Sehr geehrter Fragesteller,
aufgrund Ihrer Schilderungen beantworte ich Ihre Frage in einer ersten rechtlichen Einschätzung wie folgt:
Ein Gericht gibt ein Gutachten in den Fällen in Auftrag, in denen es aus eigener Sachkenntnis oder aus den vorgelegten Beweismitteln keine Entscheidung über bestimmte Tatsachen treffen kann, die es aber für entscheidungserheblich hält. Wenn im gerichtlichen Verfahren ein Gutachter nicht von seiner Schweigepflicht entbunden wird, kann er keine Aussagen darüber treffen, die der Schweigepflicht unterliegen. Von der Schweigepflicht sind alle Umstände und Informationen erfasst, die der Arzt anlässlich oder gelegentlich der Behandlung erfährt, außer sie sind offenbar.
Ist mangels Schweigepflichtentbindung daraufhin die Beweisführung nicht möglich, besteht nur die Möglichkeit eines weiteren Gutachters oder der Annahme einer Beweisvereitelung, wenn keine Gründe für die Versagung der Schweigepflichtentbindung ersichtlich sind. Je nach den konkreten Umständen kann somit dies somit ebenfalls zu einem negativen Ausgang des Rechtsstreites führen.
Ein Verstoß gegen die Schweigepflicht ist in § 203 StGB für bestimmte Berufsgruppen unter Strafe gestellt. Ein Verstoß kann zudem Schadensersatzansprüche auslösen oder zu berufsrechtlichen Konsequenzen führen.
Fragen eines psychiatrischen Gutachters oder entsprechende Ausführungen zu Schuldenstand, Verhältnis zu dem Arbeitgeber oder Einschätzungen über die Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens können für die Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens Voraussetzung sein. Ein Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte muss sich dabei nicht aufdrängen. Ein Verbot des Mitstenographierens sehe ich nicht. Dieses sichert vielmehr die wahrheitsgetreue Wiedergabe im Gutachten.
Etwas anderes könnte nämlich dann gelten, wenn die Ausführungen des Gutachters im Rahmen der Anamnese sodann falsch wären oder der Sachverständige aus anderen Gründen ein vorsätzlich oder grob fahrlässig falsches Gutachten erstattet.
In diesem Fall könnte ein Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen geprüft werden. Die Voraussetzungen, diesen erfolgreich geltend zu machen werden von den Gerichten aber hoch angesetzt. In diesem Fall könnten auch Schadensersatzansprüche gegen den Sachverständigen nach § 839a BGB geprüft werden. Nach Ihren Schilderungen sollen die aufgeführten Aussagen allerdings zutreffend gewesen sein.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen eine erste rechtliche Orientierung geben zu haben. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass eine abschließende rechtliche Bewertung Ihres Problems die Kenntnis des vollständigen Sachverhaltes erfordert. Im Rahmen dieses Forums können sich die Ausführungen aber ausschließlich auf Ihre Schilderungen stützen, und somit nur eine erste anwaltliche Einschätzung darstellen.
Ich empfehle Ihnen daher, einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens zu beauftragen, sofern Sie eine abschließende Beurteilung erhalten möchten. Bitten beachten Sie, dass dabei weitere Kosten anfallen.
Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen
Martin P. Freisler
- Rechtsanwalt -
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