Antwort
vonRechtsanwalt Martin P. Freisler
Wilhelmsstr. 3
55128 Mainz
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aufgrund Ihrer Schilderungen beantworte ich Ihre Frage in einer ersten rechtlichen Einschätzung wie folgt:
Nach § 27 StGB wird als Gehilfe bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. Hilfe leistet, wer durch seine Handlung die des anderen erleichtert oder fördert.
Daran, dass bei der Abrechnung eines nicht individuell erstellten Gutachtens, besser gesagt, bei der ungeprüften Übernahme einer Standardformulierung, jeweils nur ausgefüllt mit anderen Patientennamen, ein Betrug vorliegt, teile ich die geäußerte Rechtsauffassung. Denn derartige Gutachten würden Ihren Zweck nicht erfüllen, eine individuelle Einschätzung Dritter zu Krankheitsbild, -geschichte und sonstigen besonderen Umständen zu ermöglichen.
Damit können Erleichterungshandlungen, die derartige Abrechnungen unterstützen, als Beihilfe gewertet werden. Die gesetzliche Definition der Hilfeleistung ist insbesondere sehr weit reichend. Die Praxis versucht daher, die Beihilfe bei sog. „neutralen Alltagsgeschäften“ einzugrenzen. Diese sehe ich z.B. bei reinen Muster- oder Formulierungsvorlagen. Ähnliches sehe ich auch noch bei Textbausteinen, die z.B. den aktuellen Stand der Forschung wiedergeben oder einen durchschnittlichen Krankheitsverlauf. Deren Übernahmemöglichkeit erleichtert die Arbeit, da Sie ungeachtet vom konkreten Fall in jedem Fall gleichartig „immer nur abzuschreiben wären“. Soweit allerdings individuelle Einschätzungen des Gutachters diesem vorgegeben werden, mit dem Zweck, dass er diese Einschätzung nicht mehr selbst vornehmen muss, wird der Zweck des Gutachtens gefährdet.
D.h. ich rate Ihnen, die jeweiligen Gutachtenteile unterschiedlich zu bewerten. Allgemeine Textbausteine im o.g. Sinne halte ich für unproblematisch. Individuelle Passagen, wie z.B. auch die von Ihnen zitierte Prognose halte ich für problematisch, da in dieser allein eine Vorgabe von insgesamt drei bzw. vier individuellen Einschätzungen enthalten sind (günstig, da motiviert, Leidensdruck, Intellekt), die mit der Diagnose selbst nicht direkt zusammen hängen, d.h. in jedem Einzelfall auch anders betrachtet werden müssen. Die Grenze kann in diesem Fall im Einzelfall überschritten sein, wenn – wie Sie schildern – für jede Diagnose bereits ein vollständiges Gutachten vorgeben, das unverändert übernommen und benutzt werden kann. Denn dann handelt es sich um keine eigenständige Gutachterleistung mehr, die der entsprechenden Bezahlung zugrunde liegt. Es handelt sich insbesondere nicht mehr um eine bloße Arbeitserleichterung.
Schützen können Sie sich, indem Sie die Möglichkeit der vollständigen Übernahme von individuell zu gestaltenden Textbausteinen oder ganzen Gutachten verhindern. Je mehr Ihre Arbeit nur als Muster, Formulierungsvorlage oder Arbeitserleichterung zu werten ist oder je mehr individuelle Arbeitsleistung die Software dem Verwender abverlangt, desto eher könnte ein Vorwurf einer vorsätzlichen Hilfeleistung durch zur Verfügung stellen der Software entkräftet werden. Auf keinen Fall darf die individuelle Arbeitsleistung gänzlich ausgeschlossen werden. Die Grenze ist in jedem Fall überschritten, wo mit Ihrer Hilfeleistung die Arbeitsleistung vollständig ersetzt wird, d.h. z.B. nach Eingabe eines Diagnoseschlüssels ein fertiges Gutachten zur Verfügung gestellt wird.
Ein Hinweis in den Benutzungsbedingungen kann zum Entkräften eines Vorsatzes von Nutzen sein; wenn die Software allerdings von Ihrer Art her, d.h. nach Aufbau und Verwendbarkeit, nur dem Zweck einer Arbeitsersetzung dienen kann, dann können Sie sich mit einem solchen Hinweis nicht entlasten. In Zeiten der aktuellen „erweiterten“ strafrechtlichen Verfolgung von betrügerischem Verhalten im Gesundheitswesen durch die Strafverfolgungsorgane kann ich Ihnen zudem nur raten, die Möglichkeiten eines Programms eher einschränkend zu gestalten. Ein derartiges Verfahren ist, ungeachtet von dessen Ausgang bzw. der Beweisbarkeit entsprechender Vorwürfe, belastend und berufsrechtlich gefährlich.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen eine erste rechtliche Orientierung geben zu haben. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass eine abschließende rechtliche Bewertung Ihres Problems die Kenntnis des vollständigen Sachverhaltes erfordert. Im Rahmen dieses Forums können sich die Ausführungen aber ausschließlich auf Ihre Schilderungen stützen, und somit nur eine erste anwaltliche Einschätzung darstellen.
Ich empfehle Ihnen daher, einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens zu beauftragen, sofern Sie eine abschließende Beurteilung erhalten möchten. Bitten beachten Sie, dass dabei weitere Kosten anfallen.
Gerne stehe auch ich Ihnen bei der weiteren Durchsetzung Ihrer Interessen zur Verfügung. Sollten Sie dies wünschen, können Sie sich jederzeit - gerne auch per eMail - mit mir in Verbindung setzen.
Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen
Martin P. Freisler
- Rechtsanwalt -
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Rechtsanwalt Martin P. Freisler
Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Versicherungsrecht
Sehr geehrter Herr Freisler,
vielen Dank für die umfassende Antwort. Ich werde die Software umstellen. Dabei werde ich die rechtlichen Hinweise, dass das Kopieren ganzer Gutachten und ganzer Teile der Gutachten nicht erlaubt ist und die Mustertexte nur Formulierungshilfen sind als Bestandteil der Nutzungsvereinbarungen aufnehmen, die der Nutzer akzeptieren muss oder die Software zurückgeben muss. Nun befindet sich auf der Benutzeroberfläche noch ein Button "Auswahl kopieren", der ermöglicht eine oder mehrere markierte Sätze zu kopieren und in das eigene Gutachten einzufügen. Theoretisch ist das Kopieren eines ganzen Gutachtens damit möglich, aber mit viel Mühe verbunden. Meine Frage: Reicht o.g. Hinweis in den Nutzungsbedingungen aus und ist der Button strafrechtlich gefährlich (ohnehin besteht ja immer die Möglichkeit -und das nicht nur bei der Software-Teile, Abschnitte etc von Texten per "Drag-and-drop" zu kopieren. Dann würde Microsoft ja Beihilfe zur Verletzung der Urheberrechte bei Kopieren aus Internetseiten leisten oder Adobe zur Urkundenfälschung, wenn jemand sein Zeugnis mit Photoshop "aufpoliert". Übrigens: gestern war ich in der Eisenwarenhandlung. Ein Kunde kaufte einen Vorschlaghammer, eine Axt und eine Kettensäge - macht der Händler sich auch strafbar, wenn der Kunde die Geräte nicht "zum vorgesehenen Zweck" benutzt, z.B., um Eheprobleme unkonventionell zu lösen (statt zu mir zu kommen)? ( nur zum Schmunzeln gedacht!).
Vielen Dank und herzliche Grüße
Dieter Adler
Wie gesagt, kann ein Hinweis an die Nutzer ein Indiz für einen fehlenden Vorsatz sein. Aber halt nur ein Indiz. Wenn die Software ansonsten eindeutig dem Zweck der Hilfestellung zu einer Strafhandlung zuzurechnen ist, entlastet Sie dieser Hinweis an die Käufer nicht, da mit einem Hinweis insbesondere keine Straftatbestände umgangen werden können.
Im Übrigen darf ich hinsichtlich meines Rates auf obige Abgrenzung zwischen einer Arbeitserleichterung und einem vollständigen oder teilweisen Ersetzen einer entgeltlichen Arbeitsleistung verweisen. Strafzweck ist, Geld in Rechnung zu stellen und letztendlich zu erhalten für ein Gutachten, welches nicht selbst erstellt wurde und insbesondere nicht individuell für den Patienten erstellt wurde. Soweit dazu eine Hilfestellung in einer der strafrechtlichen Vorsatzformen gegeben wird, kommt eine Beihilfe in Betracht. Daher sehe ich einen Unterschied zwischen den Zwecken, die Software von Microsoft oder Adobe vertrieben werden und ggf. Ihrem Produkt.
Mit freundlichen Grüßen
Martin P. Freisler
Rechtsanwalt