Antwort
vonRechtsanwalt Manfred A. Binder
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vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich aufgrund Ihrer Angaben und der Höhe Ihres Einsatzes wie folgt beantworte.
Sie greifen vorliegend eine Thematik auf, die immer wieder Gegenstand von Entscheidungen des BVerfG war, ist und werden wird.
Dies liegt daran, dass das Recht auf Eigentum nicht schrankenlos gewährt wird und zudem das Eigentum verpflichtet. Der Gebrauch des Eigentums soll zugleich auch dem Allgemeinwohl dienen, Art. 14 Abs. 1 u. 2 GG.
Art. 14 Abs. 1 GG stellt den Inhalt und die Schranken des Grundrechtsschutzes unter einen Gesetzesvorbehalt, dh., dass der Grundrechtsschutz des Eigentums durch Gesetze eingeschränkt werden kann.
Dies geschieht im Bereich des immobiliaren Eigentum unter anderem durch die Bestimmungen im BGB über das Mietrecht. Die Beschränkungen des Mietrechts, insbesondere die Beschränkungen des Kündigungsrechts, von Mieterhöhungen, Mietpreisbindungen und Zweckentfremdungsverbote für Wohnraum sind solche zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen, BVerfGE 68, 369 ff., BVerfG 71, 247; 79, 84; BVerfGE 87, 146; BVerfGE 38, 71. Die Sozialbindung des Eigentums, das in Art. 14 Abs. 2 GG manifestiert ist, umfaßt das Gebot der Rücksichtnahme auf die Belange der Allgemeinheit und der Mitbürger. Damit wird eine Grundpflicht des Eigentümers statuiert und zugleich das Sozialstaatsgebot nach Art. 20 Abs. 1 GG konkretisiert. Das Maß und der Umfang der dem Eigentum von Verfassungs wegen zugemuteten und vom Gesetzgeber gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu realisierenden und zu aktualisierenden Bindungen hängen davon ab, ob und in welchem Ausmaß das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht. In der Entscheidung BVerfGE 21, 73 ff. hat das BVerfG folgender Weise argumentiert:
„Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen; eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen, als bei anderen Vermögensgütern“. Es kann also gesagt werden, dass je stärker andere auf die Nutzung fremden Eigentums angewiesen sind, um so weiter ist der Gestaltungbereich des Gesetzgebers. Wie weitgehend die Inhalts- und Schrankenbestimmungen gehen dürfen, ist also eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Gerade die Vorschriften über das Kündigungsrecht von Wohungraumeigentum unterliegen einer Abwägung der Interessen der Beteiligten.
Wenn man das Grundrecht auf Eigentum isoliert betrachen will, sprich schrankenlos, dann verstößt fast jede Bestimmung des BGBs über das Mietrecht gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
Die von Ihnen angeführte Privatautonomie ist ein Teil des allgemeinen Prinzips der Selbstbestimmung des Menschen und wird zumindest in Ihrem Kern durch Art 1 und 2 GG geschützt. Ihre Haupterscheinungsformen sind neben der Vereinigungsfreiheit, die Freiheit des Eigentums, die Testierfreiheit sowie die Vertragsfreiheit. Die Privatautonomie gehört zu den unverzichtbaren Grundwerten einer freiheitlichen Rechts- und Verfassungsordnung. Es darf aber nicht vergessen werden, dass sie auch die Gefahr des Missbrauchs in sich birgt und als Instrument gesellschaftlicher Machtausübung benutzt werden kann. Derartigen Missbrauch zu begegnen, ist in einer sozialstaatlichen Rechtsordnung eine der vornehmsten Aufgaben der Gesetzgebung und der Rechtssprechung, (Pal. BGB, vor § 104, Rd. 1). Die Privatautonomie und im besonderen Maße die Vertragsfreiheit und die Freiheit des Eigentums dürfen daher nur eingeschränkt werden, soweit sie gegen geltende Gesetze, gesetzliche Verbote und die guten Sitten verstoßen. Sie unterliegen daher den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung. Und diese gebietet,, sozialem und wirtschaftlichem Ungleichgewicht entgegenzuwirken.
Diese Einschränkungen sind die von Ihnen genannten „Reibungsstellen“ und unterliegen der Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit.
Der Gesetzgeber hat sich mit den Bestimmungen über das Mietrecht, insbesondere darin das Kündigungsrecht, eher an sozialen Gesichtspunkten als an wirtschaftlichen Interessen der Eigentümer orientiert. Obwohl das mE. in Teilen zu weitreichend ist, kann von verfassungswidrigen Bestimmungen nicht die Rede sein, (s.o.).
Ich hoffe, dass ich Ihnen in Ihrer Angelegenheit weiterhelfen konnte. Bei Unklarheiten verweise ich auf die kostenlose Nachfrageoption.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred A. Binder
Rechtsanwalt
info@ra-manfredbinder.de
Ich darf schließlich noch auf Folgendes hinweisen:
Durch Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben Ihrerseits kann die rechtliche Beurteilung anders ausfallen, so dass die Beratung innerhalb dieses Forums lediglich eine erste rechtliche Orientierung in der Sache darstellt und keinesfalls den Gang zu einem Kollegen vor Ort ersetzen kann.
Zum Thema Kündigungsrecht kenne ich eher andere Urteile, ich erwhne nachfolgend welche.:
Lt. diesem Urteil http://www.mietrecht.unser-forum.de/?show=hSfo
gab es durchaus schon mal Beanstandungen zum anderen Mietrecht bezgl. Eigenbedarf.
Dieser Paragraph wurde trotz des Urteil nicht abgeändert soweit ich weiss, ist dies nicht rechtsunwirksam dann ?
Das Gericht bezog sich zudem auf Art. 14 GG, dass ja eigentlich bis Artikel 20 zu den Ewigkeitsgesetzen zählt, die niemals geändert werden dürfen und nahm zum GG Stellung, nicht aber zum betreffenden Paragrahen, der somit geändert werden sollte, damit aus dem Mietrecht kein Gerichtsrecht wird.
Die Parteien haben jedenfalls nach hießiger Rechtssprechung der höchsten Gerichte offenbar keine Rechte, den Art. 14 oder andere Artikel zu ändern, dass sie dies in letzter Zeit getan haben, ist nach meiner Meinung falsch.
Erlauben sie mir abschliessend noch eine persönliche Note.:
So wie ich dies verstanden habe, haben Privatleute geklagt und nicht der Haus und Grundbesitzerverein.
Ich lese sehr viele Urteile, die von den Mietervereinen für Mieter erstritten werden aber kaum Urteile von Vermietervereinen, ich denke, wenn diese Vereine mehr tun, könnten sie sicher für ihre Mitglieder also Interessengruppen mehr erreichen, dies ist mein empfinden.
Sind dei von ihnen genannten Urteile des Bundesverfassungsgerichtes einzelne Urteile oder gibt es auch gegenteilige Urteile dazu beim Bundesverfassungsgericht ?
Durch die zurückgehende Bevölkrung gibt es doch genügend Wohnraum, die Not an Wohnungen zu kommen wird immer weniger, im Ruhrgebiet haben wir eine Lererstandsquote und der Staat unterstützt den Bau neuer Häuser und Sozialwohnungen.
Wenn man danach geht und die von ihnen genannten Urteile zu Rate nimmt, zwingt sich doch hier eine Gesetzesänderung zum Wohle des Vermieters geradezu auf, da wie sie selber sagen, die GEsetzgebung sich am Wohle der Nötigkeit fremden Eigentums durch Mieter zu benutzen bezieht.
Wenn man nun bedenkt, dass Grund und Boden für die Allgemeinheit wichtig ist, rechtfertigen hier die hohe Grundsteuer des Erwerbers nicht und außerdem ist es doch so, dass Bauland billig sein sollte, Häuser auch, damit der Grund gut verwertet werden kann.
Warum nun das freie Vertragsrecht missbräuchlich genutzt werden kann, verstehe ich nicht, ein Bürger über 18 ist mündig, wenn er eine Straftat begeht, kann man auch nicht sagen, er wusste nicht, dass das strafbar sei, im Zivilrecht sollte es ähnlich sein und man sollte von einem mündigen Bürger erwarten können, dass er sich vorher informiert bevor er beispielsweise einen Mietvertrag unterzeichnet, der nicht einwandfrei ist.
Im letzten Satz scheinen sie sich zu widersprechen, sie sagen, es ist zu weitgehend aber nicht verfassungswidrig, dass das Mietrecht so geändert wurde, wie darf ich das verstehen ?
Im Artikel 20 GG steht zudem nur, dass wir ein sozialer Rechtsstaat sind, dass wird da nicht näher definiert.
Ich möchte sie abschliessend nochmal kurz zu sagen, ob sie in allen Mietgesetzen eine 100 % Verfassungsmäßigkeit entdecken können oder kann es sein, dass das Mietrecht an einigen wenn auch wenigen Punkten mit Artikeln des GG kollidiert ?
Danke
Sehr geehrter Fragesteller,
zunächst ist festzuhalten, dass der von Ihnen aufgegriffene Beschluss des BVerfG nicht die Bestimmung des § 564b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB a.F. selbst angreift, sondern das Urteil eines Landgerichts, das bei einer Eigenbedarfskündigung nicht die Wirkungen des Art. 14 GG berücksichtigt hat. In den Urteilsgründen sind die Anforderungen der Eigenbedarfskündigung überspannt worden. Dies ist aber eine Entscheidung eines Gerichts und nicht die des Gesetzgebers.
Auch andere Entscheidungen des BVerfG betreffen nicht die Vorschriften über das Mietrecht, sondern deren Auslegung durch das Gericht.
Da eine gesetzliche Bestimmung eine Vielzahl von Situationen abzudecken hat, ist sie sowohl von der Lehre als auch von der Rechtssprechung für Einzelfälle zu konkretisieren. In diesem Konkretisierungsrahmen müssen dann die jeweiligen Grundrechte miteinfließen. Sofern ein Grundrecht in der Entscheidung des Gerichts keine Berücksichtigung gefunden hat, kann das als Verstoß gegen die Verfassung gewertet werden. Dies betrifft dann aber nicht die Vorschrift selbst, sondern nur deren Auslegung.
Gerade im Rahmen der Eigenbedarfskündigungen haben ordentliche Gerichte die Voraussetzungen der Vorschrift überspannt. Diese Urteile wurden dann vom BVerfG als nicht verfassungsgemäß erklärt.
Der Gesetzgeber kann eine Verfassungsänderung mit 2/3 der Stimmen der Mitglieder des Bundestages und 2/3 der Stimmen des Bundesrates beschließen. Hiervon sind außer Art. 1 und Art. 20 GG die weiteren Grundrecht nicht ausgeschlossen. Sie dürfen jedoch nicht soweit geändert werden, als sie in ihrem Wesensgehalt angetastet werden.
Im Übrigen sind die Entscheidungen des Gesetzgebers politischer Art, die sich aber an den Grundrechten zu messen haben. Dies gilt auch für Gesetzesänderungen, die den Veränderungen in den gesellschaftspolitischen Entwicklungen geschuldet sind. Hier ist aber auch darauf hinzuweisen, dass in anderen Regionen Deutschlands ein Wohnungsmangel herrscht.
Art. 14 GG umfasst den Schutz des Eigentums, nicht aber Gewinnchancen oder Verdienstmöglichkeiten. Genausowenig ist aus Art. 14 GG bei Grundstücken ein Anspruch auf Einräumung derjenigen Nutzungsmöglichkeiten herzuleiten, die dem Eigentümer den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil verspricht,(BVerfGE 58, 345).
Die Einschränkungen der Vertragsfreiheit in Form von gesetzlichen Bestimmungen, Verbotsgesetzen und den guten Sitten ergeben sich ua. aus der Notwendigkeit, dass Rechtssubjekte mit unterschiedlicher Machtfülle (sei es aus finanziellen Mitteln oder ...) ausgestattet sind. Es ist zwar zutreffend dass der Bürger mit Vollendung des 18. Lebensjahres mündig ist, aber das bedeutet noch lange nicht, dass er in einer Notsituation eine rationale Entscheidung trifft. Überdies können Situationen vorliegen, in den Menschen, weil sie von anderen wirtschaftlich, sozial... abhängig sind, über Gebühr ausgenutzt werden.
Und in diesem Sinne kann eine ohne Schranken gewährte Vertragsfreiheit rechtsmissbräuchlich sein.
Zu der Nachfrage via E-Mail ist anzufügen, dass sich die ZV zur Erwirkung der Herausgabe von Grundstücken (Wohungen) nicht nach § 750 ZPO richtet, sondern nach § 885 ZPO.
Aber auch hier muss der Vermieter gegen den Untermieter einen Titel erwirken – auch wenn die Untermiete nicht offengelegt worden ist. Allerdings wird der permanente Wechsel des Untermieters, um einer Räumung der Wohung zu entgehen, als rechtsmissbräuchlich einzustufen sein.
Zum Schluss darf ich noch anfügen, dass ich keinen Widerspruch in meiner Formulierung über die zu weitreichende Wirkung des Mieterschutzes versus Verfassungsmäßigkeit des Mietrechts finden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred A. Binder
Rechtsanwalt