Sehr geehrter Fragesteller,
Lassen Sie mich Ihre Anfrage wie folgt beantworten:
Ihre Vermutungen stimmen im Großen und Ganzen:
Ein Kaufvertrag über eine Immobilie muss gemäß § 311b BGB
zwingend notariell beurkundet werden. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist der Vertrag gemäß § 125 BGB
unwirksam. Einen Kaufvertrag über eine Immobilie kann man also nicht mündlich per Handschlag schließen. Man kann ihn auch nicht durch konkludentes (das bedeutet nach außen hin erkennbar schlüssiges) Verhalten annehmen. In diesem Fall gibt es daher keinen wirksamen Kaufvertrag. Die Schwester kann auch nicht verlangen, dass ein solcher Kaufvertrag geschlossen wird.
Die Erbengemeinschaft besteht demzufolge nach wie vor. Eine Erbengemeinschaft besteht in jedem Fall mindestens so lange, wie sie nicht komplett auseinandergesetzt ist. Auseinandersetzung bedeutet, dass alle Vermögenswerte aufgeteilt und alle Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft beglichen sind. Das ist hier nicht der Fall, die Wohnung ist nach wie vor Eigentum der Erbengemeinschaft.
Das bestehende Vorkaufsrecht hilft der Schwester dabei nicht. Vorkaufsrecht bedeutet in jedem Fall, dass der Vorkaufsberechtigte in einen bestehenden Kaufvertrag mit einem anderen Käufer zu gleichen Konditionen eintreten kann. Die Situation haben wir hier überhaupt nicht. Insofern hat das Vorkaufsrecht auch mit der Lösung der Angelegenheit nichts zu tun.
Generell gilt, dass kein Mitglied der Erbengemeinschaft einen Verkauf von einzelnen Nachlassgegenständen wie beispielsweise hier dieser Wohnung einseitig verlangen kann. Es besteht lediglich ein Anspruch auf komplette Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft im oben genannten Sinne. Wenn im Nachlass Immobilien vorhanden sind, dann muss die Vereinbarung über die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft in der Regel auch zwingend notariell beurkundet werden.
Die einzige Konstellation, in der das etwas anders ist, ist die sogenannte Abschichtung. Bei diesem von der Rechtsprechung geschaffenen Rechtsinstitut können einzelne Miterben die Erbengemeinschaft (mit oder ohne Abfindung) verlassen. Der letzte verbleibende Miterbe wird dann auf diesem Weg Eigentümer des Nachlasses. Eine solche Abschichtungsvereinbarung muss zwar nicht zwingend notariell beurkundet werden. Damit der verbleibende Miterbe als neuer Eigentümer aber ins Grundbuch kommt muss diese Vereinbarung zumindestens notariell beglaubigt werden. Möglicherweise spielt Ihr Bruder auf so etwas an. Genauer kann ich das nicht sagen, leider drücken Sie sich an der Stelle laienhaft und nicht eindeutig aus.
In diesem Fall ist aber nach Ihren Angaben auch keine Abschichtung erfolgt. Dazu hätten nämlich die übrigen Geschwister zumindest irgendwie nach außen erkennbar ihre Zustimmung erteilen müssen. Das bloße Schweigen ist als solches kein konkludentes Verhalten, aus dem sich eine solche Vereinbarung ableiten ließe. Im Falle eines Falles müsste auch die Schwester die Vereinbarung beweisen.
Insofern hätten Sie recht gute Karten falls Sie einen höheren Preis für die Wohnung erzielen wollen, so verstehe ich jedenfalls Ihr Anliegen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Lars Winkler
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