Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
I.
Zu prüfen ist, ob eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG vorliegt, sprich eine Umgestaltung bzw. Veränderung des Erscheinungsbildes des Gemeinschaftseigentums auf Dauer.
Bspw. liegt eine solche Veränderung vor, wenn eine Sichtschutzmatte aus Kunststoff hinter einem Maschendrahtzaun zwischen zwei Sondernutzungsflächen eines Gartens angebracht wird (vgl. BayObLG v. 20.04.2000 - 2Z BR 9/00) oder eine 1,90 m hohe Sichtschutzwand an der Grenze zweier in Sondernutzung befindlicher Gartenflächen (vgl. OLG Köln v. 13.02.1998 - 16 Wx 3/98). Bei einer Erhöhung des Zaunes um einen Meter auf zwei Meter dürfte wohl von einer zustimmungspflichtigen Veränderung des Erscheinungsbildes auszugehen sein.
II.
Zu prüfen ist, ob § 22 Abs. 1 WEG durch eine Vereinbarung bzw. Teilungserklärung abbedungen ist. Dies kann ich ohne Einsichtnahme in die relevanten Unterlagen nicht sagen.
III.
Abzugrenzen ist gegenüber der Abstimmung nach § 21 Abs. 3 und 4 WEG im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung. Anhand des unter I. gesagten gehe ich davon aus, dass die Verlängerung und Erhöhung eines Zaunes nur zum Schutz des Weglaufens und optischer Beeinträchtigungen (Mülltonnen der Nachbarn) eher nicht im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung zu behandeln sind.
Da daher ein bestandskräftiger Mehrheitsbeschluss (einstimmig) nicht vorliegt, ist gemäß § 22 Abs. 1 WEG zu prüfen, ob Sie durch die Maßnahme in Ihren Rechten über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden.
Entscheidend ist hierbei, ob Ihnen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Fehlt es bereits an einem Nachteil für einen Wohnungseigentümer, so kommt eine Beeinträchtigung von vornherein nicht in Betracht, seine Zustimmung zur baulichen Veränderung ist nicht erforderlich. Nachteil ist dabei jede nicht ganz unerhebliche, konkrete und objektiv feststellbare Beeinträchtigung. Es ist auf eine objektivierte Betrachtungsweise abzustellen, so dass es darauf ankommt, ob sich ein Wohnungseigentümer nach der Verkehrsanschauung in der betreffenden Situation verständlicherweise beeinträchtigt fühlen würde. Wegen dieses objektivierten Maßstabs werden rein subjektive und möglicherweise übertriebene Befindlichkeiten und Ängste nicht als beachtenswerter Nachteil berücksichtigt (vgl. Reichel-Scherer in: jurisPK-BGB, 5. Aufl. 2010, § 22 WEG, Rn. 48, 49).
Hier wäre demnach genauer zu prüfen, inwieweit Sie durch die Erhöhung und Verlängerung des Zaunes benachteiligt sind. Das Bild des Gemeinschaftseigentums müsste in ästhetischer Hinsicht tatsächlich verschlechtert oder verunstaltet sein (vgl. OLG Karlsruhe v. 07.01.2008 - 14 Wx 5/07). Dies kann ich natürlich aus der Ferne nicht beurteilen.
IV.
Sollte es sich daher um eine solche nachteilige Veränderung handeln, dann würde Ihnen u.a. ein Anspruch auf Beseitigung und Wiederherstellung des Ursprungszustandes zustehen.
Es hängt daher zwingend davon ab, wieweit Sie tatsächlich in Ihren Rechten beeinträchtigt sind. Ich habe ehrlicherweise gewisse Zweifel, ob die Erhöhung des Zaunes diese Nachteile rechtfertigt. Allein ein subjektives Nicht-Gefallen reicht hier leider nicht aus; ohne Unterstützung zumindest einiger Miteigentümer dürfte ein Vorgehen gegen den Zaun wohl kaum aussichtsreich sein.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Otterbach, Rechtsanwalt
Sehr geehrter Herr Otterbach, danke für Ihre Antwort.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist es so, dass Einstimmigkeit gefordert war, sofern der Zaun eine erhebliche bauliche Veränderung darstellt und nicht auf Grund einer ordnungsgemäßen Verwaltung lediglich eine Mehrheit benötigte.
Nun ist er aber bereits gebaut und ich habe nur dann eine Chance, ihn entfernen zu lassen, sofern für mich ein Nachteil über das unvermeidbare Maß hinaus erwächst. Geld, das ich zahlen musste und Optik mal nur erwähnt, so gibt es m.E. einen viel erheblicheren Grund und ich bitte Sie, diesen in Ihre Beurteilung einzubeziehen.
Der Zaun verhindert jegliche Einsichtnahme auf das Grundstück, da er vom Boden aus 2 m hoch komplett mit Sichtschutzstreifen durchzogen ist.
So grün, wie Sie es vielleicht schon mal auf Tennisplätzen gesehen haben.
Bereits 1 Monat später wurde über den Balkon der Nachbarin ein Wohnungseinbruch verübt. (5 m neben mir) Der Zaun verhindert jedwede Kriminalprävention. Ich wohne ebenfalls im Parterre und fürchte seither ebenfalls einen möglichen Einbruch, zumal die informelle Kontrolle und Einsicht durch die Nachbarn nicht mehr möglich ist.
Danke für Ihre Antwort. Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Fragesteller,
gerne beantworte ich Ihre Nachfrage im angemessenen Rahmen wie folgt:
I.
Die rechtliche Problematik haben Sie richtig verstanden. Es kommt also nun auch unter dem zusätzlich genannten Punkt darauf an, ob ein Nachteil für Sie vorliegt. Die Schwelle, ob ein Nachteil zu bejahen ist, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 14 GG) jedenfalls niedrig anzusetzen (vgl. BVerfG, Urteil vom 22.12.2004, Az. 1 BvR 1806/04).
II.
Jedoch werden des bereits erwähnten objektivierten Maßstabs rein subjektive und möglicherweise übertriebene Befindlichkeiten und Ängste nicht als beachtenswerter Nachteil berücksichtigt. So genügt z.B. die Sorge, der Einbau eines Dachfensters werde zu Undichtigkeiten führen, nicht aus, die Maßnahme zu untersagen, wenn bei fachgerechter Arbeit dieses Risiko praktisch ausgeschlossen ist (vgl. KG Berlin, Urteil vom 13.04.1992, Az. 24 W 2935/91). Ebenso liegt kein Nachteil vor bei Angst vor einer Gasexplosion, die theoretisch bei Umstellung auf eine Gasheizung möglich ist, ohne dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr vorlägen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 25.08.1992, Az. 20 W 230/91).
Führt die bauliche Veränderung aber zu sonstigen erhöhten Gefährdungen für die Wohnungseigentümer, ist ein Nachteil aller Wohnungseigentümer zu bejahen. Gefährdungen können sich etwa ergeben aus der Entfernung von Sicherheitseinrichtungen (z.B. einer Brandschutztür).
III.
Unter diesen und den bereits genannten Voraussetzungen ist der Punkt „Kriminalität" zu prüfen. Konkret liegt Ihrerseits eine – begründete – Angst vor Einbrüchen vor. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein höherer Zaun ebenso gut vor Einbrechern schützt, da er eine höhere Hürde darstellt. Sicherlich ist Ihr Argument auch nicht zu verachten, denn ein einmal eingedrungener Einbrecher kann dann ungestörter handeln.
Zu berücksichtigen ist jedoch weiter, dass es sicherlich eine Vielzahl von Häusern und Wohneinheiten gibt, die durch hohe Zäune geschützt sind und bei denen noch nie eingebrochen wurde, ebenso wie es eine Vielzahl von Gebäuden gibt, in die ohne irgendwelche Schutzvorrichtungen eingebrochen wurde. Insofern kann es sich auch nur um einen Einzelfall handeln, dass gerade bei Ihnen eingebrochen wurde.
Wir Sie sehen, liegen für beide Seiten beachtenswerte Argumente vor. Von meinem Rechtsgefühl her würde ich eher dazu tendieren, eine nur subjektive Angst anzunehmen. Im Zweifel müsste noch tiefer in die Rechtsprechung eingedrungen und mit den verfassungsrechtlichen Punkten argumentiert werden. Dies sprengt aber dann den Umfang dieser Erstberatung und wirft gleichfalls die Frage auf, ob der Kosten – Nutzen Aufwand noch gerechtfertigt ist.
Ich hoffe, dass ich Ihnen dennoch abschließend eine gewisse Einschätzung der Lage geben konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Otterbach
Rechtsanwalt