Terrassenüberdachung Reihenendhaus, Baden-Württemberg

| 21. Juni 2019 13:33 |
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Baurecht, Architektenrecht


Beantwortet von

Zusammenfassung

Ist es rechtlich zulässig, eine feste und geschlossene Terrassenüberdachung an der Grundstücksgrenze zu einem direkt angrenzenden Nachbarhaus in einem Reihenhaus zu errichten?

Eine Abstandsfläche muss nicht eingehalten werden. - Die Baumaßnahme ist verfahrensfrei, muss aber den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen. - Die Überdachung an der Grundstücksgrenze ist problematisch bezüglich des Brandschutzes. - Mit ausdrücklicher Zustimmung des Nachbarn ist das Bauvorhaben zulässig. Eine Nachbarbeteiligung ist bei verfahrensfreien Vorhaben nicht vorgesehen.

Sehr geehrte Juristin, sehr geehrter Jurist,

wir besitzen ein Reihenendhaus in Baden-Württemberg und würden gerne eine Terrassenüberdachung bauen lassen. Die Terrasse ist auf der einen Seite ca. 3m von der Grundstücksgrenze entfernt. Auf der anderen Seite grenzt sie direkt an die Terrasse des Nachbarn im Reihenmittelhaus. Unsere Fragen beziehen sich ausschließlich auf das direkt angrenzende Reihenmittelhaus.
Die Überdachung soll 5m breit und 3,50m tief sein, die Höhe am Haus ist ca. 2,60m und fällt bis auf 2,25m ab. Die Seite zum Reihenmittelhaus soll mit Alu-Panelen bis auf eine Höhe von ca. 2,20m verkleidet werden und das darüber liegende Dreieck einen Glaseinsatz bekommen. Somit wäre die Seite zum Reihenmittelhaus komplett geschlossen.
Darüber hinaus ist noch zu erwähnen, dass die Nachbarn im Reihenmittelhaus seit ca. 4 Jahren selbst eine Terrassenüberdachung ähnlichen Ausmaßes haben, allerdings mit offenen Seiten. Diese wurde ohne unsere Zustimmung errichtet. Als Abtrennung zwischen den Terrassen steht aktuell ein 1,80m hoher Doppelstabmattenzaun mit Sichtschutzstreifen, welcher allerdings auf der Nachbarterrasse montiert ist.

Zu unserem Vorhaben haben wir konkret 3 Fragen:

1. Dürfen wir die beschriebene Terrassenüberdachung verfahrensfrei bauen, da eine Grundfläche von 30 Quadratmetern nicht überschritten wird?

2. Müssen irgendwelche Abstandsflächen zu dem direkt angrenzenden Nachbarn im Mittelhaus eingehalten werden? Falls ja, gibt es hier Sonderregelungen, da es sich um Reihenhäuser handelt?

3. Ist die geschlossene Abtrennung (Alu-Panele und Glas) in Höhe von 2,60m abfallend bis auf 2,20m mit Zustimmung des Nachbarn an die Grenze baubar?

Von Seiten der Gemeinde bzw. des örtlichen Bebauungsplans gibt es keine Einschränkungen für unser Vorhaben.
Herzlichen Dank für Ihre Antwort!
21. Juni 2019 | 15:14

Antwort

von


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37085 Göttingen
Tel: 0551 70728-16
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E-Mail: verwaltungsrecht@rkm-goettingen.de
Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Wetterfest überdachte Terrassen bilden regelmäßig „fiktive Räume". Diese Überdachungen sind Gebäude i.S.d. Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO).

[b]Eine Abstandsfläche ist gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO nicht einzuhalten.[/b] Es gilt die 9 m-Grenze, § 6 Abs. 1 Satz 3 LBO (und insgesamt 15 m Grenzbebauung!).

Die Baumaßahme ist [b]verfahrensfrei[/b], vgl. Nr. 1 Buchst. l des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO. Sie muss aber ebenso wie genehmigungspflichtige Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen (§ 50 Abs. 5 Satz 1 LBO). Nach § 15 Abs. 1 LBO sind z.B. bauliche Anlagen so anzuordnen und zu errichten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Die Überdachung an der Grundstücksgrenze ist problematisch, da diese formal Brandwände erfordert und die Bedachung Flugfeuer verhindern muss. Gerade bei Reihenhäusern können gereihte brennbare Terrassenüberdachungen die zwischen den Gebäuden errichteten Trenn- oder Brandwände wirkungslos machen, da ein Brand dann über den Außenbereich der Terrassen von Haus zu Haus springt. Für brandschutztechnische Kompensationsmaßnahmen wäre eine Abweichung nach § 56 LBO zu beantragen. Eine unbedenkliche Alternative wäre dagegen eine ausfahrbare Markise anstelle einer festen Überdachung.

Was bauplanungsrechtliche Belange anbelangt, verstehe ich Ihre Ausführungen so, dass diese nach Ihren Erkundigungen kein Hindernis darstellen.

Das Bauvorhaben ist schließlich auch auf seine Vereinbarkeit mit dem privaten Nachbarrecht zu untersuchen. Hierzu verhält sich das Nachbarrechtsgesetz (NRG). Die Schaffung eines Raumes, der das vorhandene Wohngebäude erweitert, wird dabei hinsichtlich der Grenzwand nicht als Einfriedigung zu sehen sein, weil hier der Zweck der Abgrenzung hintansteht und der Raum mit dem Wohnhaus eine funktionale Einheit bildet.

Wenn der Nachbar ausdrücklich seine [b]Zustimmung zu dem Vorhaben[/b] erklärt, verliert er seine Abwehransprüche. Bei verfahrensfreien Bauvorhaben ist eine Nachbarbeteiligung von Amts wegen nicht vorgesehen.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben, und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Bewertung des Fragestellers 23. Juni 2019 | 10:57

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