sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Auf Grundlage Ihrer Angaben möchte ich Ihr Anliegen gerne wie folgt beantworten:
Sie sprechen ein Problem an, dass die Rechtsprechung in den letzten Jahren sehr beschäftigte, aber in der Grundlinie zwischenzeitlich zuungunsten der Anrainer und potentiellen Gefährdeten von Mobilfunk-Sendeanlagen geklärt wurde – immissionsschutzrechtlich (siehe 1), aber wohl auch baurechtlich (siehe 2).
1.
Es ist zunächst in der Tat schon zweifelhaft, ob Sie Nachbar im Sinne der Landesbauordnung, hier § 72 LBO-Niedersachsen sind. Aber materiell-rechtlich, hier unter dem Gesichtspunkt des BImmSchG und der hierzu ergangenen Verordnungen, gilt mit der auszugsweise zitieren Rechtsprechung:
(BayObLG, Beschluss vom 13.11.2003- Aktenzeichen 2Z BR 115/03)
»Es ist nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft
aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn ein Antrag
auf Beseitigung einer Mobilfunkantenne zurückgewiesen
wird, wenn bei einem Umgebungswert von 1,33 % des nach
der 26. BImSchV zulässigen Grenzwerts die Räume eines
Wohnungseigentümers mit maximalen Werten zwischen 0,96 %
und 8,63 % des zulässigen Grenzwerts belastet werden
(Folgeentscheidung zu BayObLGZ 2002, 82).«
Dies betraf einen Sachverhalt mit deutlich grösserer räumlicher Nähe als von Ihnen mitgeteilt. Siehe des weiteren eine schon ältere, aber immer wieder bestätigte Entscheidung des VGH Hessen aus dem Jahre 1994 mit dem Leitsatz:
„4. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand sind schädliche Umwelteinwirkungen durch den Betrieb des Mobilfunks nicht festzustellen und nicht auszuschließen. Angesichts verschiedener, teilweise angezweifelter biologischer Phänomene wird im Verfahren eines Nachbarn zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes die Entscheidung in der Hauptsache als offen angesehen.“
und der zentralen Begründung:
“Da derzeit eine sichere Aussage über die Gefährlichkeit elektromagnetischer Strahlen, die beim Betrieb des Mobilfunkes auf den menschlichen Organismus ausgehen, nicht getroffen werden kann, aber ein nach dem Kenntnisstand des Senats auch unter Vorsorgegesichtspunkten in Erwägung zu ziehender Abstand der Funkübertragungsstelle zum Grundstück der Antragsteller eingehalten und sogar deutlich überschritten wird, gibt es auch bei einer Abwägung der Interessen der Beteiligten keine Bedenken dagegen, den Antragstellern den Betrieb der Funkübertragungsstelle bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens zuzumuten.“
Rechtlich haben Sie also unter immissionsrechtlichen Aspekten eher schlechte Karten. Ab und zu gab es zwar Entscheidung von Amtsgerichten, welche von der Presse und potentiell Gefährdeten „abgefeiert“ – aber genauso schnell von den Landgerichten resp. den Verwaltungsgerichtshöfen aufgehoben wurden.
2.
Nicht auf den ersten Blick so skeptisch bin ich baurechtlichen Aspekten. Die etwas unsichere Situation als Nachbar in derartigen Fällen hatte ich bereits eingangs beschrieben. Nur ist es sicherlich nicht so, dass, wie Sie schrieben „die übergeordnete Regionsbehörde“ dies entscheidet. Diese ist nur für Ihren evt. Widerspruch als Nachbar Widerspruchsbehörde resp. sie hat gewisse Weisungsbefugnisse gegenüber der örtlichen Bauaufsichtsbehörde. Nachbar dürften Sie –unter dem Vorbehalt einer Prüfung „aus der Ferne“- hier sein, schon wegen der von Ihnen beschriebenen räumlichen Nähe. Deswegen stehen Ihnen m.E. die Rechte des Nachbarn aus § 72 LBONiedersachsen zu. Sie sind als solcher im Baugenehmigungsverfahren zu beteiligen, haben also auch ua. das Recht auf Nachbarwiderspruch und nachfolgende verwaltungsgerichtliche Überprüfung. Materiell-rechtlich kann ich Ihnen jedoch keine grossen Hoffnungen machen, erfolgsträchtig scheint mir bei einer ohne Ortskenntnis nur kursorisch möglichen Prüfung der Aspekt des Landschaftsschutzes („bäuerliche Anmutung“), eher ggfsl. noch der Wertminderung des Grundstücks für Sie als Eigentümer und Vermieter.
Ich hoffe Ihnen mit dieser Antwort zunächst einmal weitergeholfen zu haben, auch wenn das Ergebnis eher enttäuschend ist. Für Rückfragen stehe ich Ihnen im Rahmen der kostenlosen Nachfragefunktion von „Frag einen Anwalt“ selbstverständlich zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas Schimpf
- Rechtsanwalt -
Tel.: +49 (0)39 483 97825
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E-Mail: ra.schimpf@gmx.de
Guten Tag, Herr Dr. Schimpf,
herzlichen Dank für die schnelle und umfassende Auskunft am Sonntagmorgen!
Meine Nachfrage: Wie, wann und bei wem kann ich den Wertverlust meiner Immobilie geltend machen, wenn ich a) als Nachbar anerkannt werde bzw. b) nicht anerkannt werde?
Vielen Dank in Voraus!
Viele Grüße
Guten Tag, Frau M.,
das ist eine recht komplexe Nachfrage. Je nach Verfahrenskonstellation gilt: Manchmal, aber nicht eben häufig, lässt sich der Mobilfunkbetreiber im laufenden Genehmigungsverfahren auf freiwillige Ausgleichsansprüche ggü. dem Nachbarn ein. Im Falle einer rechtswidrigen Baugenehmigung wäre weiterhin an Ansprüche aus Amtshaftung zu denken. Daneben existieren noch –ungeschriebene- Anspruchsgrundlagen aus enteignungsgleichem Eingriff oder Aufopferung. Viel Hoffnung kann ich Ihnen auf Grundlage der zivil- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung aber nicht machen.
Mit freundlichen Grüssen
RA Schimpf