Guten Abend,
es ist absolut bedauerlich, dass Ihre Schwester mit einer so schweren Krankheit zu kämpfen hat. In Bezug auf Ihre Fragen zur Schweizer Invalidenversicherung (IV) und ihrer möglichen Rente sowie den Auswirkungen auf die deutsche Sozialversicherung, werde ich die wichtigsten Aspekte und mögliche Vorgehensweisen Schritt für Schritt erläutern.:
1. IV-Rentenprüfung und Vorgehensweise:
Die IV-Rentenprüfung ist ein mehrstufiger Prozess, bei dem sowohl medizinische als auch berufliche Aspekte berücksichtigt werden. Im Allgemeinen umfasst das Verfahren folgende Schritte:
Die IV wird in der Regel zunächst die ärztlichen Unterlagen und Behandlungen Ihrer Schwester einholen, insbesondere von den behandelnden Ärzten in der Schweiz und möglicherweise auch aus Deutschland. Die Schweigepflichtsentbindungen ermöglichen es den Ärzten, die relevanten Informationen direkt an die IV weiterzugeben.
Es ist möglich, dass die IV ein medizinisches Gutachten in Auftrag gibt, um eine unabhängige Beurteilung des Gesundheitszustands Ihrer Schwester zu erhalten. In solchen Fällen wird ein Arzt oder eine medizinische Fachperson beauftragt, die Arbeitsfähigkeit und die Prognose für die Zukunft zu bewerten.
Neben den gesundheitlichen Faktoren wird die IV auch prüfen, ob eine Wiedereingliederung möglich ist, entweder im bisherigen Beruf oder in einer anderen zumutbaren Tätigkeit. Da die Wiedereingliederung bei Ihrer Schwester gescheitert ist, könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass eine Rente gerechtfertigt sein könnte.
2. Rentenberechnung
Die Höhe der IV-Rente hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere von:
Invaliditätsgrad:
Der Invaliditätsgrad wird in Prozent berechnet und entscheidet darüber, ob eine Vollrente (ab 70% Invaliditätsgrad) oder eine Teilrente (50–69% Invalidität) gewährt wird.
Versicherungszeit: Entscheidend ist, wie lange und in welchem Umfang Ihre Schwester in der Schweiz Beiträge zur IV gezahlt hat.
Durchschnittliches Einkommen: Die Rente wird auch auf Grundlage des durchschnittlichen Erwerbseinkommens berechnet, das Ihre Schwester in der Schweiz erzielt hat.
3. IV-Rente bei Wohnsitz in Deutschland:
Grundsätzlich haben auch Personen mit Wohnsitz in Deutschland einen Anspruch auf IV-Leistungen, wenn sie vorher in der Schweiz gearbeitet haben. Ein Wohnsitzwechsel nach Deutschland führt also nicht automatisch zum Verlust des Rentenanspruchs, wenn der Versicherungsfall während der Tätigkeit in der Schweiz eingetreten ist.
4. Dauer der IV-Rentenprüfung:
Die Dauer des Prüfungsverfahrens kann stark variieren. Im Durchschnitt dauert die IV-Rentenprüfung etwa 6 bis 12 Monate, je nachdem, wie schnell die erforderlichen medizinischen und beruflichen Informationen eingeholt werden können und ob zusätzliche Gutachten nötig sind.
5. Chancen auf eine IV-Rente:
Die Chancen, eine IV-Rente zu erhalten, hängen maßgeblich vom medizinischen Befund und der Beurteilung des Invaliditätsgrads ab. Da bei Ihrer Schwester bereits eine Wiedereingliederung gescheitert ist und eine weitere Tätigkeit gesundheitlich nicht möglich ist, könnte dies positiv für den Rentenantrag sprechen. Es ist jedoch wichtig, dass die behandelnden Ärzte den Zustand Ihrer Schwester umfassend und klar dokumentieren.
6. Rückwirkende Leistungen:
Die IV-Rente kann rückwirkend gewährt werden, allerdings maximal 12 Monate vor dem Antragsdatum, sofern die Arbeitsunfähigkeit nachweislich bereits seit diesem Zeitpunkt besteht. Voraussetzung dafür ist, dass die gesundheitlichen Probleme und die Arbeitsunfähigkeit durch ärztliche Berichte und Gutachten ausreichend dokumentiert sind.
7. Zusammenarbeit mit der deutschen Sozialversicherung:
Da Ihre Schwester nun in Deutschland lebt, wird auch die deutsche Rentenversicherung in die Prüfung einbezogen, insbesondere im Rahmen der bilateralen Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz. Die deutsche Rentenversicherung wird klären, ob Ansprüche aus der Zeit, in der Ihre Schwester in Deutschland berufstätig war, bestehen.
8. Wiedereingliederung und Teilzeittätigkeit:
Falls Ihre Schwester in Zukunft in Deutschland eine Teilzeit- oder ehrenamtliche Tätigkeit ausüben kann, muss dies der IV gemeldet werden. In solchen Fällen wird die Rente unter Umständen angepasst, je nachdem, wie sich die Arbeitsfähigkeit und das Einkommen verändern. Die IV kann dann eine Teilrente gewähren, wenn eine gewisse Restarbeitsfähigkeit vorliegt.
9. Fallstricke
Achten Sie darauf, dass alle Änderungen des Gesundheitszustands oder der Arbeitsfähigkeit Ihrer Schwester rechtzeitig bei der IV gemeldet werden, um Missverständnisse oder eine Kürzung der Rente zu vermeiden.
Doppelte LeistSollte Ihre Schwester gleichzeitig von der deutschen Rentenversicherung Ansprüche haben, wird eine mögliche Anrechnung auf die IV-Rente geprüft. Hier ist eine Abstimmung zwischen beiden Versicherungen notwendig.
Viele Grüße
Antwort
vonRechtsanwalt Valentin Becker
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Folgende Frage wurde für mich nicht ausreichend beantwortet: Eine Wiedereingliederung in D ist ohne Arbeitsplatz m. E. nicht möglich. Wie kann man hier vorgehen?
Ist das so? Ist eine Wiedereingliederung ohne Job nicht möglich? Oder geht so etwas evtl. über Maßnahmen des Arbeitsamtes?
Die Schweizer Invalidenversicherung (IV) prüft im Allgemeinen zunächst Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, bevor sie über einen Rentenanspruch entscheidet. Wenn eine Wiedereingliederung aufgrund des Gesundheitszustands nicht möglich ist, kann dies ein Grund für die Gewährung einer Rente sein. In diesem Fall prüft die IV:
- Ob eine vollständige oder teilweise Rente gewährt werden kann.
- In welchem Ausmaß eine Arbeitsfähigkeit besteht.
- Wenn die Wiedereingliederung auf dem 2. Arbeitsmarkt gescheitert ist und auch eine gesundheitliche Beeinträchtigung für andere berufliche Tätigkeiten besteht, erhöht das die Chancen, dass der Rentenanspruch bewilligt wird. Es kann hilfreich sein, dies mit medizinischen Gutachten und Berichten zu belegen, die den Gesundheitszustand und die Unfähigkeit zur Wiedereingliederung dokumentieren.
2Wiedereingliederung in Deutschland:
In Deutschland ist eine Wiedereingliederung auch ohne einen konkreten Arbeitsplatz möglich. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Bei schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen können medizinische Rehabilitationsmaßnahmen oder eine berufliche Wiedereingliederung von der Deutschen Rentenversicherung unterstützt werden. Dabei wird geprüft, inwieweit eine Rückkehr in den Arbeitsmarkt möglich ist.
Das Arbeitsamt bietet über das SGB II (Grundsicherung) oder SGB III (Arbeitslosengeld) verschiedene Programme zur Wiedereingliederung an. Dazu gehören z. B.:
- Umschulungen oder Qualifizierungsmaßnahmen, wenn eine Rückkehr in den alten Beruf aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht möglich ist.
- Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA), die sich darauf konzentrieren, Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das kann durch spezialisierte Jobberatung, Training oder unterstützte Beschäftigung geschehen.
- Falls Ihre Schwester als schwerbehindert eingestuft wird oder eine drohende Behinderung vorliegt, könnte die Agentur für Arbeit oder das Integrationsamt ebenfalls bei der beruflichen Rehabilitation und Wiedereingliederung helfen.
Zusätzliche Unterstützung durch Krankenkasse und Versicherungen:
Es wäre auch ratsam, mit der Krankenversicherung Ihrer Schwester zu sprechen. In einigen Fällen bieten Krankenkassen eigene Programme zur Unterstützung bei der Wiedereingliederung an. Außerdem sollten mögliche berufliche oder private Invaliditätsversicherungen (sofern vorhanden) geprüft werden, da diese in solchen Fällen ebenfalls Leistungen bieten können.
In Deutschland gilt aber in Bezug auf Ihre Frage, ob eine Wiedereingliederung ohne Job nicht möglich ist bzw. so etwas evtl. über Maßnahmen des Arbeitsamtes geht, kann ich Ihnen folgendes abschließend mitteilen:
Arbeitsunfähig Erkrankte können in Deutschland im Rahmen einer sog. stufenweisen Wiedereingliederung durchaus nach einem ärztlichen Plan ohne Entgelt in einem Betrieb tätig werden (§ 74 SGB V)! Die Arbeitsunfähigkeit besteht während der Widereingliederung fort, da eine „Teilarbeitsunfähigkeit" im geltenden Arbeits- und Sozialrecht unbekannt ist (hierzu BAG, Urt. v. 13.6.2006 – 9 AZR 229/05). Krankenkassen (§ 74 SGB V) und die sonstigen Sozialversicherungsträger (§ 28 SGB IX) fördern deshalb die stufenweise Wiedereingliederung des Arbeitnehmers in das Erwerbsleben (den zuständigen Reha-Träger könnten Sie etwa hier finden: https://www.reha-zustaendigkeitsnavigator.de/einstieg.html). Während der beruflichen Rehabilitation erhält der weiterhin arbeitsunfähige Mitarbeiter die ihm sozialrechtlich zustehenden Leistungen!
Arbeitsrechtlich bedarf die Maßnahme wegen der vom Arbeitsvertrag abweichenden Beschäftigung grundsätzlich der Zustimmung des Arbeitgebers. Entgeltansprüche entstehen nicht (hierzu BAG, Urt. v. 29.1.1992 – 5 AZR 37/91). Für die Dauer der stufenweisen Wiedereingliederung besteht kein Arbeitsverhältnis, sondern ein Rechtsverhältnis eigener Art (§ 305 BGB) und der Beschäftigte unterliegt z. B. auch nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers....
Beste Grüße und alles Gute für Ihre Schwester!