Sehr geehrter Fragesteller,
ich bedanke mich für Ihre Frage.
Zunächst möchte ich auf die Möglichkeiten hinweisen, die Verbreitung kinderpornografischer Schriften anonym anzuzeigen. Eine gute Möglichkeit dafür bieten die sogenannten Online-Wachen. Für Ihre weitere Information erlaube ich mir auf einen Artikel der Financial Times Deutschland zu verweisen, der unter http://www.financialtimes.de/politik/deutschland/147140.html auch online abrufbar ist. Tatsächlich ist zu beachten, dass falsche anonyme Anzeigen über die IP-Nummer und den Internetprovider zurückverfolgt werden können. Eine recht weitgehende Anonymität kann man jedoch herstellen, indem man die Anzeige aus einem Internetcafé erstattet. Eine ähnliche Anonymität lässt sich selbstverständlich auch über eine anonyme telefonische Anzeige aus einer Telefonzelle erreichen. Schließlich gibt es seit 2003 die Initiative „Netz gegen Kinderporno“ nicht mehr, weil diese Ihr Ziel erreicht hatte. Die Gründe lassen sich unter http://www.heise.de/ct/Netz_gegen_Kinderporno/ nachlesen. Dort ist ebenfalls eine Liste mit Online-Meldestellen verlinkt. Folgendes Zitat dieser Seite dürfte Sie interessieren: „Als Reaktion auf die Aktion hat uns das LKA Nordrhein-Westfalen nach Rücksprache mit den anderen Landeskriminalämtern mitgeteilt, dass gegen Zufallsfinder von kinderpornographischen Schriften in Online-Diensten und Datennetzen generell keine Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. In der Tat ist uns seither kein Fall mehr bekannt geworden, in dem aufgrund einer einzelnen Kinderporno-Meldung gegen den Hinweisgeber ermittelt wurde. Außerdem nehmen die Landeskriminalämter mittlerweile Meldungen über illegale Internet-Inhalte online entgegen.“
Nun zu Ihrer Frage, die ich auf Grundlage Ihrer Schilderung wie folgt beantworten möchte:
„Jemand“ hat aufgrund seines Verhaltens keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten. Eine absolute Sicherheit nicht in den Fokus von Ermittlungsbehörden zu geraten, selbst wenn man sich absolut nichts zu Schulde kommen lässt, gibt es nicht. Der von Ihnen beschriebene „Jemand“ hat dies offenbar bereits erfahren müssen. Bekommt man unverschuldet, durch einen Virus oder einen versteckten Link, illegales Datenmaterial in den Arbeitsspeicher und den Festplattencache des Browsers, sollte man zum einen eine Anzeige erstatten (ggf. anonym, siehe oben) und zum anderen durch Löschung dafür sorgen, dass man bei Ermittlungen nicht selber zum Ermittlungsziel wird. Der Inhalt des Arbeitsspeichers lässt sich durch Ausschalten des Rechners löschen. Beim Löschen von Inhalten der Festplatte ist zu beachten, dass eine einfache Löschung lediglich die Dateizuordnungstabellen löscht, während die Dateirepräsentation noch lange auf der Festplatte vorhanden bleiben kann. Auf Sie kann dann – unter Verwendung geeigneter Programme – auch ohne die Dateizuordnungstabelle weiterhin zugegriffen werden. Eine endgültige Löschung ist nur mit Programmen möglich, die nicht nur die Dateizuordnungstabelle löschen, sondern zusätzlich den durch die Dateien vereinnahmten physikalischen Plattenplatz (mehrfach) überschreiben.
Außerhalb der tatsächlichen und technischen Betrachtung Ihres Problems scheint es bei Ihnen einige Unsicherheit über den einschlägigen Straftatbestand zu geben. Nach Ihrer Schilderung ist eine Strafbarkeit des eigenständigen Straftatbestandes des § 184b Abs. 4 StGB
zu prüfen. Nachdem dieser, über das Merkmal des „tatsächlichen und wirklichkeitsnahmen Geschehens“, Bezug auf dessen Abs. 2 nimmt, kopiere ich den gesamten § 184b StGB
zu Ihrer Kenntnisnahme:
§ 184b Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften
(1) Wer pornographische Schriften (§ 11 Abs. 3), die den sexuellen Missbrauch von Kindern (§§ 176 bis 176b) zum Gegenstand haben (kinderpornographische Schriften),
1. verbreitet,
2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht oder
3. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Nummer 1 oder Nummer 2 zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer es unternimmt, einem anderen den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und die kinderpornographischen Schriften ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben.
(4) 1 Wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 2 Ebenso wird bestraft, wer die in Satz 1 bezeichneten Schriften besitzt.
(5) Die Absätze 2 und 4 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen.
(6) 1 In den Fällen des Absatzes 3 ist § 73d anzuwenden. 2 Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 oder Absatz 4 bezieht, werden eingezogen. 3§ 74a ist anzuwenden.
Zu prüfen ist also, ob „Jemand“ sich mit der beschriebenen Handlung einer der Tathandlungen des § 184b Abs. 4 StGB
– Besitzverschaffung (Satz 1 der Norm) oder Besitz (Satz 2) kinderpornografischer Schriften, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben – strafbar gemacht hat.
Für eine Strafbarkeit des „Jemand“ fehlt es bereits an dem subjektiven Tatbestand. § 184b StGB
setzt in allen Fällen mindestens bedingten Vorsatz voraus. „Jemand“ muss demnach die Besitzverschaffung kinderpornografischer Schriften durch einen Klick auf einen „einfach pornografischen“ Thumbnail für möglich gehalten und sich mit dieser Möglichkeit bewusst abgefunden haben. Dieses ist nach Ihrer Schilderung nicht der Fall. Besitz gem. § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB
setzt überdies einen Besitzwillen voraus, der darauf gerichtet ist, sich der Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf das Material zu erhalten. Der Vorsatz entfällt daher, wenn der Täter die Gegenstände nach Gewahrsamserlangung umgehend vernichten will (vgl. NStZ 2005, 255, 256 nach Tröndle/Fischer, § 184b StGB
Rn. 25). Demnach kommt es nicht darauf an, ob Ihm dies aufgrund der oben beschriebenen technischen Problematik auch tatsächlich gelingt, solange er nur selbst davon ausgeht alles für eine Löschung notwendige getan zu haben.
Da Sie explizit danach gefragt haben nehme ich trotzdem auch noch zum objektiven Tatbestand des § 184b Abs. 4 StGB
Stellung: Die Tathandlung des Sich-Verschaffens des § 184 Abs. 4 Satz 1 StGB
ist das Unternehmen, sich selbst Besitz an kinderpornografischen Schriften zu verschaffen. In der Tat ist nach bisher herrschender Meinung das Abrufen pornografischer Dateien im Internet und ihr bloßes Betrachten am Bildschirm noch nicht tatbestandlich, sondern erst das Abspeichern auf einem Datenträger. Allerdings vertreten gewichtige Stimmen die Meinung, dass ein „Sich-Verschaffen“ bereits mit dem Download in den Arbeitsspeicher, zumindest aber mit der automatischen Abspeicherung im Cache-Speicher vollendet ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Auch wenn nach einer gut vertretenen Auffassung bereits der versehentliche Download von kinderpornografischem Material in den Arbeitsspeicher und den Browser-Cache objektiv tatbestandsmäßig ist, fehlt es für eine Strafbarkeit des hier in Frage stehenden „Jemand“ an dessen bedingtem Vorsatz und damit dem subjektiven Tatbestand. Angesichts der – vielleicht nicht ganz unbegründeten – Angst des „Jemand“ erneut unverschuldet in den Fokus von Ermittlungsbehörden zu geraten empfehle ich
- eine technische Auseinandersetzung mit den oben beschriebenen sicheren Löschungsmethoden.
- die zukünftige Meidung pornografischer Internetseiten unbekannter Anbieter bzw. das Abonnement bekannter Anbieter, die transparent in Bezug auf Jugendschutz agieren und sich möglicherweise sogar selber dem Kampf gegen Kinderpornografie verschrieben haben.
- die umgehende (ggf. anonyme) Anzeige von Anbietern kinderpornografischer Schriften, um diesen Moloch nach und nach trocken zu legen und andere vor dem versehentlichen „Besuch“ dieser Seiten zu schützen.
Diese Ausführungen können nur Ihrer ersten Orientierung dienen. Einzelne Umstände können die rechtliche Bewertung stark verändern. Diese Erstberatung kann die eingehende Prüfung Ihres Falles anhand aller verfügbaren Informationen nicht ersetzen.
Mit bestem Gruß
Jan Prill
sehr geehrter herr prill,
zuerst einmal vielen dank für ihre umfassende und detailierte antwort. in wie weit die thumbnails der fraglichen homepage personen unter 14 jahren dargestellt haben lässt sich nicht sagen. die seite wurde nach wenigen sekunden wieder geschlossen. der browsercache wurde gelöscht (mit einem extra-programm), ebenso der arbeitsspeicher. der genaue name der homepage ist nicht mehr bekannt und könnte nur bruchstückhaft wiedergegeben werden. inwieweit dies den ermittlungsbehörden hilfreich wäre, vermag ich nicht zu sagen.
ich weiß ja nicht, in wie weit sich die ermittlungen der zuständigen behörden in solchen fällen erstrecken, aber ein eindeutiger download von bildmaterial ließe sich doch sicher schon auf dem server der homepage feststellen. mit anderen worten: wenn jemand unfreiwillig auf eine solche seite weiter geleitet wird, sich dort nur wenige sekunden befindet und den browser umgehend schließt, ohne etwas angeklickt bzw. herunter geladen zu haben, so müsste sich das doch bereits schon im vorfeld klären lassen. ist halt die frage, ob dies für einen anfangsverdacht seitesn der behörden ausreichend ist.
mit freundlichen grüßen
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Nachfrage. Ich verstehe Sie dahingehend, dass Sie sich Sorgen machen, ob eine Ermittlungsbehörde Informationen über IP-Adressen nachgeht, durch die kinderpornografisches Material heruntergeladen wurde.
Meine Antwort: Ja, Ermittlungsbehörden werden solchen Informationen nachgehen. Allerdings kann eine Ermittlungsbehörde über die reine Information, dass ein Nutzer sich für kurze Zeit auf einer Internetseite aufgehalten hat, die kinderpornografisches Material bereitstellt keinen hinreichenden Tatverdacht für ein bewusstes und gewolltes Besitzverschaffen von eben solchen Material ermitteln. Für einen Anfangsverdacht mag dieser Umstand bereits reichen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass gerade die versehentlich besuchte Internetseite unter Beobachtung deutscher Ermittlungsbehörden stand und Kurzzeitbesucher dieser Seite in den Ermittlungsfokus gerieten, schätze ich als sehr gering ein. Sollte jedoch tatsächlich auf das beschriebene Verhalten Ihres "Jemand" eine strafrechtliche Ermittlung folgen, wird der fehlende subjektive Tatbestand gegen einen hinreichenden Tatverdacht und eine weitergehende Verfolgung sprechen.
Ihr "Jemand" kann - angesichts der bereits getroffenen Vorsichtsmaßnahmen und vor allem angesichts seines Verhaltens nach dem überraschenden Gewahrwerdens kinderpornografischer Inhalte – beruhigt Schlafen und etwaigen Ermittlungsvorgängen gelassen entgegensehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er überhaupt in den Fokus von Ermittlungen gerät schätze ich als äußerst gering ein.
Besten Gruß
Jan Prill