17. September 2020
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13:48
Antwort
vonNotar und Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
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Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Als Anlieger haben Sie ein gesteigertes Recht an der Nutzung der Straße, wozu auch die Stichstraße gehört. Es handelt sich um den sogenannten [b]Anliegergebrauch[/b], der über den sogenannten Gemeingebrauch an der Straße hinausgeht. Dies hat der Träger der Straßenbaulast zu berücksichtigen, wenn er die Benutzung der Straße einschränkt.
Gesetzlich geregelt ist der Fall, dass der Anliegergebrauch zeitweise durch Straßenbauarbeiten eingeschränkt oder unmöglich gemacht wird. Ich nehme an, dass Sie mit einem Privatgrundstück und nicht mit einem Gewerbegrundstück Anlieger der Stichstraße sind. [b]§ 22 Abs. 1 des Hessischen Straßengesetzes (HStrG)[/b] trifft folgende Regelung:
[i]Werden auf Dauer Zufahrten oder Zugänge durch die Änderung oder die Einziehung von Straßen unterbrochen oder wird ihre [b]Benutzung erheblich erschwert[/b], so hat der Träger der Straßenbaulast einen [b]angemessenen Ersatz[/b] zu schaffen oder, soweit dies nicht zumutbar ist, eine [b]angemessene Entschädigung in Geld[/b] zu leisten. Kommt eine Einigung über die Entschädigung nicht zustande, so gilt § 36 Abs. 3 und 4. Mehrere Anliegergrundstücke können durch eine gemeinsame Zufahrt angeschlossen werden, deren Unterhaltung den Anliegern gemeinsam obliegt. Die Verpflichtung nach Satz 1 entsteht nicht, wenn die Grundstücke eine anderweitige ausreichende Verbindung zu dem öffentlichen Wegenetz besitzen und der Anlieger für die betroffene Straße nicht zu Erschließungskosten herangezogen worden ist oder wenn die Zufahrten auf einer widerruflichen Erlaubnis beruhen.[/i]
Träger der Straßenbaulast ist Ihre Gemeinde, die „Großstadt". Durch die Bauarbeiten auf einem anderen privaten Grundstück und die dadurch bedingte Inanspruchnahme der Straße wird offensichtlich die Benutzung ihres Grundstückes erheblich erschwert. In erster Linie ist die Gemeinde dann verpflichtet, einen angemessenen Ersatz zu schaffen. Andernfalls ist eine „angemessene Entschädigung in Geld" zu zahlen.
Die Straßensperrung muss jedoch auch erforderlich sein. Das ist der Fall, wenn die Bauarbeiten an dem anliegenden Grundstück sonst nicht oder nur unter erheblich erschwerten Bedingungen durchgeführt werden könnten. Der Zeitraum der Sperrung ist außerdem so gering wie möglich zu halten. Dies sind die Grundvoraussetzungen für die Einschränkung des Anliegergebrauchs. Hierzu und zu der Frage, ob und welche Lösungen es für Post, Rettungsdienst, Lieferverkehr etc. gibt, muss die Gemeinde Ihnen Auskunft geben. Die Gemeinde ist verpflichtet, alle für und gegen eine vorübergehende Sperrung sprechenden Gesichtspunkte im Rahmen der [b]pflichtgemäßen Ermessensausübung[/b] zu berücksichtigen.
Straßenverkehrstechnisch wird die Sperrung umgesetzt durch die von Gemeinde als Straßenverkehrsbehörde angeordnete entsprechende Beschilderung. Ein Vorgehen gegen die Aufstellung eines entsprechenden Verkehrszeichens allein hätte jedoch keine Aussicht auf Erfolg, weil die Straße ja tatsächlich nicht mehr befahrbar ist. Es ist daher rechtlich früher einzusetzen, nämlich beim straßenrechtlichen Status der Straße (s.O.).
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben, und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
Fachanwalt für Verwaltungsrecht