Gerne zu Ihrer Frage:
Sie schildern, dass sich innerhalb einer Erbengemeinschaft mehrere Immobilien befinden, von denen Ihnen nach testamentarischer Anordnung konkret bezeichnete Objekte (zwei Gewerbeeinheiten und eine Wohnung) zugewiesen worden sind. Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob es sich bei dieser Zuweisung um Vorausvermächtnisse oder lediglich um Teilungsanordnungen handelt. Die Durchsetzung Ihres Anspruchs auf Übertragung der betreffenden Immobilien ist Gegenstand eines anhängigen Klageverfahrens, das derzeit ruht. Zwischenzeitlich möchten Sie gerne die Nutzung der Wohnung realisieren bzw. Pacht- bzw. Mieteinnahmen aus den gewerblichen Einheiten ziehen. Ihre
Diese Frage berührt einen zentralen Punkt des einstweiligen Rechtsschutzes im Kontext eines bereits rechtshängigen Hauptsacheverfahrens.
Zweck des § 940 ZPO ist gerade nicht nur, eine Regelungslücke vor Eintritt der Rechtshängigkeit zu füllen, sondern eine vorläufige Regelung in Eilfällen zu ermöglichen – unabhängig davon, ob bereits eine Klage erhoben wurde oder nicht. Entscheidend ist, dass der Hauptsacheprozess die begehrte vorläufige Maßnahme nicht rechtzeitig herbeiführen kann. Das gilt besonders in langwierigen Erbstreitigkeiten wie dem Ihren.
Vor diesem Hintergrund ist der von Ihnen ins Auge gefasste einstweilige Rechtsschutz im Wege einer einstweiligen Verfügung zur Regelung eines vorläufigen Zustands – insbesondere gestützt auf den Gedanken der sog. Besitzschutzregelung – grundsätzlich denkbar. Voraussetzung für einen solchen Antrag ist, dass Sie ein glaubhaftes dringendes Interesse an der Nutzung bzw. Einnahmeziehung darlegen können, und dass die vorläufige Nutzung geeignet ist, wesentliche Nachteile abzuwenden oder bestehende Rechtspositionen abzusichern, ohne endgültige Vorwegnahme der Hauptsachewirkung.
Ob diese Voraussetzungen im konkreten Fall erfüllt sind, hängt wesentlich davon ab, wie eindeutig das Testament Sie bereits als zukünftigen Eigentümer dieser Objekte bestimmt, wie stark Ihre Nutzungsbeeinträchtigung derzeit tatsächlich ist, ob eine faktische Nutzung durch Dritte erfolgt (z. B. Einnahmen durch andere Miterben), sowie ob mit unzumutbaren zeitlichen Verzögerungen im Hauptverfahren zu rechnen ist.
Ist die Einordnung als Vorausvermächtnis ernsthaft vertretbar und die testamentarische Zuweisung unmissverständlich, kann unter Würdigung der Interessenlage ein einstweiliger Anspruch auf Nutzungsüberlassung und Einnahmeziehung in Betracht kommen. Der Schutz vor Substanzverlust, unwiederbringlicher Rechtsvereitelung oder wirtschaftlichem Schaden kann hier das erforderliche Regelungsinteresse begründen. Die Argumentation würde insbesondere auf die Sicherung Ihrer vermächtnisrechtlichen Rechtsposition abzielen, wobei Sie verdeutlichen müssten, dass eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache nicht zeitnah zu erwarten ist.
Eine isolierte Geltendmachung von Nutzungsrechten im einstweiligen Rechtsschutz ist jedoch immer mit Zurückhaltung zu beurteilen, da die Gerichte insbesondere bei Streitigkeiten um die Rechtsnatur einer testamentarischen Zuweisung nicht leichtfertig in den Substanzbereich der Hauptsache eingreifen. In vielen Fällen scheitert ein solches Vorgehen daran, dass die Verfügung faktisch bereits eine teilweise Vorwegnahme des Hauptsachebegehrens bedeuten würde. Dies gilt umso mehr, wenn etwa die Besitz- oder Einnahmesituation irreversibel verändert würde oder - m.E. vorliegend eher - die Rückabwicklungen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wären, z.B. durch eine Wohnungsmietverhätlnis.
Fazit:
Ein Antrag auf einstweilige Regelung kann unter bestimmten Voraussetzungen erfolgversprechend sein, insbesondere wenn Sie eine glaubhafte, klare testamentarische Zuordnung der Objekte belegen können und ein konkretes Bedürfnis zur Nutzung oder Einnahmesicherung (z. B. drohende wirtschaftliche Nachteile, laufende Kostenbelastung) besteht. Die Erfolgsaussichten hängen jedoch maßgeblich von der Auslegung des Testaments, der Interessenabwägung im konkreten Fall und der Argumentation hinsichtlich der Dringlichkeit ab. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist tunlichst zu vermeiden – der Antrag müsste daher als reine Sicherungsmaßnahme formuliert sein.
Diese rechtliche Ersteinschätzung aus der Distanz ersetzt keine individuelle anwaltliche Beratung im konkreten Einzelfall. Sie basiert ausschließlich auf den von Ihnen mitgeteilten Informationen und kann die Auswertung der vollständigen Prozessakte, des Wortlauts des Testaments sowie etwaiger vorheriger Stellungnahmen des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter nicht ersetzen.
Ich denke dennoch, Ihre Frage im Rahmen des Zeitbudgets hilfreich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
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