Sehr geehrter Ratsuchender,
1./5.
Wie Sie bereits selbst voraussetzen, hängt die Entscheidung, ob Sie gegen die einstweilige Anordnung vorgehen oder nicht, von den Erfolgsaussichten in dem Hauptsacheverfahren ab.
In der Tat kann eine Neuberechnung des Unterhalts, die Sie im Rahmen des Verfahrens über die Hauptsache verlangen müssen, für Sie auch zu einer Schlechterstellung führen, wenn Ihre Ehefrau ihrerseits einen entsprechenden eigenen Abänderungsantrag stellt. Dann müsste sich aber auch Ihre unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit entsprechend verbessert haben.
Grundsätzlich kann die Anordnung aufgehoben werden, indem Sie zunächst Abänderungsklage nach § 323
Abs. 1 ZPO
erheben.
Sobald dann eine neuerliche Entscheidung über den Unterhalt rechtskräftig wird, tritt die einstweilige Anordnung mit Wirkung für die Zukunft außer Kraft (620f
Abs. 1 Satz 1 ZPO). Andernfalls „läuft“ die einstweilige Anordnung unbegrenzt weiter, so weit sie inhaltlich reicht, denn es liegt ja insofern ein vollstreckbarer Titel vor.
2.
Wie Ihnen bekannt ist, werden bei Selbstständigen in der Regel die letzten drei Jahre betrachtet und das durchschnittliche Einkommen zur Unterhaltsberechnung herangezogen (BGH FamRZ 1986, 48).
Dies ist aber kein starrer Grundsatz. Vielmehr sind bei Einkommensschwankungen durchaus Korrekturen rechtlich geboten, wenn feststeht, dass sich das Einkommen nicht unwesentlich und nachhaltig geändert hat (OLG München FamRZ 1984, 173). Denn es kommt für eine Abänderung auf die Einkünfte in der Zukunft an, für die der Durchschnittswert aus der Vergangenheit nicht immer eine sichere Prognose darstellt. Zumal bei Ihnen ja die Zeit der Selbstständigkeit für zwei Jahre unterbrochen war.
3.
Wenn Ihr Einkommen bzw. der Unternehmensgewinn kontinuierlich abgesunken ist, und keine Besserung in Sicht ist, wäre es insofern durchaus legitim, wenn Sie nunmehr einen aktuellen Durchschnittswert z.B. auch aus monatlichen Einnahmen-Überschussrechnungen zur Grundlage Ihrer Abänderungsklage machen. Allerdings kann auch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens noch die Vorlage weiterer, Einkommensnachweise für die folgenden nächsten Monaten anfallenden erforderlich werden. Denn es ist Sache des Tatrichters, im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 286
ZPO), die Länge des zu berücksichtigenden Zeitraums - z.B. die jeweils letzten zwölf Monate - festzulegen, um eben eine möglichst sichere Prognose abgeben zu können. Im Übrigen kann in dieser Konstellation von Ihnen in der Zukunft auch öfter als nur alle zwei Jahre ein Einkommensnachweis gefordert werden, wenn sich doch abzeichnet, dass Sie später wesentlich höhere Einkünfte erzielen (Auskunftspflicht nach § 1605
Abs. 2 BGB
).
Problematisch ist jedoch immer die Frage, inwieweit Ihnen ein unterhaltsrechtliches Verschulden anzulasten ist - wenn Sie es also absichtlich unterließen, zumutbare Erwerbstätigkeit aufzunehmen, die besser bezahlt ist - oder bei sittlichem Verschulden nach § 1611 BGB. In diesem Fall kann auch früheres, höheres Einkommen unter dem Gesichtspunkt der mutwilligen Herbeiführung der Leistungsunfähigkeit fiktiv unterstellt werden.
Dieser Vorwurf trifft Sie aber nicht, soweit Sie Ihre wirtschaftliche Situation durch die Aufnahme der selbstständigen Arbeit stabilisieren.
4.
Die Gerichte erkennen zunehmend private Altersvorsorge in angemessenem Maß an, wie insbesondere in einer relativ neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach nicht nur ein Betrag von bis zu 4% des Einkommens des Vorjahres auf die Seite gelegt werden darf, sondern auch der Erwerb von Grundeigentum für die Altersvorsorge grundsätzlich für unterhaltsrechtlich zulässig erklärt wird (BGH, Urteil vom 11.05.2005, Az. XII ZR 211/02).
Dem steht allerdings im Einzelfall der Grundsatz entgegen, dass der nur der Erhalt von Vermögen des Unterhaltsschuldners, nicht aber dessen Vermehrung schützenswert ist, wenn hier also der Wert der Immobilie unverhältnismäßig hoch ist.
Das ist wiederum insoweit nicht der Fall, als die Immobilie auch selbst bewohnt wird (vgl. OLG München FamRZ 2000, 307). Dann müssen Sie sich aber auf der anderen Seite einen Wohnwertvorteil entgegenhalten lassen, soweit er die Wohnkosten übersteigt.
6.
Allerspätestens wenn die Kinder aus dem Haus sind und keine Unterhaltsverpflichtungen mehr in dieser Richtung bestehen, muss sich die geschiedene Ehefrau vollständig selbst unterhalten. Eine Unterhaltsverpflichtung kann dann nur noch bestehen, wenn sie nicht mehr arbeitsfähig ist oder sonst wegen Krankheit, Gebrechens oder Alter, auf der Grundlage der §§ 1571
ff. BGB.
Aber auch schon viel früher wird der geschiedenen Ehefrau und Mutter nach der Rechtsprechung zu § 1570
BGB abverlangt, zumindest eine erreichbare und zumutbare Halbtagstätigkeit anzunehmen, und zwar in der Regel,
„wenn das jüngste Kind in die dritte Grundschulklasse kommt. Ab Beginn der dritten Grundschulklasse bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres des jüngsten Kindes besteht in der Regel eine Obliegenheit zur teilweisen, danach zur vollen Erwerbstätigkeit. Davon kann abgewichen werden, vor allem bei mehreren Kindern oder bei Fortsetzung einer bereits vor Trennung nicht wegen einer Notlage ausgeübten Tätigkeit“ (Ziff. 17.1 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland – SüdL
).
7.
Es ist an dieser Stelle wirklich kaum einzuschätzen, welche konkrete Entscheidung zu treffen ist. Eine umfassende Unterhaltsberechnung würde hier Licht ins Dunkel bringen.
Nach Ihrer Schilderung können Sie wohl früher oder später eine Herabsetzung des Unterhalts zumindest gegenüber Ihrer Ex-Ehefrau verlangen. Die Gelegenheit erscheint momentan günstig, abgesehen von den oben beschriebenen Risiken, die auf jeden Fall noch gesondert geprüft werden sollten.
8.
Der Sachverhalt gibt durchaus Anlass, an eine mögliche Lösung im Wege eines Unterhaltsvergleichs - gegebenenfalls mit Hilfe des Gerichts - zu denken. Dieser könnte z.B. auch eine stufenweise Herabsetzung des Unterhalts beinhalten, wobei die aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zugrunde gelegt werden sollten, mit der Möglichkeit für beide Seiten, bei wesentlichen Abweichungen von den festgehaltenen Daten erneut Abänderung zu beantragen.
Ins Ausland zu gehen, dürfte keine gute Lösung sein. Wenn Sie aufhören zu arbeiten, werden Ihnen fiktive Einkünfte unterstellt werden (vgl. oben Punkt 3). Sie werden also noch eine ganze Weile Geduld und Geld aufbringen müssen. Eine lebenslange Verpflichtung besteht aber auf der Basis Ihrer Angaben keinesfalls.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen die Rechtslage in groben Zügen veranschaulichen. Falls Sie noch Rückfragen haben, können Sie diese zunächst über die Nachfragefunktion stellen. Für eine darüber hinaus gehende Beratung oder gegebenenfalls Vertretung stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt