Versicherungsrecht -Darf die Versicherung von dem Streitwert die Mwst. abziehen?

21. März 2011 16:11 |
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Versicherungsrecht, Privatversicherungsrecht


Sehr geehrte Damen und Herren,
folgendes Problem stellt sich dar:
Es geht um einen Verkehrsunfall, ohne mein verschulden. Speziell um die Kosten, die die gegnerische Versicherung zu ersetzen hat. Laut Gutachten besteht für mein Wagen ein Wiederbeschaffungswert von 8200€ mit Mwst.! Das Fahrzeug ist bereits zum Restwert von 2409€ verkauft. Streitwert liegt also bei 5791€. Die gegnerische Versicherung behauptet, sie dürfe von diesem Streitwert die Mehrwertsteuer abziehen und nur den verbleibenden Betrag als Schadensersatz erstatten.

1. Darf die Versicherung von dem Streitwert die Mwst. abziehen.

2. Was darf ich aus dem Gutachten als Schadensersatz verlangen?

Vielen dank im Voraus
Sven Jähne
Sehr geehrter Ratsuchender,

vielen Dank für Ihre Anfrage!


Nachfolgend möchte ich gerne unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung sowie Ihres Einsatzes Ihre Frage wie folgt beantworten:

1. Die gegnerische Kfz-Versicherung schuldet Schadensersatz gemäß §§ 249ff BGB.

Danach ist der Zustand herzustellen, der ohne das Schadensereignis bestehen würde, sei es in Form der Übernahme von Reparaturkosten oder der Kosten für die Beschaffung einer gleichwertigen Sache.

Nach § 249 Abs. 2 BGB ist der Geschädigte dabei berechtigt, Geldersatz auch dann zu verlangen, wenn er diesen nicht für die Reparatur oder die Ersatzbeschaffung nutzen will. In der Verwendung des Schadensersatzes ist der Geschädigte also frei.

2. Was die Mehrwertsteuer (= Umsatzsteuer) betrifft, so schränkt § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB deren Ersatzfähigkeit ein.

Die Umsatzsteuer kann nur verlangt werden, wenn sie tatsächlich anfällt. Dies ist nur der Fall, wenn der Geschädigte eine Reparatur in Auftrag gibt oder einen Ersatzwagen vom Händler kauft, da dies einen umsatzsteuerpflichtigen Vorgang darstellt.

Ein Kauf von einer Privatperson dagegen würde die Umsatzsteuerpflicht nicht auslösen, so dass sie auch nicht ersetzt verlangt werden kann.

Bei einer fiktiven Abrechnung des Schadens rein auf Gutachtenbasis kann die Umsatzsteuer dagegen nicht ersetzt verlangt werden (BGH, Urteil vom 1. 3. 2005 - VI ZR 91/ 04).

3. Es besteht regelmäßig ein Nachforderungsrecht für die MwSt. gegenüber dem gegnerischen Versicherer, wenn zunächst nach Gutachten abgerechnet wird (Netto-Wiederbeschaffungskosten – Restwert) und dann ein Ersatzwagen beschafft wird (BGH, Urteil vom 20. 4. 2004 - VI ZR 109/ 03).

Zur Sicherheit kann der Versicherer darauf hingewiesen werden, dass Sie sich diese Nachforderung vorbehalten.

Sollte Ihnen aber ein Vergleichsangebot zur Abwicklung des Schadens unterbreitet werden, dann ist der Hinweis, dass die Nachforderung der MwSt. vorbehalten bleibt, dringend mit aufzunehmen. Denn ansonsten würde der Vergleichsabschluss dieses Recht ggf. abschneiden.

4. Der Versicherer ist – sofern ein gebrauchtes Ersatzfahrzeug angeschafft wird – nicht berechtigt, die für Gebrauchtfahrzeuge teilweise geltenden geringeren Umsatzsteuersätze von nur 2 % in Ansatz zu bringen (sog. Differenzbesteuerung nach § 25a UStG).

D.h. bei Ersatzbeschaffung stehen Ihnen die vollen 19 % MwSt. zu, nicht nur etwa 2 % ((BGH, Urteil vom 1. 3. 2005 - VI ZR 91/ 04).



Ich hoffe Ihnen eine erste rechtliche Orientierung ermöglicht zu haben und wünsche Ihnen viel Erfolg und alles Gute!



Ich möchte Sie gerne noch abschließend auf Folgendes hinweisen:

Die von mir erteilte rechtliche Auskunft basiert ausschließlich auf den von Ihnen zur Verfügung gestellten Sachverhaltsangaben. Bei meiner Antwort handelt es sich lediglich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes, die eine vollumfängliche Begutachtung des Sachverhalts nicht ersetzen kann.


Ich hoffe, dass Ihnen meine Ausführungen geholfen haben. Sie können natürlich gerne über die Nachfrageoption mit mir Verbindung aufnehmen, wenn noch Unklarheiten bestehen.



Mit freundlichen Grüßen

Ingo Driftmeyer
Rechtsanwalt
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