Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für die Anfrage(n) via frag-einen-anwalt.
Vorweg möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass dieses Forum dafür angedacht ist, einen ersten Eindruck zu der Rechtslage zu vermitteln. Durch Weglassen oder Hinzufügen von wesentlichen Tatsachen kann die Beurteilung Ihres Anliegens anders ausfallen. Auf Grundlage Ihrer Angaben beantworte ich die Frage(n) weiter wie folgt:
Vorliegend kommt ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 BGB
gegenüber der Firma, die das Schild unsachgemäß aufgestellt hat, in Betracht.
Falls ein Dritter das Schild verstellt haben sollte, so wäre der kaum greifbar.
1)
Eine Verletzung der verkehrsüblichen Sorgfaltspflichten liegt wohl bereits darin, dass die Firma das Schild nach Abschluss der Bauarbeiten einfach stehen ließ.
2)
a)
Ob unbekannte Dritte das Schild verrückt haben wird sich wahrscheinlich nicht mehr klären lassen.
Grundsätzlich muss sich die Firma das rechtswidrige Verhalten Dritter allerdings nicht zurechnen lassen.
b)
Deshalb wäre es für Sie von Vorteil, sich auf den Standpunkt zu stellen, dass die Bauarbeiter selbst das Schild nicht korrekt aufgestellt hatten und es so nach Abschluss der Arbeiten stehen ließen.
Ein Verschulden der Bauarbeiter wird der Firma nämlich gem. § 831 BGB
zugerechnet, das die Arbeiter wohl als sogenannte "Verrichtungsgehilfen" zu qualifizieren sind.
3)
In der von Ihnen herangezogenen Entscheidung konnte der der Kläger den Zusammenstoß mit dem Schild nicht vermeiden (AG Eilenburg, Urteil vom 08.01.2002, Az.: 2 C 5690/01
):
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"Der Kläger fuhr einerseits ordnungsgemäß auf seiner Fahrbahnseite - ohne den Rand zu überfahren. Andererseits konnte er nach links nicht ausweichen, da ihm ein LKW entgegenkam. Auch hätte der Kläger nicht mehr rechtzeitig anhalten können. Wie auf den in der Akte befindlichen Lichtbildern (Bl. 8 der Akte) zu erkennen ist, befanden sich am rechten Fahrbahnrand große Laubbäume. Das Schild stand unmittelbar hinter einem Baum. Auch wenn es 1 qm2 groß war, konnte es der Kläger aus weiterer Entfernung als Gefahrenquelle nicht wahrnehmen. Er musste im Übrigen auch nicht damit rechnen, dass es zu nah am Rand aufgestellt sein wird..."
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4)
Ein Gericht würde beim vorliegend beschriebenen Unfall wahrscheinlich zu dem Ergebnis kommen, dass der Unfall vermeidbar war. Dies begründe ich weiter wie folgt:
Beim Rückwärtsfahren gelten nach der Straßenverkehrsordnung besonders strenge Sorgfaltspflichten - § 9 Abs. 5 StVG
:
"Beim Rückwärtsfahren muss sich der Fahrzeugführer darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls hat er sich einweisen zu lassen."
So hat sich das Amtsgericht Hamburg zur Problematik Rückwärtsfahren u.a. wie folgt geäußert:
" § 9 Abs. 5 StVO
unterwirft den Rückwärtsfahrenden einem so strengen Sorgfaltsgebot, dass ein Unfall beim Rückwärtsfahren regelmäßig den Schluss darauf zulässt, dass der Rückwärtsfahrende diese Sorgfalt nicht beachtet haben kann und andere Ursachen als ein Verschulden des Fahrzeugführers nicht ernsthaft in Betracht kommen.
Dieser Anschein ist dadurch zu erschüttern, dass der Rückwärtsfahrende Anhaltspunkte dafür darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine ernst zunehmende andere Ursache als eine Verletzung der gebotenen äußersten Sorgfalt möglich erscheint..." - Urteil des Amtsgericht Hamburg vom 15.01.2009, Az.:51b C 112/07
.
Wie gesagt war in der von Ihnen herangezogenen Entscheidung des Amtsgerichts Eilenburg der Unfall unabwendbar, da der Fahrer das hinter dem Baum versteckte Schild nicht sehen konnte.
Als Sie an die Parklücke herangefahren sind, hätten Sie Schild und Sockel jedoch bemerken können?
5)
Alles in allem rate ich von der Erhebung einer Klage ab.
6)
Das Prozesskostenrisiko würde sich bei zwei Anwälten in etwa wie folgt darstellen:
Streitwert: 1. 000 €uro
Gerichtskosten: 165,00 €uro
Anwaltskosten Auftraggeber: 366,23 €uro
Anwaltskosten Prozessgegner: 366,23 €uro
Kosten insgesamt: 897,46 €uro
7)
Käme es - bei einem Mitverschulden von 50 % - zu einer Verurteilung der Beklagten, die Hälfte des Schadens zu bezahlen, so müssten Sie ca. 450 €uro Anwalts- und Gerichtsgebühren einkalkulieren.
Wenn Sie den Prozess verlieren, kämen zum Schaden nochmals ca. 900 €uro Anwalts- und Gerichtsgebühren hinzu.
In Anbetracht des beschriebenen Prozesskostenrisikos sollte das Ziel eines Anwaltsschreibens nach meinem Dafürhalten in einer außergerichtlichen Einigung liegen.
Ob sich eine solche Einigung/Kulanzzahlung erzielen lässt halte ich in Anbetracht der Umstände für eher wahrscheinlich.
Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann. Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.
Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Hallo Herr Kohberger,
vorneweg: haben Sie ganz klasse analysiert. Genau so was habe ich gebraucht. Schreib ich auch noch in der Bewertung. Kurze Frage:
Ich habe ein Foto mit Nummernschild von dem Fahrzeug, dass dort nur stehen konnte, weil das Schild so verschoben war. An der Reaktion des plötzlich herbeieilenden Fahrers ist mir klar, das der es war. Ich habe halt nur keinen Beweis.
Lohnt es sich das zu verfolgen? Oder sollte ich das Geld lieber in die Türreparatur stecken?
Beste Grüße
Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für die Ergänzung des Sachverhaltes und das Lob. Auf Ihre Nachfrage antworte ich wie fogt:
Es kommt in Betracht, dass der Fahrer des abgestellten Fahrzeuges sich wegen eines fahrlässigen Eingriffes in den Straßenverkehr schuldig und strafbar gemacht hat - § 315b Abs.1 Nr. 2, Abs. 2 StGB
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§ 315b StGB
(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er
1. Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2. Hindernisse bereitet oder
3. einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Handelt der Täter unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
(4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
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Als Anspruchsgrundlage(n) für den Schadensersatzanspruch kommen damit in Betracht:
§ 823 Abs. 1 BGB
und
§§ 823 Abs. 2 BGB
i.V.m. § 315b Abs.1 Nr. 2 StGB
(sogen. Schutzgesetz)
Bei entsprechendem STRAFANTRAG kann die Polizei den Fahrzeughalter an Hand des Fotos wohl ermitteln. Ob er das Verschieben des Schildes zugibt ist fraglich.
Wenn ja, so würde seine KfZ Haftpflichtversicherung den Schaden nicht übernehmen und die Haftpflicht der Firma würde sich freuen, da damit ja bewiesen wäre, dass die Bauarbeiter das Schild nicht auf die Parkbucht verrückt haben.
Dann bliebe noch, den Herren gemäß § 823 Abs. 1 BGB
und §§ 823 Abs. 2 BGB
i.V.m. § 315b Abs.1 Nr. 2 StGB
auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.
Zumal sich die Versicherung ohnehin quer stellt wäre es wohl kein Fehler, bei der Polizei Strafantrag gegen Unbekannt zu stellen. Desweiteren sollten Sie die Polizei um Mitteilung bitten, sobald der unbekannte Verdächtige ermittelt ist.
2)
Unabhängig vom Ausgang der Ermittlungen können Sie derweil auch bei der Versicherung nochmals auf Zahlung pochen. Schließlich ist ja (noch) nicht bewiesen, dass der Herr das Schild tatsächlich verrückt hat.
Ich hoffe, Ihnen fürs Erste weiter geholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Kohberger
Rechtsawnalt