Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne auf Basis Ihres Einsatzes und des von Ihnen mitgeteilten Sachverhalts wie folgt beantworte:
Es gibt die Möglichkeit einer sogenannten öffentlichen Zustellung (§(§ (191 in Verbindung mit) § 185
Zivilprozessordnung - ZPO -: Aushang im Gerichtsgebäude) Die öffentliche Zustellung ist letztes Mittel. Sie scheidet aus, wenn eine Zustellung an einen Zustellungsbevollmächtigten oder Vertreter möglich ist. An eine GmbH kommt sie nur in Betracht, wenn auch dem Geschäftsführer an dessen Privatanschrift nicht zugestellt werden kann.
Dazu, also bezüglich Letzterem, existiert das folgendes Urteil, was ich Ihnen zitieren darf:
OLG Stuttgart Urteil vom 2.12.2004, 13 U 133/04
Wirksamkeitsvoraussetzungen für die öffentliche Zustellung eines Versäumnisurteils an eine GmbH
Leitsätze
"1. Die öffentliche Zustellung an eine GmbH kommt nur in Betracht, wenn auch den Geschäftsführer an dessen Privatanschrift nicht zugestellt werden kann.
2. Eine zu Unrecht bewilligte öffentliche Zustellung ist unwirksam, wenn das sie bewilligende Gericht zuvor nicht alle gebotenen Überprüfungen veranlasst hat.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das den Parteien am 22.06.2004 zugestellte Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart
aufgehoben.
Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 90.421,37 EUR
Gründe
1
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil gemäß § 341 ZPO
den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 12.09.2003 als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die zulässig ist und in der Sache Erfolg hat.
2
Dem Zurückverweisungsantrag der Beklagten war zu entsprechen (§ 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO
). Die Berufung ist begründet. Das Landgericht hat den Einspruch gegen sein Versäumnisurteil zu Unrecht als unzulässig verworfen. Der Einspruch der Beklagten war nicht verfristet. Die Einspruchsfrist war noch nicht abgelaufen. Sie hatte nicht gemäß § 339 Abs. 1 ZPO
mit der Zustellung des Versäumnisurteils zu laufen begonnen. Eine wirksame Zustellung des Versäumnisurteils an die Beklagte liegt nicht vor (BGHZ 149, 311
). Es hätte nicht öffentlich zugestellt werden dürfen. Das Landgericht hat die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils und der Klage zu Unrecht bewilligt. Die Bewilligung erfolgte auf Antrag der Klägerin, nachdem der Beklagten unter der der Klägerin bekannten Anschrift ... in ... nicht zugestellt werden konnte, sich aus einem von der Klägerin vorgelegten aktuellen Handelsregisterauszug vom 22.07.2003 die Sitzverlegung der Beklagten nach Berlin ergab (Bl. 33), ausweislich einer Auskunft des Bezirksamts ... von ... vom 10.07.2003 aus dem Gewerberegister die Beklagte unter der Anschrift ... in Berlin jedoch nicht registriert war (Bl. 32). Dies war keine ausreichende Grundlage für die Bewilligung der öffentlichen Zustellung. Ein Versuch, der Geschäftsführerin der Beklagten an ihrer Privatanschrift zuzustellen, wurde nicht unternommen. Dies wäre aber erforderlich gewesen. Gemäß § 185 Nr. 1 ZPO
kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Partei unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Eine öffentliche Zustellung kommt damit nur in Betracht, wenn eine andere Form der Zustellung nicht möglich ist und nahe liegende Möglichkeiten zur Ermittlung des Aufenthalts eines Beteiligten ergebnislos verlaufen sind (BGHZ 118, 45
). Geht es um eine GmbH, ist eine solche nahe liegende Möglichkeit die Ermittlung des Wohnorts des Geschäftsführers und ein Zustellversuch dort (BayObLG MDR 1998, 365
).
3
Die Anschrift der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführerin der Beklagten wäre ohne weiteres zu ermitteln gewesen. Dabei kann es dahinstehen, ob, worüber die Parteien streiten, das Handelsregister der Klägerin diese Anschrift mitgeteilt hätte. Aus den von der Klägerin vorgelegten Handelsregisterauszügen ergibt sich jedenfalls der Wohnort Hennigsdorf der Geschäftsführerin, sodass es ohne weiteres möglich gewesen wäre, dort eine Einwohnermeldeamtsanfrage durchzuführen.
4
Da der Zustellversuch an der Privatanschrift der Geschäftsführerin der Beklagten unterblieb, ist die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils nicht wirksam. Eine öffentliche Zustellung ist unwirksam, wenn die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben und das die öffentliche Zustellung bewilligende Gericht das hätte erkennen können (BGHZ 149, 311
). Von letzterem ist auszugehen, da die gebotene Verfahrenshandlung Zustellung an der Privatanschrift der Geschäftsführerin unterblieben ist.
5
Das den Einspruch der Beklagten verwerfende Urteil kann deshalb nicht bestehen bleiben. Antragsgemäß war es aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Berufung ans Landgericht zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO
).
6
Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht. Die Entscheidung bewegt sich auf der Linie der herrschenden Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 ZPO
)."
Abweichende Entscheidungen waren nicht zu finden.
Dieses sollten Sie mit Ihrem Anwalt/dem Gerichtsvollzieher besprechen und erörtern.
Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen und Ihnen einen möglichen Lösungsweg aufgezeigt zu haben.
Diese Antwort ist vom 23.05.2009 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Antwort
vonRechtsanwalt Daniel Hesterberg
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Rechtsanwalt Daniel Hesterberg
Sehr geehrter Herr RA Hesterberg,
herzlichen Dank für die schnelle Antwort auf meine Frage. Jedoch bin ich leider jetzt nicht wirklich "gescheiter".
Es geht darum, dass uns ja das vollstreckbare Urteil bereits vorliegt jedoch der Gerichtsvollzieher das Geld nicht "eintreiben" kann, weil die GmbH "unbekannt verzogen" ist.
Laut meinem Anwalt kann unter der aktuellen Privatadresse des Gesellschafter/Geschäftsführers nicht vollstreckt werden, weil das Urteil ja seine Firma, sprich GmbH betrifft.
Ist es wirklich wahr, dass eine noch bestehende GmbH nicht bezahlen muss, wenn es keine Firmenanschrift gibt?
Grüße
Sehr geehrte Fragestellerin,
die Frage nach der postalischen Erreichbarkeit war zunächst für die Zustellung des Titels zur Einleitung der Zwangsvollstreckung relevant, da ohne diese Zustellung die Zwangsvollstreckung nicht beginnen darf.
Durch die hier gegebene Möglichkeit der Zustellung des Titels an den Gesellschafter/Geschäftsführer darf der Gerichtsvollzieher natürlich nicht bei diesem privat eine Sach-/Kontopfändung vornehmen, aber der Gesellschafter/Geschäftsführer kann dann auf Auskunft über die GmbH in Anspruch genommen werden, notwendigerweise auf dem Klageweg; parallel können Ermittlungen mittels eines Detektivs in Betracht gezogen werden bzw. sonstige Ermittlungsdienste (> Internet) zur Mithilfe beauftragt werden.
Am Besten sollte auch dem Gesellschafter/Geschäftsführer etwaige ordnungswidrigkeits-/strafrechtliche Konsequenzen vor Augen geführt werden.
Sicherlich führt damit letztlich eine Vollstreckungsmöglichkeit nur über weitere Auskünfte (durch Ermittlungen/Klage gegen GmbH bzw. Gesellschafter/Geschäftsführer, wobei die Frage der Zustellung wie gesagt geklärt ist).
Eventuell kann aber eine Insolvenz(-verschleppung) der GmbH vorliegen, was zu prüfen sein wird. Trotzdem ist zur Rangwahrung die Titelzustellung sehr entscheidend.
Ich hoffe, Ihre Rückfrage beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt
Sehr geehrte Fragestellerin,
vielleicht verfügen Sie noch über schriftliche Korrespondenz mit der GmbH, auf dessen Schreiben eine Bankverbindung eines Geschäftskontos enthalten ist, das durch Antrag beim Vollstreckungsgericht gepfändet werden kann. Sollte dieses nicht möglich, wird eine Insolvenz immer wahrscheinlicher.
Dieses möchte ich Ihnen noch als Ergänzung nachreichen.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Sonntag.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt