Kostenübernahme im Krankheitsfall § 23 Abs. 1 AufenthG.

| 9. Januar 2023 16:47 |
Preis: 50,00 € |

Ausländerrecht


Beantwortet von

Sehr geehrte Damen und Herren,

meine Mutter, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG.
Sie hat seit 3 Monaten Rückenschmerzen, konnte aber keinen Termin bei einem Arzt bekommen. Sie besucht gerade den Heimatland und wurde dort untersucht und der Arzt sagte ihr, dass sie unbedingt operiert werden müsse und eine Operation im Heimat nicht möglich sei.

Sie bekommt keine Unterstützung von der Stadt und hat keinen Anspruch auf eine gesetzliche Krankenversicherung. Die Verpflichtungserklärung habe ich für Sie beantragt.


Sie kam über das Landesaufnahmeprogramm des Landes Brandenburg nach Deutschland. Laut Gesetz (Allgemeine Weisung Nr. 05/2021 im Aufenthaltsrecht - AW-AuslR 2021.05):
'Zur finanziellen Entlastung der Verpflichtungsgeber hat sich das Land Brandenburg dazu entschlossen, den Umfang der Verpflichtungserklärung zu beschränken. Die Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit, die normalerweise ebenfalls Bestandteil einer Verpflichtungserklärung ist, entfällt bei Abgabe einer Verpflichtungserklärung im Rahmen dieser Aufnahmeanordnung.
Die Kosten für die Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft, Geburt sowie bei Behinderung und Pflegebedürftigkeit im Sinne der §§ 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) werden von den zuständigen Behörden übernommen. Der Nachranggrundsatz des § 8 Abs. 1 S. 2 AsylbLG greift in diesem Fall ausnahmsweise nicht. Der diesbezügliche aktuelle Erlass des zuständigen MSGIV wird zeitnah zur Kenntnisnahme übermittelt.'

Nun ja, sie ist nicht krankenversichert und das geht über das Sozialamt, wenn sie krank ist. Aber vom Sozialamt sei ihr gesagt worden, dass das Amt nur für die Basisleistungen zuständig sei. Die Frage ist, ob das Sozialamt die Kosten für die Operation tragen soll oder ob sie für die Operation selbst bezahlen muss. (Sie ist derzeit arbeitssuchend und kann die OP selber nicht leisten).

Wohnort: Brandenburg
Mit freundlichen Grüßen
Eingrenzung vom Fragesteller
9. Januar 2023 | 18:11
Sehr geehrter Fragesteller,

um den hier beschriebenen Aufenthaltsstatus zu erhalten, muss in Brandenburg von den dort lebenden Verwandten zuvor eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG abgegeben werden. In dieser geben diese verbindlich an, dass der Lebensunterhalt der betroffenen Person durch die Verwandten gesichert ist. Ist dies der Fall, wird der Aufenthaltsstaus gewährt, jedoch unter der Bedingung, dass die Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit, die normalerweise ebenfalls Bestandteil einer Verpflichtungserklärung ist, entfällt.

Infolge dieser zuvor abgegebenen Erklärung ist Ihre Mutter in Deutschland nicht krankenversichert. Stattdessen muss die Absicherung durch die in Brandenburg lebenden Verwandten erfolgen. Eine möglicherweise notwendige OP muss deshalb selbst bezahlt werden. Das Sozialamt übernimmt in diesem Zusammenhang tatsächlich nur die Kosten für den Basiskrankenschutz.

Um den Versicherugsstatus klären zu können oder um ggf. eine Aufnahme in die gesetzliche Versicherung zu ermöglichen, können Sie sich an die Clearingstelle der Krankenkassen wenden.

Es gibt zudem Behandlungsmöglichkeiten für Menschen ohne
Krankenversicherung. Einrichtungen der „solidarischen Ge-
sundheitsversorgung" leisten eine medizinische Grundver-
sorgung außerhalb des Krankenversicherungssystems (z.B. Malteser). Größere Optionen werden jedoch hier meist nicht finanziert. Auch hier geht es um den Basiskrankenschutz, welcher normalerweise in Ihrem Fall auch durch das Sozialamt sichergestellt ist.

Grundsätzlich gilt weiter, dass Ärztinnen und Ärzte im medizi-
nischen Notfall verpflichtet sind, Sie auch ohne vorhandene
Krankenversicherung zu behandeln. Im akuten Notfall kann Ihre Mutter daher jederzeit in ein Krankenhaus aufgenommen werden und muss dort behandelt werden.

Im Übrigen muss Ihre Mutter aber für die Behandlungskosten selbst aufkommen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen trotzdem weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen
Katharina Larverseder, LL.B
Rechtsanwältin


Rückfrage vom Fragesteller 13. Januar 2023 | 14:23

Sehr geehrte Frau Larverseder,

für den hier beschriebenen Aufenthaltstitel in Brandenburg gilt die (Allgemeine Belehrung Nr. 05/2021 zum Aufenthaltsrecht – AW-AuslR 2021.05), verfasst in dme Punkt II Absatz 3:

"Zur finanziellen Entlastung der Verpflichtungsgeber hat sich das Land Brandenburg dazu entschlossen, den Umfang der Verpflichtungserklärung zu beschränken. Die Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit, die normalerweise ebenfalls Bestandteil einer Verpflichtungserklärung ist, entfällt bei Abgabe einer Verpflichtungserklärung im Rahmen dieser Aufnahmeanordnung.

Die Kosten für die Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft, Geburt sowie bei Behinderung und Pflegebedürftigkeit im Sinne der §§ 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) werden von den zuständigen Behörden übernommen. Der Nachranggrundsatz des § 8 Abs. 1 S. 2 AsylbLG greift in diesem Fall ausnahmsweise nicht. Der diesbezügliche aktuelle Erlass des zuständigen MSGIV wird zeitnah zur Kenntnisnahme übermittelt."

Das bedeutet nach meinem Verständnis, dass keine Absicherung durch die in Brandenburg lebenden Angehörigen geleistet wird (Weil wie schon geschrieben : Der Nachranggrundsatz des § 8 Abs. 1 S. 2 AsylbLG greift in diesem Fall ausnahmsweise nicht.) und das Land Brandenburg die Kosten nach §§ 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) übernimmt.

Gemäß den 2 Paragrafen wird davon ausgegangen, dass die Stadt für die Kosten aufkommen soll. Meine Frage ist nun, warum sollte sie Ihrer Meinung nach die Operation selbst bezahlen, wenn sie nach §§ 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) behandelt wird. Ich bitte um rechtliche Erklärung.

Vielen Dank im Voraus für Ihr Rückmeldung

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 14. Januar 2023 | 02:05

Sehr geehrter Fragesteller,

vielen Dank für Ihre Nachfrage.

Die von Ihnen zitierte Norm ist am 31.12.2022 außer Kraft getreten. Ob ein entsprechender Rechtsanspruch besteht oder nicht, ist aber immer nach der aktuell derzeitig geltendenden Gesetzeslage zu entscheiden.

Selbst, wenn man nun die Verpflichtungserklärung außen vor lässt und die Situation allein anhand von §§ 4 und 6
AsylbLG beurteilt, kann eine Kostenübernahme nur dann in Betracht kommen, wenn es sich bei der Rückenoperation um eine Leistung des umfassten Basisschutzes handelt. Da ich die genaue Erkrankung und die genaue Krankheitsdiagnose nicht kenne, kann ich Ihnen hier natürlich nicht verbindlich zusichern, ob das Sozialamt die Kosten übernehmen muss oder nicht. Dieses entscheidet letztlich über die Dringlichkeit und die Notwendigkeit der OP. Lehnt dieses die Übernahme der Kosten ab, müssen die Kosten selbst übernommen werden.

Generell gilt, dass Asylsuchende ihre Leistungen für die medizinische Behandlung nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Hierbei werden zwei Kategorien der Leistungsberechtigung unterschieden.

Leistungsberechtigte nach § 2 AsylbLG, die sich bereits seit 15 Monaten ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalten, sind gemäß § 264 SGB V den gesetzlich
Krankenversicherten leistungsrechtlich gleichgestellt. Hier ergeben sich keine Besonderheiten oder Einschränkungen des Behandlungsumfangs gegenüber der GKV.

Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG sowie Ausländer, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, haben einen eingeschränkten Anspruch auf Gesundheitsversorgung. Die zu erbringenden Leistungen sind gemäß §§ 4 und 6 AsylbLG auf die Behandlung zur Behebung eines akuten Krankheitszustandes, zur
Abwendung von erheblichen Gesundheitsschäden bzw. zur Abwehr von Gefahren für die Allgemeinheit beschränkt. Daneben werden die erforderlichen Schutzimpfungen und Vorsorgeuntersuchungen angeboten.

Ihre Mutter ist in die zweite Kategorie einzuteilen und erhält daher nur einen eingeschränkten Leistungsumfang.

Im Einzelnen:
§ 4 Abs. 1 AsylbLG
Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit
Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren.

§ 6 Abs. 1 AsylbLG
Sonstige Leistungen können insbesondere gewährt werden,
wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalt oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind.

Ein Behandlungsanspruch besteht nach diesen Normen nur, wenn eine Erkrankung entweder akut oder schmerzhaft ist. Dies gilt auch für chronische Erkrankungen, wenn die Unterlassung der Behandlung dazu führen könnte, dass die Erkrankung akut und der Patient
dadurch gefährdet wird (z.B. Hypertonie, Diabetes).

"Akut" im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG bezieht sich nur auf Erkrankungen, nicht auf Schmerzzustände. Bei Schmerzzuständen besteht daher immer ein Anspruch auf die erforderliche Behandlung, unabhängig davon, ob sie akut oder
chronisch sind. Schwangere haben den gleichen Leistungsanspruch wie gesetzliche Versicherte
(Vorsorgeuntersuchungen, Entbindung, Hebammenhilfe). Für Krankenhausbehandlungen ist – von Notfällen abgesehen – eine vorherige Kostenübernahmeerklärung durch den zuständigen Sozialleistungsträger
erforderlich. Die Krankenhauseinweisung durch den niedergelassenen Arzt reicht
nicht aus. Ambulante Mit / Weiterbehandlungen sind nur auf Grund einer Überweisung durch
den erstbehandelnden Arzt möglich. Die erforderliche Versorgung mit Arznei- und Verbandsmitteln ist ebenfalls vom
Leistungsumfang der §§ 4 und 6 AsylbLG umfasst und orientiert sich an der Verordnungsweise in der GKV. Darüber hinaus gehende Behandlungs- und Verordnungsmaßnahmen bedürfen einer vorherigen Genehmigung durch den Sozialleistungsträger.

Ein Katalog der nach den §§ 4 und 6 AsylbLG erbringbaren Leistungen entweder positiv oder negativ (z.B. im Sinne einer Ausschlussliste) existiert nicht. Das Sozialamt beurteilt diese immer individuell von Fall zu Fall.

Es tut mir leid, dass ich Ihnen hierzu keine weiteren Auskünfte geben kann. Ich empfehle Ihnen, zusammen mit einem Arzt die Krankheit und die empfohlene Behandlung möglichst genau darzulegen und eine Kostenübernahme beim Sozialamt zu beantragen. Entscheidend für die Erfolgsaussichten wird hier wohl die medizinische Einschätzung des behandelnden Arztes sein. Sie müssen versuchen, die besondere Dringlichkeit darlegen.

Im Übrigen muss ich aber meine bisherige Einschätzung aufrecht erhalten, dass die Operationskosten womöglich selbst zu bezahlen sind.

Mit freundlichen Grüßen
Katharina Larverseder, LL.B
Rechtsanwältin


Bewertung des Fragestellers 14. Januar 2023 | 10:41

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