Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass dieses Forum lediglich die Funktion hat, Ihnen einen ersten Überblick über die Rechtslage zu geben. Eine persönliche Beratung/Vertretung kann und soll hierdurch nicht ersetzt werden. Hinzufügen oder Weglassen wesentlicher Tatsachen kann zu einer anderen Beurteilung des Falles führen. Unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsangaben und des von Ihnen gebotenen Einsatzes beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:
Der grundsätzliche Vorteil einer Teilklage bei ungewissem Ausgang ist die Kostenersprarnis, der Nachteil, dass man auch nach Abschluss des ersten Verfahrens nicht wissen kann, wie das nächste ausgeht. Das liegt an mehreren Umständen.
Zunächst ist zwischen Tatsachen und Rechtsansichten zu unterscheiden. Eine Tatsache ist immer dem Beweis zugänglich, bei einer Rechtsansicht geht es um Rechtsanwendung und -auslegung. Dennoch ist die Abgrenzung oft schwierig. In Ihrem Fall beispielsweise ist die Frage, was ein Mangel ist, eine Rechtsansicht, die Frage, ob ein Mangel vorliegt hingegen eine Tatsache. Hinsichtlich Tatsachen kann von vornherein keine Bindungswirkung des BGH-Urteils ausgehen, da die Revision keine Tatsacheninstanz mehr ist sondern allein der Klärung von Rechtsfehlern dient. In einem erneuten Verfahren ist das erstinstanzliche Gericht in seiner Tatsachenfeststellung völlig frei, da ja eine erneute Beweisaufnahme durchgeführt wird. Hier können neue Tatsachen vorgetragen, andere Beweismittel angeboten werden und selbst wenn dies nicht der Fall ist, kann die richterliche Beweiswürdigung zu einem anderen Ergebnis führen.
Auch hinsichtlich der Rechtsansichten besteht keine unmittelbare Bindungswirkung. Dies rührt daher, dass Rechtsansichten oft aus dem Grunde streitig sind, dass das anzuwendende Gesetz mehrere Spielraum für mehrere Auslegungen lässt, die je nach Argumentation alle vertretbar sein können. Primär ist ein Gericht jedoch bei der Rechtsanwendung an den Gesetzeswortlaut gebunden ,und wenn dieser eine andere Auslegung als die des BGH zulässt, und in der Gesetzesanwendung frei. Grenzen bestehen dort, wo der Gesetzeswortlaut keine andere Auslegung zulässt. Daher kommt es auch, dass gewisse Fällen von einigen Gerichten anders entschieden werden als von anderen. Da natürlich das Ziel ist, dass Rechtsklarheit herrscht, erfordert es einigen Begründungsaufwand, von gewissen Fragen abzuweichen weswegen sich faktisch viele Gerichte der höchstrichterlichen Rechtsprechung anschließen.
Eine Bindungswirkung besteht erst dann, wenn dieselbe Rechtsfrage wieder beim BGH und dort vor einem anderen Senat landet. Dann ist gem. § 132 II GVG
(Gerichtsverfassungsgesetz) der Große Senat anzurufen, der über diese Frage zu entscheiden hat.
Obwohl eine Bindungswirkung somit zumindest nicht unmittelbar besteht, liegt dennoch eine gewisse Wahrscheinlich vor, dass sich - bei gleicher Tastsachenwürdigung - derselbe Verfahrensausgang ergeben wird.
Ich hoffe, dass ich Ihnen diese relativ komplexe Materie einigermaßen verständlich dargelegt habe.
Abschließend möchte ich Sie bitten, diese Antwort zu bewerten, um dieses Forum für andere Nutzer transparenter zu gestalten.
Mit freundlichen Grüßen,
Lars Liedtke
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Lars Liedtke
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Rechtsanwalt Lars Liedtke
Hallo und guten Tag!
Ich habe Sie also richtig verstanden, Sie haben es durchaus verständlich erklärt.
Nur zur Sicherheit:
Wenn eine Tatsache die vor´m OLG strittig verhandelt und zu Gunsten des Klägers entschieden wurde, letztendlich die zur Fortführung des Rechtes zugelassene Revision vom BGH abgewiesen ist, kann in einem weiteren Verfahren das DIESELBE Anspruchsgrundlage hat genau DIESE Tatsache erneut unter Beweis gestellt werden müssen?
Gerne stelle ich erneut eine kostenpflichtige Frage, vielleicht haben Sie aber auch so einen Hinweis darauf ob, egal wie, diese Tatsache für ein weiteres Verfahren unstrittig gestellt werden könnte...
Sehr geehrte Fragestellerin,
da in einem zweiten Verfahren eine neue Beweisaufnahme stattfinden muss, können sämtliche Tatsachen erneut streitig werden. Insoweit liegt es nicht in den Händen des Klägers, diese unstreitig zu stellen. Das kann nur der Beklagte, indem er die vom Kläger vorgetragenen, anspruchsbegründenden Tatsachen zugesteht (oder nicht bestreitet; ein Nichtbestreiten ist zivilprozessual einem Geständnis gleichgestellt). Der Kläger kann lediglich die vom Beklagten vorgetragenen (anspruchsvernichtenden) Tatsachen unstreitig stellen bzw. zugestehen.
Es besteht im zweiten Verfahren keine vom ersten Verfahren ausgehende Bindungswirkung, lediglich in der Regel eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass das zweite Verfahren wie das erste ausgeht. Daher kann der praktische Vorteil darin bestehen, dass das Verfahren schnell durch einen Vergleich abgeschlossen werden könnte, falls der im ersten Verfahren unterlegenen Partei dies auch klar sein sollte.
Ich hoffe, Ihre Nachfrage hinreichend beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen,
Lars Liedtke
Rechtsanwalt