Wesentliche Veränderung im Sinne d. §745 III BGB

| 5. Februar 2025 15:23 |
Preis: 50,00 € |

Mietrecht, Wohnungseigentum


Beantwortet von


10:52
Ich bin (neben 3 weiteren Personen) als Verwalter bestellt für eine Privatstraße, die als offizielle Straße eingetragen ist. Zur Straße gehört eine Treppenanlage von 2 x 25 Stufen. Die Eigentumsgemeinschaft wird gebildet durch 25 Anwohner, die jeweils unterschiedliche Bruch-Eigentumsanteile halten. Wir bilden also eine Bruchteilsgemeinschaft nach §741 ff. BGB und sind nicht durch das WEG geregelt.

An der Treppenanlage sind nun 4 Stufen abgesackt und müssen saniert werden. Augenscheinlich sind die restlichen Treppenstufen in Ordnung. Einige Eigentümer schlagen nun einen kompletten Neubau der Treppe vor und wir Verwalter haben eine Eigentümerversammlung einberufen. Dort werden unterschiedliche Angebot jeweils für die Sanierung/Reparatur der 4 Treppenstufen und alternativ für den gesamten Abriss und Neuanlage der Treppenanlage vorgestellt. Der erhoffte Mehrwert sind: weniger Arbeit bei der Unkrautbekämpfung und hoffentlich weniger Sanierungen in der Zukunft. Dieses wäre die zweite Sanierungsmaßnahme in ca. 30 Jahren. Die Kosten für den Neubau der gesamten Treppenanlage ist geschätzt ca. 5 bis 10 mal so hoch wie für die Sanierung bzw. Reparatur der betroffenen 4 Stufen.

Es ist unstrittig, dass die Sanierung/Reparatur durchgeführt werden muss und die Verwaltung ein Unternehmen beauftragen muss (Im Sinne des §744 II BGB).

Meine Frage geht in Richtung der Abstimmung:
Wäre der Neubau der Treppenanlage eine "wesentliche Veränderung" im Sinne des §745 III BGB und würde die Abstimmung für den Neubau der Treppe somit Einstimmigkeit benötigen? Bitte begründen Sie, so dass diese Begründung als juristische Stellungnahme gegenüber den Eigentümern verwendet werden kann.
5. Februar 2025 | 16:07

Antwort

von


(473)
Westerstr. 24
28857 Syke
Tel: 04242/5740585
Web: https://www.smart-advo.de
E-Mail: fea@smart-advo.de
Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

In Ihrer Situation handelt es sich um eine Bruchteilsgemeinschaft gemäß § 741 ff. BGB, und die Frage, ob der Neubau der Treppenanlage eine "wesentliche Veränderung" im Sinne des § 745 Abs. 3 BGB darstellt, ist entscheidend für die Abstimmungsmodalitäten.

Gemäß § 745 Abs. 3 BGB bedarf es für wesentliche Veränderungen des gemeinschaftlichen Gegenstands der Zustimmung aller Teilhaber, es sei denn, es liegt eine abweichende Vereinbarung vor. Eine wesentliche Veränderung ist in der Regel dann gegeben, wenn die Maßnahme den Charakter oder die Nutzung des gemeinschaftlichen Gegenstands erheblich verändert.

In Ihrem Fall ist die Treppenanlage Teil der Privatstraße, die von der Bruchteilsgemeinschaft verwaltet wird. Der geplante Neubau der gesamten Treppenanlage könnte als wesentliche Veränderung angesehen werden, da er über die bloße Instandsetzung oder Instandhaltung hinausgeht. Der Neubau würde nicht nur die defekten Stufen reparieren, sondern die gesamte Struktur der Treppe erneuern, was eine erhebliche Änderung des bestehenden Zustands darstellt.

Als wesentliche Änderung sind einschneidende Änderungen der äußeren Gestalt oder der wirtschaftlichen Zweckbestimmung einzustufen (BGHZ 101, 24 = NJW 1987, 3177; BGH NJW-RR 1995, 267; NJW 1983, 932; 1953, 1427), insbesondere unverhältnismäßig teure Maßnahmen (BGH NJW 1983, 932; 1953, 1427; Erman/Aderhold Rn. 8). In Ihrem Fall dürfte die Neuanlage der Treppe unverhältnismäßig teuer sein, da mit der Instandsetzung de einzelnen Stufen der Zweck (also die ordnungsgemäße Nutzung der Treppe) hergestellt ist.

Die Argumente für den Neubau, wie weniger Arbeit bei der Unkrautbekämpfung und hoffentlich weniger Sanierungen in der Zukunft, sprechen für eine langfristige Verbesserung und Modernisierung der Treppenanlage. Diese Aspekte könnten als eine wesentliche Veränderung interpretiert werden, da sie die Nutzung und den Unterhalt der Treppe grundlegend beeinflussen.

Da der Neubau der Treppenanlage eine wesentliche Veränderung darstellt, kann die Mehrheit die Neuanlage der Treppe nicht beschließen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Neubau der Treppenanlage als wesentliche Veränderung im Sinne des § 745 Abs. 3 BGB einzustufen ist und daher die Zustimmung aller Eigentümer benötigt. Diese Begründung kann als juristische Stellungnahme gegenüber den Eigentümern verwendet werden, um die Notwendigkeit der Einstimmigkeit für den Beschluss zu verdeutlichen.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Mohamed El-Zaatari

Rückfrage vom Fragesteller 17. Februar 2025 | 09:28

Sehr geehrter Herr El-Zaatari,
wir hatten nun die Eigentümerversammlung der Bruchteilsgemeinschaft (gemäß §741 ff BGB) mit allen Eigentümern anwesend oder vertreten. Folgende Sachverhalte wurden von mir in meiner initialen Anfrage verkehrt dargestellt:
1. Die Treppe hat insgesamt 24 Stufen, und nicht 50 wie von mir dargestellt.
2. Es müssen 12 der Treppenstufen saniert werden, und nicht 4 wie von mir dargestellt
3. Die Kosten der Sanierung von 12 Stufen betragen geschätzt ca. 4000-5000 EUR.
4. Die Kosten eines kompletten Neubaus der Treppe (= alle 24 Stufen) betragen gemäß
Angebot 1 = 7.318,14 EUR
Angebot 2 = 12.078,50 EUR
Angebot 1 wurde von allen Eigentumsanteilen angenommen.
Angebot 2 wurde von 80% der Anteile angenommen / 20% der Anteile abgelehnt.
Es wurde korrekt in der Eigentümerversammlung erwähnt:
1. Dass die verbleibenden Treppenstufen auch in den nächsten Jahren saniert werden müssen, und
2. dass die Teilsanierung von 50% der Treppenstufen teurer wäre als 50% der Kosten einer Neuanlage. Es stellt sich also die Frage nach der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit einer Teilsanierung.
Meine Frage hat sich nun wie folgt geändert bzw. ergänzt:
1. Handelt es sich bei dem Neubau der Treppe im Vergleich zur Teilsanierung von 50% der Stufen unter diesen Umständen immer noch um eine „Wesentliche Veränderung" im Sinne des § 745 Abs III BGB und erfordert die Einstimmigkeit der Anteilseigner?
2. Wenn es keine „Wesentliche Veränderung" wäre: Wie müsste die finale Entscheidung zwischen Angebot 1 oder 2 erfolgen, bzw. ist sie bereits durch die oben genannten Abstimmungsergebnisse je Angebot erfolgt (wenn ja: wie wäre das Ergbnis)?
Mit freundlichen Grüßen

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 17. Februar 2025 | 10:52

Vielen Dank für die Klarstellung der Sachverhalte. Ich beantworte Ihre Fragen unter Berücksichtigung der neuen Informationen wie folgt:



1. Wesentliche Veränderung im Sinne des § 745 Abs. 3 BGB:

Die Frage, ob der Neubau der Treppe im Vergleich zur Teilsanierung von 50% der Stufen eine "wesentliche Veränderung" darstellt, hängt von der Art und dem Umfang der Maßnahme ab. Eine wesentliche Veränderung liegt vor, wenn die Maßnahme den Charakter oder die Nutzung des gemeinschaftlichen Gegenstands erheblich verändert. In Ihrem Fall ist der Neubau der Treppe im Vergleich zur Teilsanierung wirtschaftlich sinnvoller, da die Teilsanierung teurer wäre als der Neubau. Zudem ist der Neubau nicht unverhältnismäßig teurer als die Teilsanierung, da die Kosten für den Neubau (7.318,14 EUR) nur geringfügig über den Sanierungskosten (4.000-5.000 EUR) liegen.

Unter diesen Umständen könnte argumentiert werden, dass der Neubau keine wesentliche Veränderung darstellt, da er im Wesentlichen der Instandhaltung dient und wirtschaftlich sinnvoller ist. Daher könnte die Maßnahme auch ohne Einstimmigkeit beschlossen werden, sofern keine erheblichen Änderungen in der Nutzung oder im Charakter der Treppe vorliegen.



2. Entscheidung zwischen Angebot 1 und 2:

Da der Neubau der Treppe möglicherweise keine wesentliche Veränderung darstellt, könnte die Entscheidung durch Mehrheitsbeschluss erfolgen. In Ihrer Eigentümerversammlung wurde Angebot 1 von allen Eigentumsanteilen angenommen, während Angebot 2 von 80% der Anteile angenommen und von 20% abgelehnt wurde.

Da Angebot 1 die Zustimmung aller Eigentümer erhalten hat, wäre es gemäß den Abstimmungsergebnissen das bevorzugte Angebot. Angebot 2 hat nicht die volle Zustimmung erhalten und wäre daher nicht die finale Entscheidung, sofern Einstimmigkeit erforderlich wäre. Da jedoch Angebot 1 die Zustimmung aller Eigentümer hat, ist es die rechtlich bindende Entscheidung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unter den gegebenen Umständen der Neubau der Treppe keine wesentliche Veränderung darstellt und Angebot 1 aufgrund der vollständigen Zustimmung aller Eigentümer als beschlossen gilt.

Mit freundlichen Grüßen

El-Zaatari
Rechtsanwalt

Bewertung des Fragestellers 5. Februar 2025 | 16:17

Hat Ihnen der Anwalt weitergeholfen?

Wie verständlich war der Anwalt?

Wie ausführlich war die Arbeit?

Wie freundlich war der Anwalt?

Empfehlen Sie diesen Anwalt weiter?

"Sehr klare Antwort mit Begründungen.... herzlichen Dank "
Mehr Bewertungen von Rechtsanwalt Mohamed El-Zaatari »
BEWERTUNG VOM FRAGESTELLER 5. Februar 2025
5/5.0

Sehr klare Antwort mit Begründungen.... herzlichen Dank


ANTWORT VON

(473)

Westerstr. 24
28857 Syke
Tel: 04242/5740585
Web: https://www.smart-advo.de
E-Mail: fea@smart-advo.de
RECHTSGEBIETE
Sozialrecht, Versicherungsrecht, Miet- und Pachtrecht, Arbeitsrecht, Strafrecht, Vertragsrecht, Ausländerrecht, Insolvenzrecht, Familienrecht