Sperrung von kompletter Straße für Abriss und Neubau eines privaten Wohnhauses

| 17. September 2020 12:49 |
Preis: 53,00 € |

Verwaltungsrecht


Beantwortet von


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Zusammenfassung

Wird die Benutzung von Zufahrten oder Zugängen zu Anliegergrundstücken erheblich erschwert, so hat der Träger der Straßenbaulast einen angemessenen Ersatz zu schaffen oder, soweit dies nicht zumutbar ist, eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten.

Wir wohnen in einer ca 300m langen Sackgasse in einem Wohngebiet einer Großstadt.
Etwa in der Mitte der Sackgasse soll ein altes Wohnhaus abgerissen und neu gebaut werden.
Hierzu soll laut Aussage der Baufirma in Kürze die komplette Straße für den Zeitraum der Arbeiten gesperrt werden. Somit wäre zu den restlichen Häusern keine Zufahrt mehr möglich, auch nicht für Post/ Paketdienste/ Pflegedienst/ Feuerwehr/ Lieferanten.

Solch eine Sperrung wäre ja ein Verwaltungsakt durch das jeweilige Straßenverkehrsamt.
Ist dies zulässig und wenn ja, für was für einen Zeitraum? Was muss toleriert werden? Ist ein Einspruch vorab bei der Stadt zielführend?
17. September 2020 | 13:48

Antwort

von


(1656)
Bertha-von-Suttner-Straße 9
37085 Göttingen
Tel: 0551 70728-16
Web: https://rkm-goettingen.de/gero-geisslreiter-verwaltungsrecht
E-Mail: verwaltungsrecht@rkm-goettingen.de
Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Als Anlieger haben Sie ein gesteigertes Recht an der Nutzung der Straße, wozu auch die Stichstraße gehört. Es handelt sich um den sogenannten [b]Anliegergebrauch[/b], der über den sogenannten Gemeingebrauch an der Straße hinausgeht. Dies hat der Träger der Straßenbaulast zu berücksichtigen, wenn er die Benutzung der Straße einschränkt.

Gesetzlich geregelt ist der Fall, dass der Anliegergebrauch zeitweise durch Straßenbauarbeiten eingeschränkt oder unmöglich gemacht wird. Ich nehme an, dass Sie mit einem Privatgrundstück und nicht mit einem Gewerbegrundstück Anlieger der Stichstraße sind. [b]§ 22 Abs. 1 des Hessischen Straßengesetzes (HStrG)[/b] trifft folgende Regelung:

[i]Werden auf Dauer Zufahrten oder Zugänge durch die Änderung oder die Einziehung von Straßen unterbrochen oder wird ihre [b]Benutzung erheblich erschwert[/b], so hat der Träger der Straßenbaulast einen [b]angemessenen Ersatz[/b] zu schaffen oder, soweit dies nicht zumutbar ist, eine [b]angemessene Entschädigung in Geld[/b] zu leisten. Kommt eine Einigung über die Entschädigung nicht zustande, so gilt § 36 Abs. 3 und 4. Mehrere Anliegergrundstücke können durch eine gemeinsame Zufahrt angeschlossen werden, deren Unterhaltung den Anliegern gemeinsam obliegt. Die Verpflichtung nach Satz 1 entsteht nicht, wenn die Grundstücke eine anderweitige ausreichende Verbindung zu dem öffentlichen Wegenetz besitzen und der Anlieger für die betroffene Straße nicht zu Erschließungskosten herangezogen worden ist oder wenn die Zufahrten auf einer widerruflichen Erlaubnis beruhen.[/i]

Träger der Straßenbaulast ist Ihre Gemeinde, die „Großstadt". Durch die Bauarbeiten auf einem anderen privaten Grundstück und die dadurch bedingte Inanspruchnahme der Straße wird offensichtlich die Benutzung ihres Grundstückes erheblich erschwert. In erster Linie ist die Gemeinde dann verpflichtet, einen angemessenen Ersatz zu schaffen. Andernfalls ist eine „angemessene Entschädigung in Geld" zu zahlen.

Die Straßensperrung muss jedoch auch erforderlich sein. Das ist der Fall, wenn die Bauarbeiten an dem anliegenden Grundstück sonst nicht oder nur unter erheblich erschwerten Bedingungen durchgeführt werden könnten. Der Zeitraum der Sperrung ist außerdem so gering wie möglich zu halten. Dies sind die Grundvoraussetzungen für die Einschränkung des Anliegergebrauchs. Hierzu und zu der Frage, ob und welche Lösungen es für Post, Rettungsdienst, Lieferverkehr etc. gibt, muss die Gemeinde Ihnen Auskunft geben. Die Gemeinde ist verpflichtet, alle für und gegen eine vorübergehende Sperrung sprechenden Gesichtspunkte im Rahmen der [b]pflichtgemäßen Ermessensausübung[/b] zu berücksichtigen.

Straßenverkehrstechnisch wird die Sperrung umgesetzt durch die von Gemeinde als Straßenverkehrsbehörde angeordnete entsprechende Beschilderung. Ein Vorgehen gegen die Aufstellung eines entsprechenden Verkehrszeichens allein hätte jedoch keine Aussicht auf Erfolg, weil die Straße ja tatsächlich nicht mehr befahrbar ist. Es ist daher rechtlich früher einzusetzen, nämlich beim straßenrechtlichen Status der Straße (s.O.).

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben, und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Bewertung des Fragestellers 5. September 2022 | 21:53

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