Sehr geehrter Fragesteller,
gerne beantworte ich Ihre Fragen auf der Basis des gegeben Sachverhaltes wie folgt:
Frage 1a) Auswirkung der späteren Fälligkeit auf die gegenwärtige Bewertung des Nießbrauchsrechts? Abzinsung nach dem Liegenschaftszinssatz?
Das Ergebnis vorweg: Abgesehen davon, dass es durchaus sein kann, dass die spätere Fälligkeit hier auf die Bewertung des Nießbrauchsrecht überhaupt keinen Einfluss hat, wäre eine etwaige Abzinsung jedenfalls nicht mit dem Liegenschaftszinssatz vorzunehmen, sondern § 14 Abs.3 BewG
wäre in jedem Fall zu beachten (5,5% pA. bei unterstellter mittelschüssiger Zahlweise). Zu dem Ergebnis, dass Sie einen Einfluss hat, kommt man nur unter Berufung auf eine einzige zumindest ähnliche Entscheidung eines einzigen Finanzgerichts, in der es allerdings um ein Erbbaurecht und dessen Bewertung i.R. der Grunderwerbssteuer ging.
Doch von Anfang an: Ein Nießbrauch i.S.v. § 1030 BGB
ist bewertungsrechtlich eine wiederkehrende Leistung (z.B. Länderlasse zur Bewertung von Kapitalforderungen und Kapitalschulden von Ansprüchen/Lasten bei widerkehrenden Nutzungen und Leistungen vom 10 Oktober 2010, S.25=Erlass v.7Dez. 2001, Az. S3103/4). Weil es um einen Nießbrauch geht, der zur Altersversorgung eingeräumt werden soll, geht es um eine lebenslängliche Leistung. Diese ist zu bewerten nach § 14 BewG
.
Das dürfte Ihnen auch bereits bekannt sein, weil Sie angeben, dass der Kapitalwert, bei einer sofortigen Fälligkeit des Nießbrauchs € 80.000,- betragen würde. Sie wollen nun wissen, ob und wie sich die Bewertung des Nießbrauchs dadurch ändert, dass dieser erst in 20 Jahr fällig wird –(aber wohl schon heute eingetragen soll, zumindest durch eine Vormerkung auf den zukünftigen Nießbrauch).
Gem. § 14 Abs.4 BewG
wäre der gemeine Wert des Nießbrauchsrechts anzusetzen, wenn dieser nachweislich geringer ist als,der Wert, den der Algorithmus aus § 14 Abs.1 bis Abs.3 BewG
ergibt. Das Ergebnis des Algorithmus aus § 14 Abs.1 bis Abs.3 ist der Kapitalwert des Nießbrauchsrechts, den Sie mit € 80.000,- angeben.
Es gibt nun tatsächlich eine Entscheidung, in der ein Finanzgericht entschieden hat, dass bei der Bewertung eines Erbbaurechts für die Zwecke der Grunderwerbssteuer dieses aufgrund seiner viel späteren Fälligkeit dann abzuzinsen ist (FG-München, Urteil v. 23. November 2011 Az. 4 K2267/08), wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: „…Ergibt sich ein Fälligkeitszeitpunkt, der um mehr als ein Jahr aufgeschoben ist, so ist der Kapitalwert der wiederkehrenden Leistungen abzuzinsen. Tritt die Fälligkeitsverschiebung jedoch zufällig, aus außerhalb der vertraglichen Vereinbarung liegenden Gründen ein, vermag dieser Umstand den gemeinen Wert im Zeitpunkt der Entstehung der Grunderwerbsteuer nicht mehr zu verändern…"
Unterstellt, dass diese Voraussetzungen –(mehr als 1 Jahr später fällig und Fälligkeit hängt nicht vom puren Zufall ab) – hier erfüllt werden, stellt sich als nächstes die Frage, wie diese Abzinsung vorzunehmen ist.
Das FG-München hat am angegeben Ort, soweit es der Klage überhaupt stattgab, den eingangs zitierten Länderlass entsprechend angewendet, auch wenn diese eigentlich nur für die Schenkungs- und Erbschaftssteuer gilt. Das ist auch richtig, weil man von der mittelschüssigen zahlweise und den 5,5% aus §14 Abs.4 BewG
nicht abweichen darf.
Maßgeblich für die Abzinsung wäre also zunächst einmal nicht der Liegenschaftszinssatz, sondern man muss wenn überhaupt einen Zinssatz von 5,5% p.A. nehmen, mittelschüssige Zahlweise unterstellen und i.R.d. Berechnung auch Zins und Zinsesszin berücksichtigen. (Andernfalls wäre der Wert dieses Nießbrauchs ja sogar negativ, was nicht sein kann).
Beispiele dazu wie das geht, finden sich in dem eingangs zitierten Ländererlass. Nimmt man z.B. Tabelle 1 am Ende des Erlasses, die sich wörtlich allerdings nur auf § 12 Abs.3 BewG
bezieht, ergeben sich hier € 27,500 –(das wäre etwa der Wert zinslosen und daher bewertungsrechtlich abzuzinsenden Darlehens über € 80.000,- das erst in 20 Jahren fällig wird, womit dafür ein Verfielfältiger von 0,343 gelten würde).
Für die Abzinsung gem. §14 Abs.3
und § 13.3 BewG gibt es keine Tabellen und in den mir vorliegenden Kommentaren zum BewG (Wilms/Jochum und dem von Daragan uA). steht dazu immer nur, dass die Vorschriften kaum praktische Bedeutung hätten. Deshalb auch der Hinweis am Anfang dieser Antwort.
Frage 1b.) Spielt bei der Ermittlung des Entgeltes das Risiko des Eintritts der Bedingung, z. B. Tod des Nießbrauchers, eine Rolle?
Nein, der Nießbrauch erlischt mit dem Tode des Berechtigten (§1061 BGB
), bzw. falls die Berechtigte vor Fälligkeit des Nießbrauchs stirbt, gelangt er gar nicht erst zur Entstehung. Das ist aber für die „Ermittlung des Entgelts" nicht relevant.
Ich vermute, was Sie meinen ist, inwieweit der wahrscheinliche Todeszeitpunkt des Berechtigten die Bewertung des Nießbrauchs beeinflusst. Die Antwort ist ganz einfach die, dass in die Berechnung des von Ihnen ja schon vorgegebenen Kapitalwertes des Nießbrauchs auch ein Vervielfältiger mit eingerechnet wird, dessen Höhe vom Alter des Berechtigten und von seinem wahrscheinlich Todeszeitpunkt gem. amtlicher Sterbestatistik abhängt (§ 14 Abs.1 S.2 BewG
und § 14 Abs.2 BewG
).
Frage 1c.) Kann das Entgelt frei vereinbart werden?
Sie können natürlich im Rahmen der Privatautonomie welches Entgelt auch immer wirksam vereinbaren. Ich vermute nur sehr stark, dass welchen steuerlichen Vorteil auch immer man sich von dem Ganzen letzten Endes versprechen mag, dieser durch die Höhe des Entgeltes beeinflusst werden dürfte. Sie geben vor, dass „nach Ihren Informationen eine teilentgeltliche Bestellung steuerlich vorteilhaft sei". Auf der Basis des bekannten Sachverhalts kann nicht beurteilt werden, ob das in ihrem Einzelfall zutrifft. Wenn es zutrifft, beeinflusst das Verhältnis von Entgelt zu Kapitalwert, das seinerseits von der Höhe des Entgelts abhängt, natürlich die Frage, ob eine entgeltliche, eine teilentgeltliche oder ein unentgeltliche Bestellung vorliegt (BMF-Rundschreiben v. 30. Sept. 2013 Rz. 12).
Die von Ihnen anscheinend gewünschte teilentgeltliche Bestellung liegt zumindest dann nicht mehr vor, und es liegt statt dessen eine rein unentgeltliche Nießbrauchsbestellung vor, wenn das Entgelt weniger als 10% des Wertes des Nießbrauchs beträgt (BMF-Rundschreiben aaO Rz. 13a.E.).
Frage 2.) Die Ausnahmen vom Zufluss und Abflussprinzip in § 11 EStG
?
Die Ausnahme vom generellen Zufluss- und Abflussprinzip des § 11 EStG
für Einnahmen und Ausgaben, die für eine Nutzungsüberlassung für mehr als fünf Jahre geleistet werden, könnte sich hier bei unbefangener Betrachtung anscheinend wirklich wie folgt auswirken: Die das Entgelt zahlende Nießbrauchsberechtigte, ist gem. § 11 Abs.2 S.3 EStG
verpflichtet, dieses Entgelt als Ausgaben nicht vor den Jahren 2035ff. z.B. als Werbungskosten gegen Einnahme aus Vermietung und Verpachtung geltend zu machen. Ab diesem Veranlagungszeitraum ist es dann auf die Jahre bis zu ihrem statistischen Todeszeitpunkt laut amtlicher Sterbetabelle zu verteilen (BMF-Rundschreiben aaO. Rz.26), falls dieser dann noch mehr als fünf Jahre beträgt.
Die Nießbrauchsverpflichtete scheint dagegen dem Gesetzeswortlaut nach tatsächlich ein Wahlrecht zu haben: Sie kann eine etwaige Einmalzahlung entweder über den Zeitraum, für den es geleistet wird, die Jahre 2035ff., strecken, oder das Zuflussprinzip beachten, und die Einmalversteuerung z.B. in 2015 wählen (zum Wahlrecht: Seiler in EStG-Kom-Kirchhoff(Hrsg.), § 11 EStG
Rz. 41; 13. Aufl. 2014 und Pohl in EStG-Kom. Lippross/Seibel (Hrsg), 1. Aufl. 1999 Bearbeitungsstand Juni 2013.), was sie natürlich wegen der progressiven Einkommenssteuersätze nicht tun wird.
Dieses Wahlrecht steht allerdings unter dem Vorbehalt des Rechtsmißbrauchs (§ 11 Abs.2 S.5 EStG
i.V.m. § 42 AO
) und auch die Vorschriften über die Gewinnermittlung bleiben unberührt (§ 11 Abs.1 S.5
und § 11 Abs.2 S.6 EStG
). Das heißt, falls diejenige Person, die den Nießbrauch einräumen will, bereits heute Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, einer Gewinneinkunftsart, erzielt, wird Sie die Versteuerung der Einmalzahlung für die Nießbrauchsbestellung wohl nicht bis ins Jahr 2035 verschieben können.
Bei Unklarheiten haben hier auch noch eine kostenlose Nachfragefunktion, die ich allerdings bitten würde, eher umsichtig zu nutzen und ggf. auch anzugeben, aufgrund welches Sachverhaltes, von welchen steurrechtlichen Prämissen ausgegangen wird und auch welche Steuerart hier eigentlich vorrangig interessiert. Außer der Einkommensteuer, kann man hier auch an Grunderwerbssteuer und Schenkungssteuer, für den unentgeltlichen Teil, denken.
Mit freundlichen Grüßen
Ra. Jahn
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Diese Antwort ist vom 28.04.2015 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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