Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Gegen Ihren Nachbaren haben Sie einen Anspruch auf Beseitigung der Wurzel gem. § 1004 BGB
. Soweit Wurzeln vom Nachbargrund auf Ihr Grundstück wachsen, ist der Nachbar Störer und verpflichtet die Wurzel zu beseitigen.
Sollte sich der Nachbar weigern, so steht Ihnen ein Selbsthilferecht gem. § 910 Abs. 1 S. 1 BGB
zu.
Weit interessanter ist der Anspruch auf Schadensersatz.
Ein Anspruch aus § 823 BGB
(unerlaubter Handlung) setzt ein Verschulden voraus. Allein die Tatsache, dass Wurzeln auf das Nachbargrundstück wachsen ist kein schuldhaftes Handeln.
Ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 BGB
setzt voraus, dass Sie den Nachbarn vor Schadensentstehung mit der Beseitigung der Wurzeln in Verzug gesetzt haben.
Soweit Sie den aus § 1004 BGB
resultierenden Beseitigungsanspruch im Wege des Selbsthilferechts selbst durchsetzen steht Ihnen jedoch ein Bereicherungsanspruch gegen den Nachbarn aus § 812 BGB
zu. Der BGH hat diesbezüglich als ersatzfähigen Schaden die Kosten für die Feststellung des Schadens, die Beseitigung der Wurzeln und die Wiederherstellung der Terrasse (BGH Urteil vom 28.11.2003 - V ZR 99/03
).
Mit § 1004 BGB
ist untrennbar die Frage der Verwirkung verbunden.
Eine Verwurkung ist anzunehmen, wenn Sie die Beeinträchtigung über einen längeren Zeitraum hin hinnehmen und dadurch ein Vertrauen in eine Einwilligung Ihrerseits begründen.
Die Verwirkung setzt ein Zeit und ein Umstandsmoment voraus. Wie Sie selber schon ausführen, haben Sie lediglich die Bepflanzung und nicht die erhebliche Wurzelbildung seit 10 Jahren hingenommen. Aus dem Sachverhalt entnehme ich, dass Sie die Wurzelbildung wohl erst seit kurzem entdeckt haben. Somit fehlt es schon am Zeitmoment.
Das Umstandmoment bedeutet, dass sich Ihr Nachbar darauf einrichten durfte, dass Sie Ihr Recht auf Beseitigung nicht mehr geltend machen werden. Auch dies setzt natürlich voraus, dass Sie und Ihr Nachbar vom Wurzelwuchs zumindest Kenntnis hatten. Dies war wohl bis vor kurzem nicht der Fall.
Ich gehe daher nicht von einer Verwirkung aus.
ich hoffe Ihnen mit meinen Ausführungen einen ersten Überblick verschafft zu haben und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Georg Schiessl
Rechtsanwalt
Eindringendes Wurzelwerk aus Bambusbepflanzung
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Nachbarschaftsrecht
Beantwortet von
Rechtsanwalt Hans-Georg Schiessl
Zusammenfassung
Was könne wir tun, wenn sich der Bambus unseres Nachbarn unterirdisch auf unserem Grundstück ausbreitet und dieses erheblich beeinträchtigt?
Was könne wir tun, wenn sich der Bambus unseres Nachbarn unterirdisch auf unserem Grundstück ausbreitet und dieses erheblich beeinträchtigt?
Sie haben einen Anspruch auf Beseitigung der Wurzel gegen Ihren Nachbarn. Wenn er sich weigert, können Sie das Selbsthilferecht nutzen und diese selbst beseitigen. Schadensersatzansprüche sind jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft und nicht automatisch gegeben.
Vor ca. 10 Jahren hat unser Nachbar an der Grundstücksgrenze (Reihenhausbebauung) einen Bamus gepflanzt. Im Laufe der Zeit gerieten öfters kleinere Ausläufer auf unser Grundstück, die wir beschnitten bzw. anderweitig entfernten. Allerdings dachten wir, der Bambus würde sich vom Horst her kreisrund vergrößern und sich durch Beschnitt und Abstechen einigermaßen unter Kontrolle halten lassen. Außerdem wollten wir mit dem Nachbarn keinen Streit anfangen. Tatsächlich haben sich die Wurzeln unterirdisch ausgebreitet und massive, bis 5 cm dicke Ausläufer gebildet, die nicht nur unseren Gartenteich (Folie) bedrängen, sondern vor allem unter die einen Meter von der Grundstücksgrenze entfernte Terrasse gelaufen sind und diese - wahrscheinlich aufgrund der beginnenden Wachstumsphase - seit einigen Wochen sichtbar angehoben haben. Die Terrasse hat einen Rand aus Magerbeton, offenbar ist aber der Wurzelausläufer tiefer eingedrungen. Wir haben einige Betonplatten hochgehoben: Die Terrasse ist ca. 10 m breit und bis zur Grundstücksmitte ist der Wurzelstrang immer noch 2 cm stark. Die Terrasse wird umfangreich saniert werden müssen.
Fragen:
1) Die Bambusbepflanzung ist vor (mindestens) 10 Jahren erfolgt, wir hatten den Zustand hingenommen (s.o.), weil wir nicht absehen konnten, dass die Wurzeln sich unterirdisch dermaßen stark ausbreiten. Haben wir dadurch eventuelle Schadenersatzansprüche verwirkt?
2) Welche Rechte haben wir in dem vorliegenden Fall gegen den Nachbarn?