Beweisverfahren

11. Februar 2015 19:00 |
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Baurecht, Architektenrecht


Zusammenfassung

Ein selbständiges Beweisverfahren dient den Zwecken der Beweissicherung und der Vermeidung eines Hauptsacheverfahrens. Wird während des Laufs eines Beweisverfahrens Klage in der Hauptsache erhoben, wird das Beweisverfahren unzulässig, wenn nicht zugleich eine Beweisgefährdung vorliegt.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben aufgrund Baupfusch seit 2007 ein Beweisverfahren beim zuständigen
Landgericht laufen. Nach Anraten Anwalt wurden Teile des Werklohnes für den
Schreiner einbehalten. Dieser klagte dann in der 3-jährigen Frist auf seinen Rest-
lohn vor dem Amtsgericht, worauf unsererseits Widerklage eingereicht wurde
mit dem von ihm verursachten zahlreichen Mängel.

Jetzt erhielten wir vom Landgericht eine Verfügung, die für uns Laien nicht ver-
ständlich ist, und die sie uns bitte sozusagen ins "Deutsche" übersetzen könnten:

Der Text lautet:

Die Zulässigkeit des Verfahrens ist entfallen, da unter dem Aktenzeichen XXXXX
vor dem Amtsgericht LA ein Hauptsacheverfahren zwischen dem Antragsgegner
zu 2 und den Antragstellern anhängig ist. Der Kläger XXXXXX (Schreiner) macht
in diesem Verfahren gegen die Antragsteller restlichen Werklohn geltend. Die Be-
klagten XXXXXX wenden zahlreiche Mängel ein und haben wegen der behaupteten
Mängel auch Widerklage auf Zahlung von Schadenersatz erhoben.

Das Verfahren kann auch nicht nach § 485 Abs. ZPO fortgesetzt werden, da der
Antragsgegner zu 2 der weiteren Begutachtung widersprochen hat und seitens der
Antragsteller keine Beweisgefährdung dargelegt und glaubhaft gemacht wurde.

Mit freundlichen Grüßen

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Ein selbständiges gerichtliches Beweisverfahren ist zulässig, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an seiner Durchführung hat. Das Gesetz nennt hierzu zwei Fallgruppen:

- Beweisgefährdung;

- das Beweisverfahren kann der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen (§ 485 abs. 2 Satz 2 ZPO).

Wenn von einer Partei während der Anhängigkeit des selbständigen Beweisverfahrens das Verfahren in der Hauptsache angestrengt wird, kann das selbständige Beweisverfahren die zu Ziffer 2.) genannte Funktion nicht mehr erfüllen. Mit dem Hauptsacheverfahren ist ein anhängiger Rechtsstreit gemeint. Dies soll durch das selbständige Beweisverfahren ja gerade vermieden werden.

Sobald eine Partei daher Klage in der Hauptsache erhebt, wird die gleichzeitige Fortführung des selbständigen Beweisverfahrens unzulässig, es sei denn, es liegt zugleich der Grund der Beweisgefährdung vor. Dies ist laut der Feststellung in Ihrem Fall nicht so.

Sobald das selbständige Beweisverfahren wegen eines anhängigen Hauptsacheverfahrens unzulässig geworden ist, hat der Antragsteller die Möglichkeit, seinen Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens zurückzunehmen (dann muss er allerdings alle Kosten tragen, auf Antrag auch die Anwaltskosten des Gegners), oder das Verfahren für erledigt zu erklären und zu beantragen, dem Gegner die Kosten des bisherigen Beweisverfahrens durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung aufzuerlegen.

Ist im selbständigen Beweisverfahren bereits Beweis erhoben worden, z.B. durch Einholung eines Gutachtens, können dessen Ergebnis auch im Hauptsacheverfahren verwertet werden (§ 493 ZPO).

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen
Rückfrage vom Fragesteller 11. Februar 2015 | 22:05

Sehr geehrter Herr Neumann,

vielen Dank für ihre Beantwortung. Für mich ist aber nach wie vor
nicht nach voll ziehbar, wieso dann das LG erst im Jahre 2015
feststellt, daß ja ganz woanders jetzt ein Hauptsacheverfahren
läuft, der Kläger (Schreiner) aber bereits 2010 Klage eingereicht hat,
daß Verfahren hätte ja schon lange beendet hätte sein können.
Für mich bedeutet das, daß ich für zwei Verfahren (Beweisverfahren
sowie Verfahren Amtsgericht) immense Kosten für Gutachter etc.
zahlen mußte. Wer trägt hier die Schuld, das Gericht oder mein Anwalt ?

Vielen Dank sowie mfG

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 12. Februar 2015 | 00:16

Sehr geehrter Fragesteller,

die Kammer des Landgerichts, die Ihr selbständiges Beweisverfahren bearbeitet hat, kann den Umstand der im Jahr 2010 erfolgten Klageeinreichung vor dem Amtsgericht erst dann berücksichtigen, wenn sie darüber informiert wird.

Es gibt hier keine automatische Information von Amts wegen. (Zumal auch das Amtsgericht nicht gewusst haben dürfte, dass parallel noch ein Beweisverfahren vor dem Landgericht anhängig war.)

Man muss das so sagen, die Arbeitsweise der Gerichte ist teilweise noch sehr altertümlich. Die Gerichte untereinander sind nicht "vernetzt".

Ich gehe davon aus, dass der Anwalt, der Sie im Beweisverfahren vor dem Landgericht vertrat, Sie auch im Klageverfahren des Schreiners vor dem Amtsgericht ab 2010 als Beklagte vertreten hat. Sobald Ihr Anwalt von der Klageeinreichung vor dem Amtsgericht wusste, hätte er das Landgericht darüber informieren müssen bzw. das Beweisverfahren für erledigt erklären müssen, damit keine weiteren Kosten im Beweisverfahren zu Ihren Lasten entstehen. Ihr Anwalt hätte auch Sie über die geänderte Verfahrenslage und die hieraus resultierenden Rechtsfolgen rechtzeitig aufklären müssen, die durch die Klageeinreichung vor dem Amtsgericht eintrat.

Ein Schaden, für den Ihr Anwalt haftpflichtig sein kann, ist Ihnen dann entstanden, wenn nach 2010 vor Amts- und Landgericht durch selbständig durchgeführte Begutachtungen doppelte, unnötige Kosten entstanden sind. Die gesetzlichen Anwaltskosten für das Beweisverfahren sind hingegen bereits mit Einreichung der Antragsschrift beim Landgericht im Jahr 2007 angefallen.

Mit freundlichen Grüßen,
Carsten Neumann
Rechtsanwalt

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