Klage gegen Nullbescheid oder gegen Feststellungsbescheid (Verlustvortrag)?
| 22.02.2021 18:07
| Preis:
60,00 € |
Beantwortet von
Ich habe eine interessante Auseinandersetzung mit dem Finanzamt vor dem Finanzgericht. Dabei habe ich eine Klageerwiderung mit einem recht kurzen Inhalt erhalten, von dem ich glaube, dass er eine reine Nebelkerze ist. Wie sehen Sie das? Das Thema wurde bereits im hiesigen Forum behandelt und ist eigentlich auch so gut wie beantwortet:
https://www.123recht.de/forum/steuerrecht/Klage-gegen-Nullbescheid-oder-gegen-Feststellungsbescheid-Verlustvortrag-__f584054.html
Ich hätte aber gerne letzte Sicherheit:
Hier der Sachverhalt und die rechtlichen Erörterungen dazu:
Klageantrag:
"K L A G E
gegen die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommenssteuer zum 31.12.2014 vom XX.XX.2019, sowie die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommenssteuer zum 31.12.2015 vom XX.XX.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom XX.XX.2020. Die Klage richtet sich im Wesentlichen gegen die nicht vollständige Anerkennung eines in der Insolvenz ausgefallenen Gesellschafterdarlehens des Klägers als vortragsfähigen Verlust durch den Beklagten. Die Festellungsbescheide und Einspruchsentscheidung füge ich in Kopie bei.
In der mündlichen Verhandlung werde ich beantragen, die gesonderten Feststellungen der verbleibenden Verlustvorträge für die Jahre 2014 und 2015 in Form der Einspruchsentscheidung insoweit abzuändern, als das Finanzamt 40% des Gesellschafterdarlehens, mithin in einer Höhe von weiteren XX.XXX,XX Euro, geltend gemacht ab Steuerjahr 2014, nicht als Verlust anerkennt, obgleich es gesetzlich ausdrücklich dazu verpflichtet ist. Ebenso wird beantragt, dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen."
Klageerwiderung
"...beantrage, die Klage abzuweisen. Der BFH hat in seinen Urteilen vom 16.05.2018 - XI R 50/17 und vom 10.03.2020 - IX R 24/19 entschieden, dass eine eigenständige Prüfung der betreffenden Besteuerungsgrundlagen nicht im Rahmen der Verlustfeststellung, sondern im Rahmen der Einkommenssteuerfestsetzung stattfindet. Klagen gegen die Einkommenssteuerfestsetzungen wurden nicht erhoben."
Hintergrund Bescheide:
Einkommenssteuerbescheid 2014 Änderungs- Nullbescheid, nicht rechtskräftig, nach 165 Abs. 1 Satz 2 AO teilweise vorläufig
Einkommenssteuerbescheid 2015 Änderungs- Nullbescheid, nicht rechtskräftig, nach 165 Abs. 1 Satz 2 AO teilweise vorläufig, Der Vorbehalt der Nachprüfung wird aufgehoben
Bei beiden Bescheiden gab es keine Einspruchsentscheidung, den Bescheiden wurde zuvor widersprochen
Entscheidung 16.05.2018 - XI R 50/17
Nicht einschlägig. Hier ging es um Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag. Diese berücksichtigten nicht den geltend gemachten Verlust und konnten nicht mehr geändert werden. Gegen die betreffende Einspruchsentscheidung vom 06.03.2015 hat die Unternehmerin insoweit keine Klage erhoben.
Andere Bescheide, anderer Sachverhalt und rechtskräftige Einspruchsentscheidungen...
Sieht das jemand anders?
Entscheidung 10.03.2020 - IX R 24/19
Diese passt schon eher. Damals ging es aber um einen Verlustrücktrag und der Einkommenssteuerbescheid aus 2010 war bereits rechtskräftig. Anders als im Fall eines Verlustvortrags wird über den nach § 10d Abs. 1 EStG als Verlustrücktrag abgezogenen Betrag nicht im Feststellungsverfahren nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG entschieden, das (erstmals) im Jahr der Verlustentstehung durchzuführen ist, sondern im Rahmen der Entscheidung zur Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte des Rücktragsjahres. (BFH-Beschluss vom 09.02.2017 – X B 49/16, BFH/NV 2017, 721, Rz 14, m.w.N.) Dies spreche dafür, immer im Verlustentstehungsjahr über die Höhe des entstandenen Verlusts zu entscheiden, unabhängig davon, ob nach Verrechnung im Entstehungsjahr und Rücktrag noch ein vorzutragender und festzustellender Verlustteil verbleibe. Die für das Verhältnis von Grundlagenbescheiden zu Folgebescheiden geltenden Vorschriften des § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO sowie § 42 FGO gelten entsprechend (§ 10d Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 2 EStG – "Quasi-Bindung", vgl. Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 10d Rz 42). Durch diese gesetzliche Neukonzeption wird der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerbescheid in Bezug auf die für die Verlustfeststellung relevanten Besteuerungsgrundlagen zwar nicht zum Grundlagenbescheid für die Verlustfeststellung des betreffenden Veranlagungszeitraums. Sie bewirkt aber eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheid. Eine eigenständige Prüfung der betreffenden Besteuerungsgrundlagen findet im Rahmen der Verlustfeststellung grundsätzlich nicht mehr statt (s. z.B. BFH-Urteile vom 10.02.2015 – IX R 6/14, BFH/NV 2015, 812, Rz 13; vom 12.07.2016 – IX R 31/15, BFHE 255, 1, BStBl II 2018, 699, Rz 17; vom 16.05.2018 – XI R 50/17, BFHE 261, 342, BStBl II 2018, 752, Rz 20; Bartone in Gosch, AO § 350 Rz 35).
Laut Urteil liegt eine solche Konstellation nicht vor. Der Kläger begehrt keinen Verlust nach § 17 EStG in einer Höhe, dass nach Durchführung des Verlustrücktrags in das Jahr 2012 zum 31.12.2013 ein gesondert festzustellender Verlustvortrag verbliebe. ... so der BFH.
Insofern denke ich, dass ich nicht gegen den Einkommenssteuerbescheid, sondern gegen den Feststellungsbescheid klagen muss und alles richtig gemacht habe. Immerhin mache ich keinen Verlustrücktrag geltend sondern es geht hier um den Verlustvortrag. Der ist nach §10d (4) Satz 1 EStG: Der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag ist gesondert festzustellen --> damit ist alsi gemeint der Feststellungsbescheid
Konkludent dazu Bundesfinanzhof, IX-R-3/19 Urteil vom 30.06.2020:
Ist die Besteuerungsgrundlage im Steuerbescheid berücksichtigt (positive Bindungswirkung), besteht jedoch Streit über die Frage, ob sie den verbleibenden Verlustvortrag erhöht (hier: Altersentlastungsbetrag), muss die Klage gegen den Verlustfeststellungsbescheid gerichtet werden. Im Steuerbescheid wird nicht über die Berechnung des Verlustvortrags entschieden.
Es kommt noch dazu, dass es wie gesagt keine Einspruchsentscheidung zu den Einkommensteuerbescheiden gibt. Ich habe diese zwar angefochten, aber es gibt wie gesagt keine Entscheidung. Insofern ist es formal gar nicht möglich, gegen die Einkommensteuerbescheide zu klagen, denn:
Nach § 44 I FGO ist die Anfechtungsklage dann, wenn nicht ausnahmsweise der Einspruch unstatthaft ist, zulässig, wenn das Einspruchsverfahren erfolglos geblieben ist. Erfolglosigkeit meint dabei Unbegründetheit wie Unzulässigkeit. Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Einspruchsentscheidung gefunden hat (§ 44 II FGO).
Hinweis: Eine Klage ohne vorheriges Einspruchsverfahren ist in zwei Fällen zulässig: bei der Sprungklage und bei der Untätigkeitsklage:
Was das FA da fordert dürfte also mithin völliger Unsinn sein.... Kann das wirklich so diletantisch vorgetragen worden sein, oder übersehe ich da etwas?
IX R 24/19 2. Leitsatz auf dass sich das FA beruft bezieht sich ausschließlich auf den Fall, dass gegen den Verlustrücktrag geklagt wird.... das mache ich ja nicht.
Liege ich in meinen Ansichten also richtig? Klage ordnungsgemäß gestellt? Oder liegt das FA richtig? Wenn letzteres so sein sollte, was muss ich machen?