Guten Morgen,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Diese möchte ich Ihnen anhand des von Ihnen geschilderten Sachverhalts und unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes (Sie haben den empfohlenen Mindestpreis unterschritten, stellen aber mehrere Einzelfragen) im Rahmen einer Erstberatung gern nachfolgend beantworten.
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1. Inwiefern ist Freelancer Schulz für die Auswahl seines Server-Systems haftbar?
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Liegt tatsächlich ein Dienst- und kein Werkvertrag vor, gibt es zwar keine Mängelgewährleistung, da dem Auftraggeber kein fertiges Werk geschuldet ist und die Projektverantwortung beim Auftraggeber selbst liegt. Dies heißt aber nicht, dass der Programmierer gar nicht haftet. Auch beim Dienstvertrag gibt es eine „allgemeine verschuldensabhängigen Haftung" nach §§ 280 ff. BGB
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Hat die Agentur also den Programmierer gerade aufgrund seiner Expertenkenntnisse auf das Projekt geholt und hat der Programmierer falsch ausgesucht bzw. bei der Auswahl beraten, haftet er auch, wenn er dies zu vertreten hat.
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2. Welche Verantwortung trifft Freelancer Schulz, der als Experte eingestellt wurde, im Gegenzug zur Agentur, die über diese Expertise nicht verfügt und über die Entscheidungen von Freelancer Schulz urteilen konnte?
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Siehe unter 1.). Eine Haftung dürfte in diesem Fall bestehen, denn der Programmierer war Experte und die Agentur hat auf sein Wissen vertraut und ihn gerade deswegen beschäftigt.
Ein Haftungsanspruch der Agentur dem Grunde nach besteht also. Die Haftung der Höhe nach behandelt Ihre nachfolgende Frage:
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3. Im Falle einer Haftung von Freelancer Schulz, welche Kosten wären ihm zuzuschreiben?
- Die Arbeitsstunden (900 Std.)?
- Der Geldwerte Nachteil durch das Ausbleiben der Abnahme?
- Der Schaden, in denen die Firma nicht gewinnbringend arbeiten konnte (Wert X)?
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Als Schaden sind die Positionen einzubeziehen, die der Agentur aufgrund der Falschberatung/-implementierung entstanden sind. Das wären jedenfalls die 500 Stunden, die in die Entwicklung/Fehlerbehebung von FLOPP geflossen sind. Die 200 Stunden für SUPER dürften herauszurechnen sein, denn diese 200 Stunden wären auch angefallen, wenn das Projekt gleich mit der richtigen Server-Software SUPER entwickelt worden wäre.
Bei der Frage der Schadenshöhe gibt es durchaus Spielraum und eine konkrete Berechnung lässt sich nur die Einblick in die Unterlagen vornehmen. Es wäre z.B. zu berücksichtigen, wenn der Agentur weitere Schäden – zum Beispiel durch einen zugesagten und nun verpassten Fertigstellungstermin – entstanden sind.
Ebenfalls zu schauen wäre aber auch, ob die anderen beiden Entwickler auf dem Projekt eine „Mitschuld" tragen, da sie teilweise in die Auswahl und Implementierung von FLOPP eingebunden waren.
Was sollten Sie tun? Wenn Sie als betroffener SW-Entwickler fragen und eine IT-Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben, die auch Vermögensschäden abdeckt, melden Sie den Fall zunächst vorsorglich Ihrer Versicherung und suchen Sie das Gespräch mit der Agentur. Sollten Sie als Agentur gefragt haben: Stellen Sie die Ihnen (vermeintlich) entstandenen Schadenspositionen zusammen und suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Freelancer.
Je nach Bedeutung und Volumen des Projekts für die Agentur macht es für beide Parteien Sinn, sich vor Aufnahme von Gesprächen noch einmal genauer von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen, der dann Einsicht in Verträge, Pflichtenhefte oder andere Dokumentationen erhalten sollte, um die Lage am konkreten Einzelfall beurteilen zu können.
Ich hoffe, meine Antwort hat Ihnen hinsichtlich einer ersten Einschätzung weitergeholfen. Für eine weitergehende Beratung oder Vertretung steht Ihnen unsere Kanzlei gerne zur Verfügung.
Mit den besten Grüßen
Diese Antwort ist vom 05.10.2013 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Vielen Dank für Ihre Beantwortung!
Ich stelle die Frage aus der Stellung der Agentur.
In Bezug auf das erwähnte Expertenwissen: Gehen wir einmal davon aus, dass der Freelancer sich -nicht- konkret mit FLOPP ausgekannt hat, dafür aber insgesamt eine höhere Kenntnis in der Software-Entwicklung verfügte und kommunizierte.
Die Tauglichkeit von FLOPP wurde immer wieder agenturseitig befragt. Bis zur Beurteilung der Untauglichkeit von FLOPP wurde das System FLOPP kontinuierlich als richtige Basis definiert, mit der konkreten Aussage, dass alle offenen Fehler sich durch angestrebte Fehlerbehebung beseitigen lassen.
In Vertrauen auf die Aussage der soliden Basis von FLOPP wurden kontinuierlich Entwicklungen basierend auf FLOPP aufgesetzt, die nicht im ursprünglichen Pflichtenheft festgehalten wurden.
Entwicklungen von FLOPP wurden ausschließlich vom Freelancer Schulz getätigt.
--- die Frage
Basierend auf der eingangs erwähnten "allgemeinen Expertise" in Software-Entwicklung, sehen Sie die Haftung auch dann verpflichtend?
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Nachfrage.
Auch mit Ihrer ergänzenden Sachverhaltsschilderung gehe ich von einer Haftung "dem Grunde nach" aus, insbesondere wenn Ihnen auf mehrfache Nachfrage immer wieder versichert wurde, dass sich durch Anpassungen/Fehlerbehebungen das Projektziel erreichen lässt und seitens des Entwicklers keine Zweifel angemeldet wurden oder zusätzliche Expertise eines Dritten verlangt wurde.
Wie in meiner ersten Antwort geschrieben, sollten Sie als nächsten Schritt eine Schadensaufstellung vornehmen (verlorene Arbeitsstunden, Ansprüche Ihres Kunden etc.).
Als Nächstes wäre zu prüfen: Wurden im Vertrag mit dem Freelancer Haftungsbegrenzungen vereinbart? Haben Sie dem Freelancer eine Pflicht zum Abschluss einer IT-Haftpflicht auferlegt oder besteht eine Versicherung ohnehin?
Wie wurde das Projekt dokumentiert? Sind Sie für den Fall der streitigen Auseinandersetzung um Ihren Schadenersatzanspruch in der Lage, Ihren Anspruch dem Grunde und der Höhe nach zu beweisen?
Sollte es Ihrerseits Möglichkeiten geben, den Schaden durch eigene Maßnahmen zu begrenzen, wären Sie gemäß § 254 BGB
hierzu verpflichtet (zum Beispiel Beschäftigung eines anderen Freelancers, der das Projekt fertigstellen kann, um evtl. mit dem Kunden vereinbarten Vertragsstrafen für eine verspätete Fertigstellung zu entgehen).
Ihre weitere Strategie in dieser Sache sollte davon abhängig gemacht werden, welche Antworten Sie auf diese Fragen finden. Ist die Beweissituation gut, kann der Anspruch ggf. auch streitig durchgefochten werden. Ist Ihre Beweissituation eher dünn, da viel mündlich abgesprochen wurde, es keine Zeugen und/oder Meetingprotokolle, Emails etc. gibt, wäre über eine vergleichsweise Einigung nachzudenken.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Bischof