Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
1. Wenn der Kunde weiterhin die Zahlung verweigert, wie gut stehen unsere Chancen bei einer Klage / wie klar ist der Fall aus juristischer Sicht?
Was aus Ihrer Schilderung nicht ganz deutlich wird, ist, was Sie letztendlich in Rechnung gestellt haben. Sie können selbstverständlich nur die Leistungen abrechnen, die Sie auch erbracht haben.
Ich verstehe es zunächst so, dass Sie auch nur diese 30 Tage abgerechnet haben. Da das Change request Angebot über weitere 10 Tage abgelehnt wurde, wurde das Programm B nicht komplett fertiggestellt, diese 10 Tage wurden aber auch nicht berechnet. Ihr Auftraggeber zieht aber nun 10 Tage von Ihrer Forderung mit der Begründung ab, das Programm wurde nicht wie vereinbart innerhalb der 30 Tage komplett fertiggestellt.
Meiner Ansicht nach ist der Abzug nicht gerechtfertigt. Die Verzögerung geht Zulasten Ihres Auftraggebers. Sie haben mit diesem folgendes vereinbart:
"Als reine Entwicklungszeit sind nach aktuellem Kenntnisstand der Spezifikation / der bislang vorhandenen Code-Elemente von Programm A 30 Tage geplant. Sollte der tatsächlich für die Umsetzung benötigte Aufwand über diese Schätzung hinausgehen, kann das Projektvolumen nach schriftlicher Freigabe durch KUNDE zu den für den ersten Teil vereinbarten Konditionen erweitert werden. Alternativ kann das Projekt gestoppt werden. In diesem Fall verpflichtet sich AUFTRAGNEHMER zur Lieferung des bis dahin erstellten Codes an KUNDE."
Grundlage der Entwicklung des Programms B war also Programm A. Vereinbart wurde eine geschätzte Entwicklungszeit von 30 Tagen nach aktuellem Kenntnisstand, basierend auf den Ihnen vorliegenden Code-Elementen des Programms A. Was ist nun im Laufe Ihrer Entwicklungsphase passiert? Der Kunde hat das Programm A geändert und damit die Grundlage Ihrer Entwicklung für das Programm B. Das führte selbstverständlich zu Verzögerungen in der Entwicklung der Programms B, zumal der Auftraggeber von Ihnen explizit forderte, diese Änderungen mit einzubauen. Diese Verzögerungen wurden also von Ihrem Auftraggeber alleine verursacht, denn sie sind nur deshalb eingetreten, weil dieser das Programm A und damit die Grundlage Ihrer Arbeit geändert hat. Daraus resultiert dann auch der höhere Stundenaufwand, da die bisherige Schätzung von 30 Tagen damit hinfällig war.
Gemäß Ihrer Vereinbarung hat der Kunde anschließend zwei Möglichkeiten. Entweder er stimmt der Verlängerung zu oder aber das Projekt wird gestoppt und Sie liefern den bis dahin erstellten Code. Der Kunde hat sich für letzteres entschieden. Sie haben den bis dahin entwickelten Code geliefert. Dass die Entwicklung also Ihrerseits nicht vollständig zu Ende gebracht werden konnte, liegt in der Sphäre Ihres Auftraggebers. Dies ändert also nichts daran, dass Sie einen Anspruch auf Vergütung der von Ihnen erbrachten Leistungen haben.
2. Falls wir uns zu einer Klage entscheiden, welche Schritte müssen wir vornehmen? Können wir auf ein Online-Mahnverfahren zurückgreifen, oder macht das keinen Sinn wenn der Kunde die Zahlung klar verweigert? Müssen wir einen Anwalt mit der Sache betrauen?
Ich würde Ihnen direkt zu einer Klage raten, da Ihr Auftraggeber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Widerspruch gegen einen Mahnbescheid einlegen wird. Ein Klageverfahren können Sie bis zu einem Streitwert von 5.000 € selbst einleiten, ab 5.000,01 € ist das Landgericht sachlich zuständig und dort herrscht Anwaltszwang. Ich würde Ihnen jedoch anraten, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Bei der Fertigung einer Klageschrift sind bestimmte Formalien einzuhalten, deren Fehlen das Verlieren des Rechtsstreits zur Folge haben kann.
Vor Klageeinreichung sollte der Kunde zunächst außergerichtlich zur Zahlung aufgefordert werden. Eventuell lässt sich die Angelegenheit auch bereits so klären. Die Kosten für ein außergerichtliches Aufforderungsschreiben belaufen sich bei einem Streitwert von 4.100 € auf 492,54 €.
3. Mit welchen Kosten / welchem Kostenrisiko müssen wir rechnen? Wir sind nicht Rechtsschutzversichert. Streitwert sind 4.100 Euro.
Bei einem Streitwert von 4.100 € belaufen sich die voraussichtlichen Anwaltskosten (2,5 Gebühr nach dem RVG) auf 925,23 €. Hinzu kommen, sofern sich auch die Gegenseite anwaltlich vertreten lässt, ebenfalls 925,23 € für den gegnerischen Anwalt. Darüber hinaus sind mit Klageerhebung Gerichtskosten in Höhe einer 3,0 Gebühr in Höhe von 438 € einzuzahlen, so dass im Falle des Unterliegens ein Kostenrisiko von 2.288,46 € besteht.
Sollte Sie in dieser Angelegenheit anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen wollen, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Hierfür kontaktieren Sie mich einfach per E-Mail. Diese finden Sie in meinem Profil.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
A. Krüger-Fehlau
Rechtsanwältin