Obstgarten anlegen - landwirtschaftliche Fläche dafür kaufen

3. September 2020 22:28 |
Preis: 33,00 € |

Baurecht, Architektenrecht


Beantwortet von

Zusammenfassung

Nebenerwerbslandwirtschaft setzt ebenfalls Gewinnerzielungsabsicht voraus. Diese Absicht ist nach der Rechtsprechung ein für die Ernsthaftigkeit des Vorhabens und die Sicherung der Beständigkeit gewichtiges Indiz, das i.R.d. § 35 BauGB besonders sorgfältig zu prüfen ist.

Zu unserer Frage vom 04.08.2020, nun eine Folgeanfrage.
Das Grundstück, was wir kaufen möchten stammt aus einer Gärtnerei, welche ruht. Der Acker ist als landwirtschaftliche Fläche im B-Plan eingetragen. Im B-Plan steht, es dürfen auf landwirtschaftlichen Flächen nur Anlagen errichtet werden, welcher der Landwirtschaft dienen. (wenn es einen B-Plan gibt, dürfte die Klause „Außenbereich" bei uns nicht zutreffen, oder?)
Wir führen ja keine Landwirtschaft und kaufen diesen Acker (ca.1200-1500qm) Privat.
Wie wäre es, wenn wir dort 10 Obstbäume pflanzen und den Überschuss, welchen wir selber nicht verzehren können, verkaufen, wir könnten ein Gewerbe dafür anmelden. (Obst zum selber pflücken) Also ein Kleinunternehmen im Nebenerwerb. Das steht uns ja frei, dies zu tun. Jeder Cent ZusatzEinnahme muss ja angezeigt werden. Daher die Idee ein Nebenerwerb anzumelden. Somit führen wir eine landwirtschaftliche Tätigkeit (Urproduktion) aus. Demzufolge könnten wir doch auch ein Carport /Geräteschuppen auf dem Acker bauen, denn der Rasentraktor, Hänger ect. Müssen ja einen Unterstand bekommen. Ist dies theoretisch möglich? Es steht ja nirgends geschrieben, wie hoch die Einnahme sein muss, um als Landwirtschaftlicher Betrieb angesehen zu werden. Das Bauamt kann dies ja nicht einsehen, denn wenn wir ein Gewerbe anmelden, dürfte es doch keine baurechtlichen Probleme geben, oder? Wir planen auch tatsächlich, wenn wir das mit dem Obst in Griff bekommen, weitere Flächen dazu zu kaufen, um noch mehr anzubauen. Aber erstmal wollen wir klein starten. Könnten wir mit einem Kleinunternehmen bauliche Maßnahme auf dem Acker, welcher als landwirtschaftliche Fläche im B-Plan eingetragen ist, ausüben? Es geht nur um ein Doppelcarport und Geräteschuppen.
4. September 2020 | 00:33

Antwort

von


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37085 Göttingen
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E-Mail: verwaltungsrecht@rkm-goettingen.de
Sehr geehrte Fragestellerin,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Der Erwerbsobstbau ist Landwirtschaft (§ 201 des Baugesetzbuches - BauGB). Das Setzen von Pflanzen auf dem Grundstück hat selbst keine eigenständige baurechtliche Relevanz. Es geht um das Doppelcarport und den Geräteschuppen. Ihr Grundstück wird aber trotz einer vielleicht bestehenden Satzung im Außenbereich liegen.

In Ihrem Fall ginge es "nur" um eine Nebenerwerbslandwirtschaft. Diese ist nicht stets von einer Privilegierung ausgeschlossen, sie muss aber einen nachhaltigen Beitrag zur Sicherung der Existenz des Bauherrn dienen und auf Dauer angelegt sein. Notwendig ist dabei eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles. Die Gewinnerzielung ist dabei ein Indiz, dem bei kleiner Nutzfläche aber erhöhte Bedeutung zukommt. Das Ganze muss als Betrieb stattfinden, also in einer besonderen organisatorischen Einheit.

Im einzelnen das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 16. Dezember 2004 – 4 C 7/04 –, Rn. 10 und 12, juris):

[i][...] Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Senats, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb durch eine spezifisch betriebliche Organisation gekennzeichnet ist, dass er Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung erfordert und dass es sich um ein auf Dauer gedachtes und auf Dauer lebensfähiges Unternehmen handeln muss (BVerwG, Urteil vom 4. März 1983 - BVerwG 4 C 69.79 - BRS 40 Nr. 71; Beschluss vom 2. Juli 1987 - BVerwG 4 B 107.87 - RdL 1987, 232; Beschluss vom 9. Dezember 1993 - BVerwG 4 B 196.93 - BRS 56 Nr. 71). [...]

[...]

[...] Die Absicht der Gewinnerzielung gehört nach § 201 BauGB nicht nur bei Voll-"Erwerbs"-, sondern auch bei Neben-"Erwerbs"-Betrieben zu den prägenden Elementen der Landwirtschaft (Wiesen- und Weide-"Wirtschaft"; "Erwerbs"-Obstbau; "berufsmäßige" Imkerei und Binnenfischerei). Sie ist nach der Rechtsprechung des Senats ein für die Ernsthaftigkeit des Vorhabens und die Sicherung der Beständigkeit gewichtiges Indiz, das besonders sorgfältig zu prüfen ist, wenn es wie hier um eine Nebenerwerbsstelle geht (vgl. Beschluss vom 20. Januar 1981 - BVerwG 4 B 167.80 - <a href="http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=BRS%2038%20Nr.%2085" target="_blank" class="djo_link" title="BVerwG, 20.01.1981 - 4 B 167.80: "Nachhaltigkeit" als Voraussetzungen für die Privilegierung ei...">BRS 38 Nr. 85</a>; Urteil vom 11. April 1986 - BVerwG 4 C 67.82 - BRS 46 Nr. 75; Beschluss vom 21. Juli 1986 - BVerwG 4 B 138.86 - a.a.O.); denn Bauanträge für Nebenerwerbsstellen sind in erhöhtem Maße dafür anfällig, dass ein Bauherr Ackerbau, Wiesen- oder Weidewirtschaft mehr oder weniger vorschiebt, um unter dem Deckmantel des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Außenbereich ein Wohnhaus errichten zu können. [...][/i]

Es geht also um den Rechtsbegriff des landwirtschaftlichen Betriebes, der einige materielle Voraussetzungen hat.

Ihr Vorhaben wird daher leider wenig Aussicht auf Realisierung haben.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben, und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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