Bürgergeld - für welchen Zeitraum dürfen Nachweise angefordert werden?

| 22. März 2025 20:17 |
Preis: 50,00 € |

Sozialrecht


Beantwortet von

Guten Tag,

ich bitte um Klärung des folgenden Sachverhalts, der meine Lebensgefährtin betrifft:

Hier sind die zeitlichen und finanziellen Rahmendaten:
* ALG I wurde vom 17.09.2023 bis 16.12.2024 von der Bundesagentur für Arbeit bezogen.
* Bürgergeld wurde vom 17.12.2024 bis 28.02.2025 vom Jobcenter bezahlt.
* Seit 20.01.2025 wird Übergangsgeld von der DRV bezahlt.
* Die Rückzahlung des zu viel bezahlten Bürgergelds vom 20.01.2025 bis 28.02.2025 wurde zwischen Jobcenter und DRV vereinbart.

Nun hat meine Lebensgefährtin ein Schreiben mit folgendem Inhalt vom Jobcenter erhalten:
---------------------------------------------------------------------------------------------------------
Sie haben Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)
beantragt.
Durch einen Datenabgleich (§ 52 SGB II) wurde bekannt, dass Sie
* im Jahr 2023 Kapitalerträge in Höhe von 508,00 Euro hatten.
* Leistungen des Sozialhilfeträgers erhalten beziehungsweise erhalten haben.
Es ist zu überprüfen, ob und inwieweit für Sie ein Anspruch auf Leistungen besteht beziehungsweise bestanden
hat.
Folgende Unterlagen beziehungsweise Angaben werden hierzu noch benötigt:
* Kontoauszug der Bank
- Kontoauszug in dem der Zufluss Ihres Arbeitslosengeldes I für den Zeitraum 01.10.2024 - 16.12.2024 im Dezember 2024 zugeflossen ist
- Bewilligungsbescheid Arbeitslosengeld I für den Zeitraum 01.10.2024 bis 16.12.2024
* Kontoauszüge
* Bausparvertrag sowie einen Nachweis über den Stand des Bausparguthabens zum 31.12.2023
Ich benötige Angaben für die Zeit 01.01.2023 bis 31.12.2023 und 01.12.2024 bis 31.12.2024.
---------------------------------------------------------------------------------------------------------
Einen Bausparvertrag gab es in der Zeit nicht mehr, dieser wurde 2021 aufgelöst. Insofern verstehen wir die Nachfrage diesbezüglich nicht.

Durch das Schreiben sind folgende Fragestellungen bei uns aufgekommen:
* Das Bürgergeld wurde vom 17.12.2024 bis 28.02.2025 bezahlt:
- mit welcher Begründung kann sich das Jobcenter auf Kapitalerträge im Jahr 2023 beziehen?
- 2023 wurden keine Leistungen des Sozialhilfeträgers in Anspruch genommen, damals wurde bis zum 16.09.2023 Krankengeld bezahlt und ab 17.09.2023 ALG I bezogen.
- Was hat die Zahlung ALG I 01.10.2024 - 16.12.2024 mit der Zahlung des Bürgergelds ab 17.12.2024 zu tun?
- Für welchen Zeitraum darf das Jobcenter überhaupt Belege nachfordern? Bei Beantragung des Bürgergelds wurden bereits alle möglichen Kontoauszüge und Nachweise zu evtl. vorhandenem Vermögen (auch in Lebensversicherungen) übermittelt. Lt. Schreiben werden Belege für die Jahre 2023 und 2024 angefordert.

Vielen Dank für Ihre Prüfung des geschilderten Sachverhalts! Wir bitten um Rückmeldung, welche Fragen mit Begründungen (Verweise auf gesetzliche Regelungen etc.) wir an das Jobcenter zurücksenden können.

Freundliche Grüße


Einsatz editiert am 23. März 2025 08:55

23. März 2025 | 11:24

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

vielen Dank für Ihre Anfrage , die ich Ihnen wie folgt beantworte:


Vorab möchte ich zunächst ein Grundverständnis dafür schaffen, um die Anforderung von Belegen überhaupt nachvollziehen zu können. Bürgergeldbezug findet nicht im rechtsfreien Raum statt, sondern es ist regelmäßig alles detailiert gesetzlich geregelt, hier vor allem in den sog. Sozialgesetzbüchern (hier besonders SGB II, SGB I + X).


Ausgangspunkt ist dabei zunächst § 20 SGB X, der wie folgt lautet:

Zitat:
§ 20 Untersuchungsgrundsatz
(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.
(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.
(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.


Um hier also etwas prüfen zu können, nämlich die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers benötigt die Behörde Belege/Beweise.

Anspruchsgrundlage für das Anfordern von solchen Belegen ist § 60 SGB I, der dabei regelmäßig auch von der Behörde zitiert wird, also konkret

Zitat:
§ 60 Angabe von Tatsachen
(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat

1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.

Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der Leistungen zu erstatten hat.
(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.


Diese "Leistungserheblichkeit" ist das maßgebliche Kriterium einer jeden Anforderung durch das Jobcenter. Fordert das Jobcenter ewas leistungsunerhebliches an, so darf man dieses verweigern und wird regelmäßig auch deswegen mit Rechtsmitteln (Widerspruch/ggf. Klage) Erfolg haben.

Das Gegenteil ist der Fall, wenn, das Jobcenter etwas leistungserhebliches anfordert. Hier wird man nicht nur mit seinen Rechtsmitteln scheitern, man hat noch das weitere Problem des § 66 SGB I, wonach das Jobcenter den Antrag einfach nicht mehr weiter bearbeitet bis zur Vorlage der angeforderten Belege.

Wie Sie daran also sehen können, ergibt sich hier ein gewisses Spannungsfeld /(leistungserheblich/ nicht leistungserheblich) und Ihre aufgeworfenen Fragen sind mit Blick auf dieses Spannungsfeld zu beantworten.


Frage 1:
"mit welcher Begründung kann sich das Jobcenter auf Kapitalerträge im Jahr 2023 beziehen?"

Im Jahre 2023 wurden zwar keine Leistungen bezogen, weshalb auch keine Mitwirkungspflicht bestand und auch die unterlassene Angabe grundsätzlich nicht schädlich ist.

Grundsätzlich deswegen, weil es in 2023 Vermögen gegeben haben muss, welches Zinsen o.Ä. in Höhe von 508 € hervorbrachte. Dies möchte man nun aufklären, denn warum hatten Sie die Einnahmen nicht mehr in 2024 und besonders 2025, wie hoch war dieses Vermögen und was ist damit passiert.

Diese Fragestellung kann durchaus dann leistungserheblich sein, wenn dieses Vermögen verschwendet oder verschwiegen worden wäre und es die Vermögensfreigrenzen überschreiten würde. Daher die Anfrage.


Idealerweise findet sich dieses Kapitalerträge generierende Vermögen bereits in den Angaben zum Vermögen bei der Leistungsbeantragung, dann kann man darauf durchaus verweisen und dies kurz darlegen.

Wenn nicht sollte man kurz schildern, was da genau Kapitalerträge erzielt hat und was damit in der Folge passierte.

Gleiches gilt für den Komplex "Bausparvertrag". Hieran sieht man, dass die Anforderungen auch oftmals "ins Blaue hinein erfolgen", d.h. man sieht durch Datenabgleich, dass da mal etwas war, die genauen zeitlichen Abläufe und vor allem die Höhe des vermögens bleiben jedoch verborgen oder werden fälschlicherweise gedeutet ( Bausparvertrag als das Kapitalerträge generierende Vermögen vermutet). Kurze Aufklärung schafft da Abhilfe.

Frage 2:
" Was hat die Zahlung ALG I 01.10.2024 - 16.12.2024 mit der Zahlung des Bürgergelds ab 17.12.2024 zu tun?"

Es ist hier anzunehmen, dass die Zahlung in dem Monat erfolgt sein könnte, in dem ALG II (=Bürgergeld) bezogen wurde, also Dezember 2024, und dann würde § 11 III SGB II gelten, der wie folgt lautet:

Zitat:
§ 11 Zu berücksichtigendes Einkommen
(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.
(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.
(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.


Das möchte man prüfen, denn Leistungserheblichkeit ergäbe sich bei einer Zahlung von ALG I im Monat Dezember 2024.


Frage 3:
"Bürgergeld - für welchen Zeitraum dürfen Nachweise angefordert werden?...Für welchen Zeitraum darf das Jobcenter überhaupt Belege nachfordern?"

Solange wie sich die oben dargelegte Frage nach der Leistungserheblichkeit zuverlässig durch die Vorlage entsprechender Nachweise beantworten lässt, also durchaus innerhalb der Verjahrungsfristen ( 4 Jahre wg. § 50 IV SGB X).

Mit freundlichen Grüßen aus Dortmund

Raphael Fork
-Rechtsanwalt-


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