Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Unter Berücksichtigung des von Ihnen geschilderten Sachverhalts und Ihres Einsatzes möchte ich Ihre Frage nunmehr wie folgt beantworten:
Zunächst gelten nach dem sog. Territorialitäts-prinzip des § 3 SGB IV die Vorschriften über die Sozialversicherungspflicht und -berechtigung nur für Sachverhalte in der BRD oder für Personen, die sich in diesem Gebiet ständig aufhalten oder in ihm wohnen. Dies bedeutet, dass Sie der deutschen Versicherungspflicht unterliegen, wenn Sie entweder in Deutschland selbständig tätig sind oder Ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Unter Wohnsitz wird der gewillkürte Lebens-mittelpunkt verstanden. Dieser setzt nach § 30 Abs. 3 S. 1 SGB I das Vorhandensein einer Wohnung voraus, die zur dauernden Benutzung angelegt ist. Da Sie eine Wohnung in Deutschland haben, erfüllen Sie diese Voraussetzung.
Nach § 4 Abs. 1 und 2 SGB IV gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit voraussetzen, auch für Personen, die für einige Zeit in einem anderen Land tätig sind (sog. Ausstrahlung). Jedoch gilt dies nur, wenn die Tätigkeit infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.
Die zeitliche Begrenzung wird aber großzügig gesehen. So wird selbst bei mehrjährigen, eventuell sogar bei langjährigen Auslands-tätigkeiten der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen weiterhin in Deutschland gesehen, so dass der deutsche Sozialversicherungsschutz fortbesteht. Erforderlich wäre bei Ihnen aber jedenfalls, dass sie Aufträge irgendwie zeitlich oder aufgrund des Aufgabengebiets begrenzt ist. Hiervon ist wohl aber auszugehen, da Sie als Freiberufler immer wieder neue Aufträge bekommen werden.
Am besten wäre es natürlich, wenn Sie auch in Deutschland Auftraggeber hätten. Wenn dies aber nicht so ist, genügt es, dass die selbständige Tätigkeit in Polen immer nur begrenzt ist.
Ansonsten könnten Sie auch erklären, dass Sie Ihren Wohnsitz nach wie vor in Deutschland haben und der Mittelpunkt Ihrer selbständigen Tätigkeit in Deutschland ist. Da Sie die Aufträge für Ihren polnischen Arbeitgeber auch in Deutschland erledigen können, also wohl nicht immer vor Ort sein müssen, könnte dies auch tatsächlich so sein. Sie könnten also z. B. immer nur ein paar Tage in Polen vor Ort sein.
Sie müssen aber aufpassen. Sie schreiben, dass Sie nicht in die deutsche Rentenversicherung einzahlen wollen. Nach § 2 Nr. 9 SGB VI sind selbständig tätige Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, versicherungspflichtig in der deutschen Rentenversicherung. Da Sie offenbar ganz überwiegend nur für den einen polnischen Auftraggeber tätig sind, sind Sie eigentlich rentenversicherungspflichtig. Auch daher wäre es hilfreich, wenn Sie noch andere Auftraggeber hätten. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass die Rentenversicherung die Versicherungsbeiträge auch für die Vergangenheit nachfordert.
Zusammenfassend würde ich Ihnen raten, Ihren Wohnsitz in Deutschland anzugeben und entweder zu erklären, dass Sie überwiegend in Deutschland tätig sind oder die zeitliche oder vertragliche Begrenzung der Tätigkeit in Polen anzugeben.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen die nicht ganz einfache Rechtslage einigermaßen verständlich erklären. Sollte Ihnen noch etwas unklar sein, dürfen Sie gerne die Nachfragemöglichkeit nutzen. Wenn Sie zufrieden sind, würde ich mich über eine positive Bewertung freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Yvonne Bellmann
Rechtsanwältin
Vielen Dank für die interessante Antwort!
In dem Zusammenhang wäre meine Nachfrage, wie folgt: Nehmen wir an, dass mehrere Auftraggeber habe (einen in D und einen in PL) und dass ich 25% meiner Einnahmen mit dem dt. AG erwirtschafte und 75% mit dem polnischen AG verdiene. Ich erbringe die Leistung für den dt. AG zu 100% in Dtl. (1 Tag pro Woche). Die Leistung für den poln. AG erbringe ich zu 1 Tag in Dtl. und zu 3 Tagen der Woche in Polen. Wäre ich dann in Dtl. SozVers-pflichtig?
Um die Frage noch klarer zu formulieren: Können Sie mir erläutern, wie ich meine Einnahmequellen und Arbeitszeiten verteilen soll, um der dt. SozVerspflicht zu entgehen aber trotzdem unter die dt. SozVers-Gesetze zu fallen (um eben nicht in Polen SozVerspflichtig zu werden)?
Mit besten Grüßen!
Sehr geehrter Fragesteller,
der deutschen Sozial- bzw. Rentenversicherungspflicht können Sie an sich nur entgehen, wenn Sie auf Dauer und im Wesentlichen nicht nur für einen Auftraggeber tätig sind, § 2 Nr. 9 SGB VI. Auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist, wer mindestens 5/6 seines Arbeitseinkommens von einem Auftraggeber erhält. Da Sie nach Ihren Angaben über 90% Ihres Einkommens von dem einen Arbeitgeber in Polen beziehen, sind Sie an sich rentenversicherungspflichtig in der deutschen Rentenversicherung. Dies bedeutet, dass Sie ca. 20% Ihres Einkommens von einem oder mehreren anderen Auftraggebern erhalten sollten. Es wäre demnach ausreichend, wenn Sie 25% Ihrer Einnahmen mit einem deutschen Arbeitgeber erwirtschaften und 75% mit dem polnischen.
Um weiter der deutschen Sozialversicherung zu unterliegen, müssten die Aufträge für den polnischen Auftraggeber von vornherein entweder zeitlich oder vertraglich, z.B. auf einen bestimmten Auftrag, begrenzt sein. Hierfür ist es natürlich ein starkes Indiz, wenn Sie weiterhin einen Wohnsitz in Deutschland und weitere deutsche Auftraggeber haben. Auf den genauen Umfang der Tätigkeit in Deutschland kommt es dann eigentlich nicht mehr an. Entscheidend ist vielmehr, dass Sie in absehbarer Zeit nach Deutschland zurückkehren oder Ihren Lebensmittelpunkt ohnehin weiter in Deutschland haben. Hilfreich wäre es auch, wenn Sie die Rechnungen unter Ihrer deutschen Adresse stellen.
Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Yvonne Bellmann
Rechtsanwältin