Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage , die ich Ihnen wie folgt beantworte:
Frage 1:
" Muss ich mir, rein rechtlich gesehen all dies gefallen lassen?"
Hauptproblem dürfte hier die Änderung des Provisionierungs- und Gehaltskonzept im Jahre 2022 sein, welches für Sie real eine Lohnkürzung beeinhaltete, was Sie spätestens am Ende des Kalenderjahres auch erkennen konnten, eigentlich aber schon bei Unterzeichnung der Zusatzvereinbarung.
Denn wenn Sie vor der Umstellung im Bereich 80-89.000 € brutto verdienten, haben Sie sich ja durch die Zusatzvertragsänderung ohnehin auf 70000 € herabsetzen lassen ( "5.000 Euro plus max. 10.000 Euro jährliche Tandieme").
Inwieweit dies so konkret rechtmäßig war, dürfte sich nach nunmehr mehr als zwei Jahren kaum arbeitgerichtlich aufarbeiten lassen, zumal Sie die Vertragsänderung als solche ja damals wohl auch vorbehaltslos akzeptiert haben.
Vordergündig sah das Ganze womöglich auch gut aus, da sich Ihr Bruttogehalt ausgehend von 2019 ja verdoppelt hat, aber da Sie ohnehin den größten Anteil Ihres Einkommens durch Leistungsvergütung generiert haben, musste eine Beschneidung der variabelen Vergütung auf maximal 10000 € de facto eine Gehaltskürzung für Sie sein. Wenn Sie dies damals nicht unter Vorbehalt angegriffen haben, dürfte es nunmehr - vorbehaltlich einer konkreten Vertragsprüfung - dafür zu spät sein ( Verwirkung, unzulässige Rechtsausübung, etc).
Soweit aktuell auch noch die Ziele selbst unrealistisch sind, sodass die maximale Tantieme ohnehin faktisch unereichbar wäre, ist das dagegen ein aktuelles Problem, welches man aber zuerst im Konsens mit den Beteiligten lösen sollte. In vielen Fällen lohnt es sich, noch einmal ein sachliches Gespräch zu suchen. Hierbei könnten Sie Ihre Bedenken und die steigende Arbeitsbelastung zur Sprache bringen und um eine faire und auch für Sie erreichbare Anpassung der Zielvereinbarungen bitten.
Das System der Tantiemen und Zielvereinbarungen ist grundsätzlich zulässig, jedoch darf die Zielerreichung nicht unzumutbar oder gar unerreichbar werden. Wenn Ihre Ziele Jahr für Jahr erhöht werden, obwohl Sie bereits unter schwierigen Bedingungen arbeiten, könnte dies zu einer weiteren für Sie unzumutbaren Belastung führen. Es könnte in diesem Fall hilfreich sein, zu prüfen, ob die Zielvorgaben realistisch und in einem fairen Verhältnis zu Ihrem tatsächlichen Arbeitsaufwand stehen, zumal ja jetzt auch nur noch 36 Stunden wöchentlich zu leisten seien. Weitere Hinweise dazu finden Sie u.a. unter:
https://www.steinbock-partner.de/arbeitsrecht/zielvereinbarung-weitergeltung/
https://www.arbeitsrechtsiegen.de/artikel/ordnungsgemaessheit-einer-zielvorgabe-schadensersatz/
https://www.hopkins.law/expertise/zielvereinbarung?srsltid=AfmBOoqbt1tkJiXuQAVDHXvFerJ1UbGrQYu2oHopgxWeP60F-YewT9zn
Zum Thema Überstunden: Überstunden müssen gemäß dem deutschen Arbeitsrecht grundsätzlich entweder durch Freizeit oder durch eine entsprechende Vergütung ausgeglichen werden. Wenn Sie in den letzten Jahren regelmäßig Überstunden von 50-80 Stunden ohne Ausgleich gesammelt haben, könnte das tatsächlich ein rechtlicher Ansatzpunkt sein, wobei aber bereits Ihre Wortwahl problematisch sein könnte ("ungezählt"), da Sie den Anfall der Überstunden zum einen gerichtsverwertbar beweisen müssten und diese ja auch vom Betrieb angeordnet sein müssten. Aber selbst wenn dies gelänge, könnte in Ihrem Vertrag eine sog. Ausschlussfrist enthalten sein, wonach Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer gewissen Frist (meist 3-6 Monate nach Fälligkeit) dem Arbeitgeber schriftlich angezeigt werden müssen. Unterbleibt dies, kann sich der Arbeitgeber auf Verwirkung berufen. Das hat die gleiche Wirkung wie Verjährung, tritt nur schneller ein sofern vereinbart.
Das Fehlen eines Betriebsrats oder Tarifwerke macht alles von Ihrem eigenen Verhandlungsgeschick abhängig, wobei die Marktlage den Rahmen bietet. Soweit sich in Ihrem Berufsfeld andere Arbeitgeber mit besseren Konditionen ergeben sollten, könnten Sie ggf. einen Wechsel in Betracht ziehen.
Mit freundlichen Grüßen aus Dortmund
Raphael Fork
-Rechtsanwalt-
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