123Umzugshelfer

23. Juni 2025 15:29 |
Preis: 40,00 € |

Transportrecht, Speditionsrecht


Beantwortet von


in unter 1 Stunde
Am 13.06. für unseren Verwandten, Jürgen 83 Jahre, mit dem o.g. Umzugsunternehmen ausführlich telefoniert und das Ergebnis an Jürgen gesendet, mit der Bitte um Unterschrift. Der Umzug sollte am 23.06. stattfinden. Die Anzahlung i.H. von 1.140 (von 1.950 gesamter Umzug) Euro erfolgte am selben Tag. Im Nachgang fiel uns u.a. auf, dass keine ausdrückliche Widerrufsbelehrung erfolgte. In den AGBs ist lediglich unter Pkt. 10 Kündigung oder Rücktritt vom Vertrag angegeben "... es gelten die einschlägigen Bestimmungen des § 415 HGB und § 346 ff BGB ...". Somit hat Jürgen den Vertrag am 16.06. per Mail widerrufen/storniert/gekündigt und die Forderung gestellt, die Anzahlung erstattet zu bekommen, am 17.06. nochmals auf Widerruf hingewiesen - wieder ohne Reaktion. 18.06. 123 Umzugshelfer reagiert: Wertet die Angelegenheit als Kündigung da Auftrag nicht widerrufbar; gem. BGB § 312G Abs. 2 Nr. 9. Fordert Schadenersatz i.H. von 495 €, zahlbar innerhalb von 7 Werktagen. Somit ergibt sich eine Forderung i.H. von 80 % des gesamten Umzugs, Hiermit stellt sich für uns die Frage, ob der Auftrag rechtskräftig ist bzw. welche Forderungen seitens 123Umzughelfer rechtens?
23. Juni 2025 | 15:57

Antwort

von


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Sehr geehrte Fragestellerin,

nach Ihrer Schilderung wurde am 13.06. ein Umzugsvertrag für Jürgen (83 Jahre) mit dem Umzugsunternehmen geschlossen. Die Anzahlung erfolgte, der Umzug war für den 23.06. geplant. Am 16.06. erfolgte der Widerruf/Kündigung per E-Mail, am 18.06. forderte das Unternehmen 495 € Schadenersatz und verweist auf den Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB.

Im Folgenden erläutere ich die Rechtslage zu den einzelnen Aspekten:

1. Vertragsschluss und Anwendbarkeit des Widerrufsrechts

a) Vertragsschluss

Ein Vertrag ist durch Angebot und Annahme zustande gekommen. Die Anzahlung und die Kommunikation bestätigen dies.

b) Widerrufsrecht

Nach § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB besteht kein Widerrufsrecht bei Verträgen über Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht. Dies gilt auch für Umzugsverträge:

„Nach § 312 g Abs. 2 Nr. 9 BGB ist ein Widerruf von Verträgen zur Erbringung von Dienstleistungen der Warenbeförderung, die zu einem bestimmten Termin zu erbringen sind, ausgeschlossen."

Dieser Ausschluss soll nach der Rechtsprechung des OLG Saarbrücken auch für die Beförderung von Umzugsgut gelten.

Das Unternehmen hat sich also zu Recht auf den Ausschluss des Widerrufsrechts berufen.

c) Informationspflicht über das Nichtbestehen des Widerrufsrechts

Das Unternehmen hätte Sie jedoch über das Nichtbestehen des Widerrufsrechts informieren müssen (Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB). Fehlt diese Information, kann dies nach überwiegender Auffassung in der Literatur einen Anspruch auf Vertragsaufhebung begründen.

Es gibt jedoch keine höchstrichterliche Rechtsprechung dazu, sodass ein gewisses Prozessrisiko verbleibt.

2. Kündigung des Umzugsvertrags

Da das Widerrufsrecht ausgeschlossen ist, ist die Erklärung vom 16.06. als Kündigung des Umzugsvertrags zu werten.

a) Rechtsfolgen der Kündigung

Nach § 415 HGB kann das Umzugsunternehmen bei Kündigung durch den Auftraggeber eine sogenannte Fautfracht verlangen:

Das bedeutet:

Pauschal kann das Unternehmen ein Drittel (33,3%) der vereinbarten Fracht verlangen.
Mehr als ein Drittel darf nur verlangt werden, wenn das Unternehmen konkret nachweist, dass der Schaden höher ist (z.B. durch detaillierte Aufstellung der entgangenen Einnahmen und nicht ersparter Aufwendungen).

b) AGB-Klausel
Die AGB verweisen auf § 415 HGB und § 346 ff. BGB. Das ist zulässig, solange keine weitergehenden, für den Kunden nachteiligen Regelungen getroffen werden.

3. Berechnung der Forderung

Gesamtkosten des Umzugs: 1.950 €
Ein Drittel davon: 650 €

Das Unternehmen fordert 495 € Schadenersatz. Das entspricht etwa 25 % des Gesamtpreises und liegt unterhalb der pauschalen Fautfracht von 33,3 %. Diese Forderung ist daher rechtlich zulässig.

Die Anzahlung von 1.140 € übersteigt jedoch die geforderte Fautfracht. Das Unternehmen muss daher den übersteigenden Betrag (1.140 € - 495 € = 645 €) an Jürgen zurückzahlen.

4. Zusammenfassung und Empfehlung

Der Vertrag ist wirksam zustande gekommen.
Ein Widerrufsrecht besteht nicht, da es sich um einen Umzug zu einem festen Termin handelt (§ 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB).
Die Kündigung ist wirksam; das Unternehmen kann pauschal ein Drittel der Fracht verlangen, sofern kein höherer Schaden nachgewiesen wird.
Die Forderung von 495 € ist rechtens, da sie unter dem pauschalen Drittel liegt.
Die Anzahlung ist zu hoch; das Unternehmen muss den Differenzbetrag zurückerstatten.


[b]5. Fazit
Das Umzugsunternehmen kann im Rahmen der gesetzlichen Regelungen maximal ein Drittel der vereinbarten Fracht als Schadenersatz verlangen, sofern kein höherer Schaden nachgewiesen wird. Die Forderung von 495 € ist daher zulässig. Die Anzahlung ist entsprechend zu verrechnen und der übersteigende Betrag zurückzuzahlen.
Hinweis: Da die Informationspflicht über das Nichtbestehen des Widerrufsrechts nicht erfüllt wurde, besteht ein gewisses Prozessrisiko, falls Sie auf vollständige Rückzahlung bestehen. Die überwiegende Meinung in der Literatur sieht hier einen Anspruch auf Vertragsaufhebung, höchstrichterliche Rechtsprechung gibt es dazu jedoch m.E. derzeit noch nicht. Dies müsste ggfls. nochmals geprüft werden.
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Ich hoffe, diese Ausführungen helfen Ihnen bei der weiteren Vorgehensweise.

Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Olaf Tank, Wirtschaftsjurist

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