8. September 2025
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12:42
Antwort
vonRechtsanwalt Daniel Hesterberg
Marktstraße 17/19
70372 Stuttgart
Tel: 0711-7223-6737
Web: https://www.hsv-rechtsanwaelte.de
E-Mail: hesterberg@hsv-rechtsanwaelte.de
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
[b]Rechtliche Einschätzung zur nachträglichen Verzinsung von Revolut-Transaktionen durch die Advanzia-Bank[/b]
1. Ausgangslage und Sachverhalt
Sie haben seit Juli 2024 regelmäßig den vollen Verfügungsrahmen Ihrer „Gebührenfrei Mastercard Gold" der Advanzia-Bank genutzt, um Guthaben auf Ihr Revolut-Konto zu transferieren. Die Rückzahlung erfolgte stets fristgerecht, sodass keine Zinsen anfielen. Seit Juni 2025 berechnet die Advanzia-Bank nun Zinsen auf diese Transaktionen und beruft sich dabei auf Ziffer 3 der AGB (Stand April 2024), wonach „Beträge, die mittels Überweisung oder Geldtransfer von Ihrem Kartenkonto transferiert werden, sowie die Nutzung der Kreditkarte zum Kauf von Kryptowährungen wie Bargeldverfügungen anzusehen und wie diese verzinst werden". Die Bank begründet die Änderung mit der Händlerkategorisierung (MCC) der Revolut-Transaktionen.
2. Vertragliche Grundlage und Auslegung der AGB
a) Klarheit der AGB
Die Klausel in Ziffer 3 der AGB ist nach ihrem Wortlaut eindeutig: Geldtransfers vom Kartenkonto werden wie Bargeldverfügungen behandelt und verzinst. Die Einordnung von Revolut-Transaktionen als „Geldtransfer" ist nach der Verkehrsanschauung und der Funktionsweise von Revolut (als Zahlungsdienstleister mit E-Geld-Lizenz) grundsätzlich vertretbar.
b) Handhabung der Bank in der Vergangenheit
Über einen Zeitraum von ca. 11 Monaten wurden diese Transaktionen von der Advanzia-Bank nicht als Bargeldverfügung behandelt und nicht verzinst. Erst ab Juni 2025 erfolgte eine Umstellung, ohne dass Sie hierüber vorab informiert wurden.
3. Rechtliche Bewertung der nachträglichen Änderung der Handhabung
a) Vertrauensschutz und Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB)
Nach ständiger Rechtsprechung kann sich ein Vertragspartner auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) berufen, wenn er aufgrund eines bestimmten Verhaltens des anderen Vertragspartners ein schutzwürdiges Vertrauen auf eine bestimmte Handhabung entwickelt hat. Dies gilt insbesondere, wenn der Vertragspartner über einen längeren Zeitraum von einer vertraglichen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat und der andere Teil sich darauf eingerichtet hat.
Anwendbarkeit im vorliegenden Fall
Dauer und Häufigkeit: Die Bank hat über einen erheblichen Zeitraum (11 Monate) regelmäßig und in Kenntnis der Transaktionen keine Zinsen berechnet.
Erkennbarkeit: Die Bank hätte die Transaktionen technisch als „Geldtransfer" erkennen können und müssen.
Vertrauensschutz: Sie durften daher zumindest darauf vertrauen, dass die Bank diese Praxis beibehält oder – im Falle einer Änderung – Sie rechtzeitig informiert.
b) Informationspflichten der Bank
Eine einseitige Änderung der Auslegung oder Handhabung von Vertragsbedingungen, die für den Kunden nachteilig ist, bedarf grundsätzlich einer rechtzeitigen Information. Dies folgt aus dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) und dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).
Keine nachträgliche Belastung: Eine rückwirkende Verzinsung für bereits ausgeführte Transaktionen, die zuvor zinsfrei gestellt wurden, wäre unzulässig.
Zukünftige Handhabung: Für die Zukunft kann die Bank die AGB auslegen und anwenden, wie es dem Wortlaut entspricht, muss aber den Kunden vorab informieren, wenn sie von einer bisherigen Praxis abweicht.
c) Rechtsprechung zur Änderung der Vertragspraxis
Die Rechtsprechung erkennt an, dass eine Bank, die über einen längeren Zeitraum eine bestimmte Vertragsauslegung praktiziert, diese nicht ohne weiteres zum Nachteil des Kunden ändern darf, ohne diesen rechtzeitig zu informieren (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2016 – XI ZR 9/15, juris, zum Vertrauensschutz bei Änderung der Geschäftspraxis).
4. Ergebnis und Handlungsempfehlung
a) Für die Vergangenheit (bis einschließlich Mai 2025):
Kein Anspruch der Bank auf Zinsen: Für Transaktionen, die bis zur erstmaligen Zinsberechnung (Juni 2025) durchgeführt wurden, besteht nach Treu und Glauben und dem Grundsatz des Vertrauensschutzes kein Anspruch der Bank auf nachträgliche Verzinsung, sofern die Bank zuvor keine Zinsen berechnet und Sie keine gegenteilige Information erhalten haben.
b) Für die Zukunft (ab Juni 2025):
Zulässigkeit der Verzinsung: Die Bank ist berechtigt, ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Zinsberechnung die AGB entsprechend ihrem Wortlaut anzuwenden und Zinsen zu berechnen, sofern Sie über die Änderung der Handhabung informiert wurden oder dies für Sie erkennbar war.
c) Pflicht zur Information:
Informationspflicht: Die Bank hätte Sie vorab über die Änderung der Handhabung informieren müssen. Eine fehlende Information kann einen Verstoß gegen das Transparenzgebot darstellen.
5. Fazit
Sie sind nicht „selbst schuld", sondern können sich für die Vergangenheit auf Vertrauensschutz und Treu und Glauben berufen.
Für die Zukunft ist die Bank berechtigt, Zinsen zu berechnen, sofern die AGB dies vorsehen und Sie über die Änderung informiert wurden.
Eine rückwirkende Verzinsung ist unzulässig.
Sie sollten der Bank gegenüber unter Berufung auf die dargestellten Grundsätze die Zinsforderung für die Vergangenheit zurückweisen und eine Korrektur verlangen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Daniel Hesterberg