliche Zeilen aus dem Gutachten zitiert werden. Spätestens auf Ihre Nachfrage muss die Versicherung erklären, was dieses Zitat für Ihren Fall bedeutet und worauf sich die Ablehnung im Übrigen stützt.
Der Name des Gutachters muss dagegen - gerade wenn es sich um Gutachten zur internen Verwendung handelt - grundsätzlich nicht mitgeteilt werden.
Ich wünsche Ihnen für das weitere Vorgehen viel Erfolg und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Silke Jacobi
Rechtsanwältin