Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
nach erster Einschätzung Ihres Anliegens denke ich schon, dass anhand Ihrer Schilderung genügend Anhaltspunkte vorhanden sind, um einer Räumung mit rechtlichen Argumenten entgegenzutreten.
Ob Sie damit vor Gericht Bestand haben können, kann an dieser Stelle jedoch noch nicht genau prognostiziert werden.
Zum Einen verhält es sich so, dass ein mündlicher Nutzungsvertrag durchaus eine gewisse Gültigkeit je nach der Beweisbarkeit der getroffenen Vereinbarungen aufweist.
Es muss auch keine besondere Art der Nutzung, z.B. Miete (§ 535 ff. BGB
) oder Pacht (§ 581 ff. BGB
) nachgewiesen werden.
Nach Ihren Angaben hat hier nicht nur die vorübergehende Duldung, sondern auch die Förderung einer auf gewisse Dauer angelegten Nutzung und der damit verbundenen Umgestaltung des Ackerlands zu einem Garten für Ihre Familie stattgefunden, nachdem ja sogar Ihr Vater selbst freiwillig aktive Mithilfe zu Ihrem Vorteil geleistet hat.
Des Weiteren war allen Beteiligten jedenfalls bewusst, dass eine Gartennutzung aufgrund der örtlichen baurechtlichen Gegebenheiten auch noch längerfristig möglich ist.
Im Falle eines Räumungsrechtsstreits wird es daher darauf ankommen, zu beweisen, dass eine solche langfristige Nutzung von beiden Seiten auch gewollt war und dass die Nutzung - z.B. aufgrund Ihrer Investition - alleine Ihnen und Ihrer Familie vorbehalten werden sollte.
Auch ohne vorliegenden Vertrag könnten Sie sich gegebenenfalls auf das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB
berufen:
Da Sie im Vertrauen auf die Gültigkeit einer jedenfalls naheliegenden langfristigen Nutzungserlaubnis hier langfristige und umfangreiche Dispositionen getroffen haben, würde Sie es unverhältnismäßig belasten, wenn Sie nun zur Räumung und somit auch zum aufwändigen Rückbau verpflichtet würden. Dem steht aber kein schutzwürdiges Interesse Ihrer Eltern gegenüber, aus dem diese ihr an sich bestehendes Eigentumsrecht ausüben, um etwa wegen eines Wunsches nach Eigennutzung das Ackerland als solches wieder in Besitz zu nehmen.
Ein solches Ergebnis ist aber nicht nach dem in § 242 BGB
niedergelegten Grundsatz von Treu und Glauben vereinbar, soweit sich die Ausnützung des Rechts wegen Fehlens eines schutzwürdigen Eigeninteresses als rechtsmissbräuchlich darstellt, ebenso wenn unlautere Zwecke oder Motive vorliegen.
Auch das widersprüchliche Verhalten, nachdem Ihnen eine dauerhafte Nutzung für viele Jahre in Aussicht gestellt wurde oder jedenfalls schon über einen längeren Zeitraum (hier drei Jahre) aktiv gewährt worden ist, jetzt ohne erkennbaren Anlass die Räumung zu verlangen, kann treuwidrig im Sinne des § 242 BGB
sein.
Dies wird insbesondere dann angenommen, wenn durch das Verhalten des Berechtigten (Ihre Eltern) ein Vertrauenstatbestand entstanden ist, und der andere Teil (Sie) im Hinblick hierauf bestimmte Dispositionen getroffen hat.
Nach ständiger Rechtsprechung muss sich derjenige, der über einen längeren Zeitraum eine (stillschweigende) rechtliche Regelung in einem bestimmten Sinn ausgelegt hat, sich daran festhalten lassen, wenn der andere Teil sich auf eine gleichbleibende Einstellung eingerichtet hat (RGZ 144, 92; BGH LM WZG 1 Nr. 5).
Auch ist zu Ihren Gunsten die familiäre Beziehung zum Grundstückseigentümer zu berücksichtigen, denn je stärker die rechtliche Sonderverbindung zwischen den Parteien ist, desto eher sind die Gericht geneigt, auf den Grundsatz von Treu und Glauben zurückzugreifen.
Zum Anderen ist hier zumindest zweifelhaft, ob bzw. inwieweit Ihre Eltern ihrer Verfügungsmacht über das Teilgrundstück gegenüber dem Pächter der gesamten Ackerfläche verlustig gegangen sind.
Hierzu müsste man die internen vertraglichen Bedingungen und die Umstände des Zustandekommens näher untersuchen, um klarer zu sehen.
Eine Zwangsräumung steht jedenfalls derzeit nicht bevor. Wenn Sie überhaupt nichts unternehmen, werden Ihre Eltern zunächst den gerichtlichen Weg im Wege des Erkenntnisverfahrens beschreiten müssen, bevor sie einen Titel erwirken können, und haben dann jedenfalls auch noch eine vom Gericht zu bestimmende Räumungsfrist einzuhalten.
Im gleichen Maße ist auch eine Inbesitznahme Ihres Inventars durch Ihre Eltern nicht erlaubt.
Ein Selbsthilferecht ist nicht gegeben.
Sie tragen somit zunächst „nur“ das Risiko, im Falle des Unterliegens die Kosten des Rechtsstreits tragen zu müssen.
Zu den konkreten Erfolgsaussichten sollten Sie nach Möglichkeit noch einen Kollegen vor Ort befragen, der dann auch Ihre Interessenwahrnehmung im streitigen Verfahren übernehmen kann. Ich denke, dass sich dies für Sie durchaus lohnen kann.
Gerne übernehme auch ich Ihre Vertretung, wenn dies erforderlich wird und Sie mich hierzu beauftragen möchten.
Für eine kostenlose Rückfrage stehe ich Ihnen natürlich auch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt
Diese Antwort ist vom 22.07.2006 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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hallo, vielen Dank für Ihre ausführliche und auch motivierende B eratung. Wir waren in dem fall schon recht hoffnungslos eingestellt und haben uns nun entschlossen, nicht zu räumen.
Wir hoffen nur, daß wir hier vor Ort einen Anwalt finden, der über die entsprechende Kompetenz verfügt-leider sind sie zu weit weg.
Meine frage: Sollen wir bereits jetzt einen anwalt konsultieren oder erst einmal abwarten, bis irgendwas von gericht auf uns zu kommt? Kosten-Nutzen (ich bin mir nicht sicher, ob meine rechtsschutz hierfür einspringt, wir haben zwar zusätzlich noch eigentümer-RS aber für die nutzung eines Gartens nichts extra);
Wir haben uns auch jetzt mittlerweile entschlossen, auf Grund der Anfeindungen und Gängeleien meiner eltern, uns ein neues Haus zu bauen (rette sich wer kann), so daß wir in spätestens 12 monaten umziehen können-dann wäre sowieso der zeitpunkt, den garten von uns aus freiwillig zurückzugeben;da wir im Ort bauen, bräuchten wir bei umzug und gleichzeitiger räumung auch nicht die teuren thuja-bäume platt machen oder umständliche Fremdeinlagerungen unserer Garteneinrichtung (mit damit verbundenem Schaden für uns).Wäre dies nicht auch noch mit ein brauchbares Argument für die Abwehr einer evtl. bevorstehenden Räumungsklage?
all unsere Freunde, Nachbarn und Schwiegereltern haben uns nun auch noch mal extra angespornt, nicht einfach aufzugeben.
Wir haben erst kürzlich aus gleichen Motiven meiner Eltern einen seit 13 Jahren genutzten Kellerraum geräumt, der rechtlich ihnen gehört. (Elternhaus und unser Haus sind aneinandergebaut auf einem Grundstück mit je 50% Teileigentum)
Sollte ich ihnen zur beantwortung zu viele nachfragen gestellt haben, die den rahmen des honorars überziehen, lassen sie es mich bitte wissen
viele grüße m.g.
Sehr geehrter Ratsuchender,
Sie sollten vor Ablauf der Ihnen gesetzten Frist auf das anwaltliche Schreiben reagieren und Ihren Standpunkt noch einmal verdeutlichen, vor allem sollten Sie sich auf das Vorliegen einer mündlichen Nutzungsvereinbarung berufen. Nach Möglichkeit sollte dieses Schrieben anwaltlich verfasst sein, um Ihrem Anliegen mehr Nachdruck zu verleihen.
Inhalt des Schreibens sollte aufgrund Ihrer neuen Pläne außerdem ein konkretes Angebot zur außergerichtlichen Einigung sein, in dem Sie z.B. Räumung zum 31.07.2007 (sowie gegebenenfalls Verzicht auf Schadensersatzansprüche) anbieten.
Vernünftigerweise wird der Anwalt Ihrer Eltern diesen nahe legen, ein solches Angebot zunächst zu überdenken, bevor nunmehr gerichtliche Schritte eingeleitet werden.
Für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung können Sie durch ein außergerichtliches Angebot durchaus Ihre Rechtsposition verbessern. Auch das Gericht wird versuchen, auf eine gütliche Beilegung des Rechtstreit hinzuwirken. In diesem Zusammenhang können Sie auch auf den geringeren Aufwand hinweisen, der bei einem späteren Räumungstermin wegen des Umzugs in einen anderen Garten zu erwarten ist.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt