20. Juni 2023
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12:37
Antwort
vonRechtsanwalt Dr. Aljoscha Winkelmann
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Ihre gestellte Frage
Bonus Vereinbarung und "individuelle Ziele"
20.06.2023 10:46:22
beantworte ich wie folgt:
„Wird im Arbeitsvertrag eindeutig festgelegt, unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf eine Sonderzahlung entsteht und aus welchen Gründen die Leistung wieder zurückzuzahlen ist, ist damit abschließend auch der Zweck der Leistung definiert. Der Arbeitgeber kann dann nicht im Nachhinein zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen aufstellen, die auf weitere Zwecke schließen lassen.
(Zitat aus MüKoBGB/Spinner, 9. Aufl. 2023, BGB § 611a Rn. 685 unter Verweis auf/die Rechtsprechung des BAG NZA 2012, 620 Rn. 13; 2013, 327 Rn. 20. )
Folgendes auch aus:
BGB § 611a Arbeitsvertrag Spinner Münchener Kommentar zum BGB
9. Auflage 2023 Rn. 670-681
„Der Bonus ein zusätzlicher, in aller Regel variabler Vergütungsbestandteil, der in der Regel kalender- oder geschäftsjährlich gezahlt wird und zumeist die Erreichung persönlicher und/oder unternehmensbezogener Ziele voraussetzt, die vielfach in einer Zielvereinbarung festgelegt worden sind. Fußnote 2321
(...)
Wegen des Motivationsgedankens ist Kernpunkt des Führens durch Zielvereinbarungen, dass sich Leitungsperson und Arbeitnehmer über die vorzugebenden Ziele einigen. Die nähere Ausgestaltung ist vielfältig2322 und knüpft nicht unbedingt an „harte" Ziele, sondern auch an „weiche", nur mittels subjektiver Bewertung feststellbare Ziele an.2323 Dabei werden neben den vereinbarten Zielen auch einseitig vom Arbeitgeber gesetzte Zielvorgaben verwendet.2324 Bei variablen Vergütungsbestandteilen mit Zielvereinbarungen sind die Arbeitsvertragsparteien nach Festlegung der Ziele und der weiteren Zahlungsvoraussetzungen an diese gebunden. Haben die Vertragsparteien durch eine Zielvereinbarung die Voraussetzungen für die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung abschließend festgelegt, kann sich der Arbeitgeber von der Zahlungspflicht nicht mehr einseitig durch anderweitige Leistungsbestimmung befreien.2325 Eine einseitige nachträgliche Änderung ist unzulässig.2326 Dies gilt auch für die Berechnungsmethode. Die zur Festlegung der Ziele angewandte Methode ist auch für die Ermittlung der Zielerreichung anzuwenden."
Fußnote 2321:
LAG Köln, Urteil vom 23. 5. 2002 - 7 Sa 71/02 (vorgehend ArbG Köln Teilurteil 24. 7. 2001 16 Ca 251/01)
mit dem Leitsatz 3.
„Hat ein Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf eine jährliche Bonuszahlung, wenn er die ihm für das Jahr gesetzten Ziele zu 100% erreicht, so steht ihm dieser Anspruch auch dann zu, wenn der Arbeitgeber es vertragswidrig unterlässt, eine Zielvorgabe zu treffen."
Aus dieser Entscheidung und obigen Ausführungen können Sie schon entnehmen, dass es hier wohl eine Beweisfrage ist.
Es sind keine Unternehmensziele im AV vereinbart sind.
Ähnlich wie im Fall vor dem LAG Köln ist in dem Arbeitsvertrag zumindest die Rede von "individuell mit dem Vorgesetzten zu vereinbarenden Zielen".
Im Fall vor dem LAG Köln hat dieses den Anspruch des Klägers auf die Bonuszahlung bejaht.
Lt. Anstellungsvertrag der Parteien hatte der Kläger einen Anspruch darauf, dass alljährlich "mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung getroffen" wird, "die es ihm ermöglicht, bei Erreichung der vereinbarten Ziele zu 100 % einen Bonusbetrag von 30.000,00 DM zu verdienen". Dass er im betreffenden Jahr die Ziele nicht erreichen konnte, lag daran, „dass ihm von vornherein keine Möglichkeit gegeben wurde, ein "Jahresziel 2000" zu erreichen; denn eine Zielvorgabe im Sinne der Bonusregelung der Anlage 1 zum Anstellungsvertrag vom 28.05.1993 wurde für das Kalenderjahr 2000 überhaupt nicht getroffen."
In Ihrem Fall schreiben Sie:
„Nun war es in meinem konkreten Fall aber so, dass in 2022 keine formalisierten Gespräche mit Dokument hierzu stattgefunden haben. Was besprochen wurde war undokumentiert und eher so zwischen "Tür und Angel"."
Der Arbeitgeber wird also – sei es vor Gericht – wohl behaupten, dass die Zielvorgabe MÜNDLICH erfolgte. Dies müsste er dann aber beweisen!
Gelingt ihm das nicht, sollten Sie das Gericht auf das LAG Köln-Urteil vom 23. 5. 2002 - 7 Sa 71/02 hinwiesen. Auch wenn ich dies nicht mit Sicherheit sagen kann, müsste es dann , wenn es der Rspr. des LAG Köln, Urteil vom 23. 5. 2002 - 7 Sa 71/02 folgt, Ihrer Klage stattgeben.
Ich hoffe Ihnen eine erste Einschätzung gegeben zu haben und weise auf folgendes hin:
Gerne stehe ich Ihnen für eine noch umfangreichere Beratung zur Verfügung. Bitte kontaktieren Sie mich dazu über die in meinem Profil genannte Rufnummer bzw. E-Mail-Adresse (nach Ausnutzung der Nachfragemöglichkeit) oder per Direktanfrage über frag-einen-anwalt.de.
Ich weise abschließend darauf hin, dass die Beantwortung Ihrer Frage ausschließlich auf Grundlage Ihrer Schilderung erfolgt. Die Antwort dient lediglich einer ersten rechtlichen Einschätzung, die eine persönliche und ausführliche Beratung durch einen Rechtsanwalt in den seltensten Fällen ersetzen kann, ist jedoch rechtsverbindlich. Das Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben kann aber möglicherweise zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Dr. Winkelmann