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Diese Antwort ist vom 25.12.2005 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
Ihre Rechtsfragen beantworte ich anhand der von Ihnen übermittelten Informationen wie folgt:
1.
Durch den Rechtsmittelverzicht sind mit dem Scheidungsurteil auch alle Folgesachen zwischen den Geschiedenen sofort rechtskräftig geworden, also auch die Entscheidung über das Sorgerecht.
Allerdings bleiben hiervon die Rechte Dritter (Kinder, Jugendamt) unberührt, die Entscheidung anzufechten. Im Falle einer solchen Anfechtung durch schriftliche Beschwerde
können die geschiedenen Ehegatten gemäß § 629a ZPO dann Anschlussbeschwerde einlegen, wenn sie hierauf nicht (zusätzlich) bereits verzichtet haben.
2.
Erweist sich der Vater als erziehungsunfähig oder liegt eine grobe Vernachlässigung oder sonst eine schwere Kindeswohlgefährdung vor, die eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt, kann Ihre Freundin bei Gericht gemäß § 1666 BGB beantragen, dass dem Vater zumindest Teile der elterlichen Sorge wieder entzogen werden (insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht), gegebenenfalls zunächst im Rahmen einer vorläufigen Anordnung.
Nach Ihrer Schilderung liegen durchaus einige Anzeichen für eine Gefährdung des Kindeswohls vor, wobei es ohne Kenntnis der Verhältnisse vor Ort schwer ist, einzuschätzen inwieweit Ihre 16-jährige Freundin durch die schwierige Gesamtsituation (psychische Probleme, verletzende Streitigkeiten statt Verständnis, neue Lebenspartnerin des Vaters) in ihrer Entwicklung behindert wird.
Deshalb ist es auf jeden Fall ratsam, hier zunächst das Jugendamt einzuschalten, das hier weitgehende Befugnisse hat, sich ein fundiertes Bild von der familiären Situation zu machen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen hilfreichen ersten Ausblick über die rechtliche Situation verschaffen.
Selbstverständlich stehe ich Ihnen im Rahmen der kostenlosen Nachfragefunktion von „frag-einen-anwalt.de“ für Rückfragen zum inhaltlichen Verständnis meiner Antwort zur Verfügung.
Frohe Weihnachten!
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt
Nachfrage vom Fragesteller
03.01.2006 | 10:47
Sehr geehrter Herr RA Geyer,
meine Rückfrage bezieht sich leider nicht direkt auf den Inhalt Ihrer Antwort, diese hab ich ja dank den verständlichen Aussagen verstanden. Hoffe aber trotzdem vielleicht eine Antwort zu bekommen:
Welche Befugnisse hat das Jugendamt hier z.B. und die wesentlich wichtigere Frage: Ich hab dem örtlich zuständigen Jugendamt einen Brief verfasst und abgeschickt. Sind diese verpflichtet einzugreifen? Und die letzte Frage: Bekomme ich eine Nachricht vom JA, dass meine Mitteilung eingegangen ist und man sich damit befasst? Kann ich andernfalls eine Klage einreichen?
Sie sehen, mir geht die Angelegenheit sehr nahe. Ich mache mir ernsthaft unglaublich große Sorgen.
Für Ihre Bemühungen danke ich Ihnen im Voraus recht herzlich.
MfG,
N.T.
Antwort auf die Nachfrage vom Anwalt
04.01.2006 | 12:09
Sehr geehrter Ratsuchender,
Hier gelten die Bestimmungen des Kinder- und Jugendhilferechts, die im achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII) geregelt sind.
Nach § 42 SGB VIII darf und muss das Jugendamt eine Person unter 18 Jahren vorläufig bei einer geeigneten Person oder Einrichtung unterbringen (hier kommt insbesondere die Mutter in Betracht), wenn die minderjährige Person selbst darum bittet oder wenn „eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert“.
Letzteres bedeutet, dass das örtlich zuständige Jugendamt durchaus verpflichtet ist einzugreifen, wenn es glaubhafte Informationen für eine Kindeswohlgefährdung erhält – egal von welcher Seite aus.
Widerspricht der Personensorge- oder Erziehungsberechtigte (hier der Vater) der Unterbringung, hat das Jugendamt in jedem Fall so schnell wie möglich entweder
„1. das Kind oder den Jugendlichen dem Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben oder
2. eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen“.
Das bedeutet wiederum, dass dem Jugendamt ein gewisser Ermessensspielraum zusteht. Um überprüfen zu können, ob eine gerichtliche Entscheidung nötig ist, werden die Beamten die familiäre Situation vor Ort ermitteln, wenn hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sind.
Eine „Herausnahme des Kindes oder des Jugendlichen ohne Zustimmung des Personensorgeberechtigten“ nach § 43 SGB VIII ist (nur) bei Gefahr im Verzug möglich, wenn Tatsachen bekannt werden, welche die Annahme einer schweren Kindeswohlgefährdung rechtfertigen.
Das Jugendamt hat aber auch ohne die oben genannten Voraussetzungen die Befugnis und die Verpflichtung, das Gericht anzurufen, wenn es dies zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung für erforderlich hält, § 50 Abs. 3 SGB VIII.
Allerdings wird Ihnen das Jugendamt keine Auskünfte erteilen, da Sie kein Angehöriger sind. Auch die Möglichkeit einer Klage steht Ihnen hier nicht offen. Ein Gerichtsverfahren müsste entweder Ihre Freundin selber einleiten (hierzu würde ihr gegebenenfalls ein Verfahrenspfleger zur Seite gestellt werden) oder aber ihre Mutter oder auch andere sehr nahe stehende Angehörige, falls das Jugendamt untätig bleiben sollte.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Freundin – trotz der widrigen Umstände – ein glückliches und erfolgreiches Jahr 2006.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt