12. September 2024
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15:15
Antwort
vonRechtsanwalt Steffan Schwerin
Golmsdorfer Str. 11
07749 Jena
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E-Mail: info@raschwerin.de
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Zunächst ist die Geschäftsfähigkeit eines Menschen nach § 104 BGB zu beurteilen. Geschäftsunfähig ist demnach, wer sich in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, die eine freie Willensbildung ausschließt, sofern dieser Zustand nicht nur vorübergehend ist. Der § 105 BGB stellt klar, dass Willenserklärungen eines Geschäftsunfähigen nichtig sind. Wenn der Patient also zum Zeitpunkt der medizinischen Untersuchungen geschäftsunfähig war, wäre er nicht in der Lage gewesen, rechtswirksam in die Untersuchungen einzuwilligen, und die daraus resultierenden Forderungen wären anfechtbar bzw. nichtig.
Es ist hier entscheidend, dass mehrere ärztliche Gutachten vorliegen, die die Geschäftsunfähigkeit des Patienten zum Zeitpunkt der Untersuchungen bestätigen. Diese Gutachten müssen ernsthaft und detailliert geprüft werden. Dass die Richterin diese Gutachten als "unsubstantiiert" abtut, ohne ein eigenes unabhängiges medizinisches Gutachten oder zumindest eine Anhörung der Beteiligten anzuordnen, könnte als Verfahrensfehler gewertet werden.
Nach dem Grundsatz der Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG bzw. § 86 VwGO) ist ein Gericht in Fällen, in denen es um die Geschäftsfähigkeit und die Einwilligungsfähigkeit geht, verpflichtet, von Amts wegen den Sachverhalt vollständig zu ermitteln. Hierzu gehört insbesondere die Einholung von Sachverständigengutachten, wenn dies zur Klärung einer wesentlichen Frage – wie hier die Frage der Geschäftsfähigkeit – erforderlich ist.
Das Ignorieren oder Abtun medizinischer Gutachten, die eine fehlende Geschäftsfähigkeit attestieren, könnte also als Verletzung dieser Amtsermittlungspflicht gewertet werden. Insbesondere ist fraglich, warum die Richterin keine weiteren Beweismittel eingeholt oder die Gutachten näher geprüft hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH sind medizinische Gutachten und Beurteilungen von Fachärzten in Fragen der Geschäftsfähigkeit besonders zu berücksichtigen. Ein pauschales Abtun dieser Gutachten, ohne eine nähere Begründung oder Anhörung, könnte gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Beweiswürdigung verstoßen.
Auch die fehlende Anhörung des Patienten stellt einen möglichen Verfahrensmangel dar. Gemäß Art. 103 Abs. 1 GG (Grundgesetz) hat jeder das Recht auf rechtliches Gehör. Das bedeutet, dass ein Gericht die Beteiligten anhören muss, bevor es eine Entscheidung trifft, insbesondere in Fällen, in denen die Geschäftsfähigkeit infrage steht.
In jedem Fall wäre es ratsam, gegen das Urteil Rechtsmittel einzulegen, insbesondere wenn keine vollständige Prüfung der Geschäftsfähigkeit des Patienten stattgefunden hat. Ein Berufungsverfahren könnte klären, ob die Richterin ihre Amtsermittlungspflicht verletzt hat, und gegebenenfalls ein externes, unabhängiges Gutachten über die Geschäftsfähigkeit des Patienten einholen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Steffan Schwerin