Antwort
vonRechtsanwalt Cedric Hohnstock
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ich bedanke mich herzlich für Ihre erbrechtliche Anfrage, die mir vor wenigen Minuten zugewiesen wurde. Diese möchte ich nun sehr gerne anhand der von Ihnen gemachten Sachverhaltsangaben beantworten.
Ich verstehe die emotionale und rechtliche Komplexität Ihrer Situation und möchte Ihnen so umfassend und präzise wie möglich im Rahmen dieser juristischen Ersteinschätzung weiterhelfen. Der Tod eines Familienmitgliedes ist stets belastend, und die Sorge um die Zukunft Ihrer Mutter nach ihrem Schlaganfall fügt eine zusätzliche Schwere hinzu. Lassen Sie mich daher auf Ihre Fragestellungen im Detail eingehen.
[b]Erbverzicht und Erbausschlagung[/b]
Zunächst gilt es, die beiden Begriffe Erbverzicht und Erbausschlagung klar voneinander zu unterscheiden: Erbverzicht (§ 2346 BGB) ist ein vertraglicher Verzicht auf das zukünftige Erbe und kann nur zu Lebzeiten des Erblassers (hier: Ihr Vater) geregelt werden. Ein solcher Vertrag bedarf der notariellen Beurkundung. Die Erbausschlagung (§ 1942 ff. BGB) dagegen bezeichnet die Ablehnung einer bereits angefallenen Erbschaft. Die Frist zur Ausschlagung beträgt grundsätzlich sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, an dem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt (§ 1944 BGB).
In Ihrem Fall handelt es sich um die Erbausschlagung, da der Erbfall bereits eingetreten ist. Wenn Sie - oder Ihre Mutter - also eine Erbausschlagung vornehmen möchten, muss dies innerhalb der eben erwähnten sechswöchigen Frist erfolgen; anschließend wäre eine Erbausschlagung nicht mehr möglich.
[b]Rechtliche Konsequenzen der Erbausschlagung[/b]
Eine Erbausschlagung Ihrer Mutter würde in der Tat bewirken, dass die Erbschaftsrechte unmittelbar auf die nächsten gesetzlichen Erben übergehen, in diesem Fall auf Sie, sofern keine anderen Erben vorrangig oder neben Ihnen existieren. Dies wäre nicht als Schenkung anzusehen und wird daher von der Sozialhilfeträgerseite in der Regel auch nicht so bewertet.
Allerdings könnte der Sozialhilfeträger prüfen, ob die Erbausschlagung zum Zwecke der Hilfsbedürftigkeit erfolgt ist und gegebenenfalls eine Anfechtung der Ausschlagung oder eine spätere Kürzung der Sozialhilfe in Betracht ziehen. Die Sozialrechtsprechung ist hier durchaus streng und betrachtet den Einzelfall differenziert. Grundsätzlich kann aber auch eine sozialbedürftige Person (hier: Ihre Mutter) eine Erbschaft ausschlagen, ohne dass ein Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) vorliegt. Auch ein sozialhilfeberechtigter Erbe ist befugt, als Ausdruck der "negativen Erbfreiheit" die ihm zugefallene Erbschaft auszuschlagen. Diese Erklärung ist nur dann unwirksam, wenn positiv festzustellen ist, dass durch die Ausschlagung gegen übergeordnete Wertungen verstoßen wird. Der durch die Ausschlagung ermöglichte weitere Bezug öffentlicher Leistungen stellt einen solchen Verstoß grundsätzlich nicht dar, weil die Bedürftigkeit durch die Ausschlagung der Erbschaft befristet aufrecht erhalten wird (exemplarisch kann auf die folgenden Gerichtsurteile verwiesen werden: LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 15.05.2024 - Az. L 2 SO 2100/23; OLG Hamm, Urteil vom 09.11.2021 - 10 U 19/21; LG Neuruppin, Beschluss vom 28. Juni 2017 –5 T 21/17). Wenn allerdings die Ausschlagung in der klaren Absicht erklärt wird, die Voraussetzungen für die Gewährung der Sozialhilfe zu schaffen oder aufrechtzuerhalten, kann die Ausschlagung dennoch die Kürzung der staatlichen Leistungen zur Folge haben oder sogar doch eine Sittenwidrigkeit der Erbausschlagung bejaht werden.
Deshalb ist eine Erbausschlagung aus den von Ihnen genannten Gründen zwar grundsätzlich möglich - jedoch wird es am Ende auf die konkrete Argumentation und der dahinter stehenden, wirklichen Absicht des Handelns Ihrer Mutter ankommen. Sie beziehungsweise Ihre Mutter müssen also gegenüber den Sozialhilfeträgern nachvollziehbar erläutern können, dass die Erbausschlagung nicht lediglich zwecks Erhalts der Sozialhilfe erklärt wird - auch deshalb, da Sie ansonsten den Vorwurf eines sog. Sozialleistungsbetruges i.S.d. § 263 StGB riskieren. Sie benötigen also einen anderen Grund - dieser kann vielfältig ausgestaltet sein. Zum Beispiel könnte Ihre Mutter gegebenenfalls aufgrund des schweren Schlaganfalls gesundheitlich nicht in der Lage sein, sich um die komplexen Nachlassangelegenheiten zu kümmern - denn die Annahme eines Erbes bedeutet nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Wenn dies der primäre Grund der Erbausschlagung sein sollte, könnte eine rechtliche Argumentation für die Legitimität der Erbausschlagung gelingen. Auch könnten Sie sich vorab vom Krankenhaus oder dem Hausarzt Ihrer Mutter medizinisch bestätigen lassen, dass der mit der Erbauseinandersetzung verbundene Stress nicht für die Gesundheit Ihrer Mutter förderlich ist.
Wie Sie anhand meiner Ausführungen erkennen können, kommt es auf den tatsächlichen Grund der Erbausschlagung und der nachweisbaren Ausformulierung an.
[b]Praktische Umsetzung der Erbausschlagung[/b]
Angesichts der eingeschränkten Mobilität Ihrer Mutter bleibt die Frage, wie sie rechtzeitig und formgerecht auf das Erbe ausschlagen kann. Hier stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung:
Vertretung durch einen Bevollmächtigten: Ihre Mutter könnte eine Person ihres Vertrauens mit einer notariell beglaubigten Vollmacht ausstatten, die für sie die Erbausschlagung vornimmt. Beachten Sie hierbei, dass der Bevollmächtigte eine besondere Vollmacht für die Abgabe der Ausschlagungserklärung benötigt.
Erbausschlagung durch Fernkommunikation: In speziellen Fällen kann eine Ausschlagung auch durch schriftliche Erklärung erfolgen, welche von einem Notar beglaubigt und an das Nachlassgericht gesandt wird (§ 1945 Abs. 2 BGB).
Wie Sie erkennen können, ist für beide Wege ein Notar erforderlich. Sie beziehungsweise Ihre Mutter können einen Notar in Ihrer Nähe kontaktieren und mit diesem die einzelnen Möglichkeiten besprechen - im Zweifel besucht der Notar auch Ihre Mutter im Krankenhaus persönlich. Auch empfiehlt es sich, vorab Kontakt mit dem zuständigen Nachlassgericht aufzunehmen, um die individuellen Möglichkeiten und Anforderungen zu besprechen, sodass das Nachlassgericht direkt informiert ist.
[b]Kosten der Erbausschlagung[/b]
Die Kosten für die Erbausschlagung setzen sich aus den Gebühren für die notarielle Beglaubigung der Unterschrift sowie gegebenenfalls der Ausstellung einer Vollmacht zusammen. Eine ausdrückliche Gebührenordnung ist im Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) geregelt. Die genauen Kosten sind von mehreren Faktoren abhängig, wie beispielsweise dem Wert des Nachlasses und den spezifischen Gebührensätzen der Notare und Gerichte. Üblicherweise betragen die Kosten für die Beglaubigung einer einfachen Erklärung durch den Notar etwa 30-70 €, zuzüglich einer eventuellen Beratung.
[b]Zusammenfassung[/b]
Ihre Überlegungen bezüglich der Erbausschlagung erscheinen grundsätzlich nachvollziehbar und könnten - richtig umgesetzt - die Interessen Ihrer Mutter fördern. Sie sollten die Ausschlagung jedoch nicht ausschließlich mit der Absicht vornehmen, sich so den Anspruch auf Sozialhilfe zu erhalten - es sollte vielmehr ein klarer und nachvollziehbarer Grund der Erbausschlagung herausgearbeitet werden, der tatsächlich vorliegt und die Interessen Ihrer Mutter auf andere Weise fördert (zum Beispiel der Schonung der Gesundheit Ihrer Mutter).
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Ausführungen behilflich sein konnte. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Mutter alles Gute und einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Mit freundlichen Grüßen
Cedric Hohnstock
Rechtsanwalt
Vielen Dank für ihre ausführliche Erläuterungen.
Es ist nun klar, dass meine Mutter einen anderen Grund für die Erbausschlagung benötigt. Ich denke es ist nachvollziehbar, dass die Schonung der Gesundheit meiner Mutter als Grund angegeben werden kann. Es ist tatsächlich so, dass ich mich um alle Pflichten der Erben kümmere (Organisation der Beerdigung, Räumung der Wohnung, Kündigung der Verträge etc.), darum kann sich meine Mutter aus gesundheitlichen Gründen gar nicht kümmern.
Reicht dies als Begründung aus? Oder könnte man auch sagen, das ich als Sohn, diese Dinge ja für meine Mutter erledigen kann und sie dennoch ihren Teil erben kann. Die Überweisung der Geldsumme auf Ihr Konto, wenn alles von mir organisiert, stellt ja grundsätzlich keinen Stress für Sie dar?
Meine Eltern waren getrennt lebend und hatten oft kein gutes Verhältnis, wäre auch dies ein nachvollziehbarer Grund, dass meine Mutter angibt, aus persönlichen Gründen nichts von diesem erhalten möchte?
Und zuletzt:
Wenn ich es richtig verstanden habe, muss eine Begründung gegebeben werden können, falls später Sozialhilfe beantragt wird, und dementsprechend rückfragen kommen?
Oder muss jetzt bereits bei der Erbausschlagung ein entsprechender Grund genannt werden?
MfG
Sehr geehrte(r) Fragesteller(in,
vielen Dank für Ihre Rückfrage. Auch diese möchte ich sehr gerne beantworten.
[u][b]Plausibilität der Begründung für die Erbausschlagung[/b][/u]
[u]Gesundheitsgründe:[/u] Zunächst zur Frage, ob die Gesundheitsgründe als nachvollziehbare Begründung ausreichen. In der Tat kann die Nichtannahme der Erbschaft aus gesundheitlichen Gründen ein legitimes Motiv darstellen. Entscheidend ist hierbei eine glaubhafte und nachvollziehbare Begründung. Dass Ihre Mutter aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, die mit der Erbschaft verbundenen administrativen Aufgaben zu bewältigen, trägt zur Glaubwürdigkeit dieser Begründung erheblich bei. Insoweit ist zu überlegen, ob eine ärztliche Bescheinigung zur Bestätigung der gesundheitlichen Belastung Ihrer Mutter durch die Erbauseinandersetzung nicht bereits vorsorglich eingeholt werden sollte. Der Umstand, dass Sie Ihre Mutter unterstützen und für sie diverse Dinge erledigen "können", ändert hieran nichts. Denn auch wenn Sie Ihre Mutter unterstützen, bleiben im Falle der Erbannahme die gesetzlichen Pflichten Ihrer Mutter bestehen - und diese stellen trotz Ihrer Unterstützung eine erhebliche Belastung dar.
[u]Persönliche Gründe:[/u] Auch die zerrüttete Beziehung zu Ihrem verstorbenen Vater könnte als subjektiver Ablehnungsgrund angesehen werden. Ein emotional begründeter Wille kann durchaus eine Rolle spielen, vor allem wenn er glaubhaft gemacht werden kann. Dabei ist zu beachten, dass persönliche und emotionale Gründe ebenso wie gesundheitliche Motive sorgfältig dokumentiert und glaubhaft dargelegt werden sollten.
Die Kombination aus gesundheitlichen sowie weiteren persönlichen Gründen stellt eine gute Argumentationsweise dar.
[u][b]Erforderlichkeit und Zeitpunkt der Begründung[/b][/u]
Hinsichtlich der Frage, ob eine Begründung bereits bei der Erbausschlagung angegeben werden muss oder erst bei eventuellen späteren Rückfragen seitens der Sozialhilfeträger, kann ich Ihnen mitteilen, dass bei der Abgabe der Ausschlagungserklärung [u]keine[/u] Pflicht zur Angabe eines spezifischen Grundes besteht.
Eine Begründung wird erst dann relevant, wenn der Sozialhilfeträger im späteren Verlauf Fragen zur Intention der Erbausschlagung stellt, insbesondere bei einem Antrag auf Sozialhilfe oder Pflegekostenübernahme, um nachträgliche Anfechtungen oder die Annahme eines Sozialleistungsbetruges zu vermeiden. Damit Sie für diesen Fall vorbereitet sind, sollten aber vorsorglich schon im Vorfeld die entsprechenden Nachweise organisiert werden - dies dient lediglich Ihrer eigenen Rechtssicherheit.
[u][b]Überweisungen auf das Konto der Mutter[/b][/u]
Die Überweisung der Erbschaftssumme auf das Konto Ihrer Mutter ist insofern rechtlich problematisch, als dass dieses Vermögen bei künftigen Sozialhilfeanträgen berücksichtigt werden würde. Das Geld auf dem Konto Ihrer Mutter würde als Erbe vorrangig für die Pflege- und Lebenshaltungskosten Ihrer Mutter herangezogen, bevor staatliche Unterstützung in Anspruch genommen werden könnte. Wenn Ihre Mutter das Erbe ausschlägt, sollten keine Zahlungen auf das Konto der Mutter erfolgen - die Plausibilität der Zahlungen ist ansonsten nicht klar.
Ich hoffe, dass Ihnen diese Ausführungen Klarheit und Unterstützung spenden. Sollten noch weitere Fragen oder Unklarheiten bestehen, stehen ich Ihnen mit meiner Kanzlei gerne weiterhin zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen und besten Wünschen für Ihre Familie
Cedric Hohnstock
Rechtsanwalt