Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für die Anfrage. Vorweg möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass dieses Forum dafür gedacht ist, einen ersten Eindruck zu der Rechtslage zu vermitteln. Durch Weglassen oder Hinzufügen von wesentlichen Teilen des Sachverhalts kann es durchaus zu einer anderen rechtlichen Beurteilung kommen.
Die Wundbehandlung gehört zur medizinischen Behandlung, daher gehört die Diagnostik und
Therapieentscheidung in den ärztlich zu verantwortenden Bereich. Demnach hat die Anordnungsverantwortung der Arzt bzw. in diesem Fall der behandelnde Heilpraktiker. Der Heilpraktiker hätte sich unter Umständen zu verantworten, wenn aufgrund seiner Anordnung sich die Wunden derart verschlimmern, dass die Beine amputiert werden müssten.
Ob sich die Dame von einem Schulmediziner oder von einem Heilpraktiker behandeln lässt, liegt in ihrer eigenen Entscheidung. Wie Sie selbst schreiben ist die Dame geistig noch "voll da". Sie hat ein Recht auf Selbstbestimmung, welches zu beachen ist. Dazu gehört auch die Entscheidung ob und wie sie sich behandeln lassen möchte. Dies dürfen und müssen Sie respektieren. Erst wenn die Dame geistig nicht mehr in der Lage wäre, eigene selbstverantwortliche Entscheidungen zu treffen, müsste für sie ein Betreuer bestellt werden, der dann im Rahmen der Gesundheitssorge die Entscheidung über die Behandlung trifft.
Es ist danach aber auch das Recht der Dame, die Wundversorgung durch Sie vornehmen zu lassen. Selbst wenn der Arzt bzw. Heilpraktiker empfohlen oder gar angeordnet hätte, dass die Wundversorgung durch eine ausgebildete Pflegekraft durchgeführt werden müsste, könnte die Dame entscheiden, dass sie dies nicht möchte.
Fraglich ist nun, wie Sie sich absichern können.
Zunächst sollten Sie Ihre Aufgaben möglichst genau in den Arbeitsvertrag aufnehmen lassen, z.B. "Wundbehandlung nach Anweisung durch Frau H. und Dr. ...". Wenn möglich sollten Sie sich dann durch den behandelnden Heilpraktiker zeigen lassen, wie die Beine versorgt werden sollen und was besonders zu beachen ist. Dies sollten Sie möglichst dokumentieren und von dem Heilpraktiker unterzeichnen lassen oder ihn bitten, Ihnen dies noch einmal schriftlich niederzulegen (natürlich damit Sie es sich gut merken können). Des weiteren sollten Sie jede Wundbehandlung möglichst dokumentieren, also wann und was Sie gemacht haben. Sie können so im Streitfall beweisen, dass Sie die Wundbehandlung nach der Anweisung durchgeführt haben. Bei der Behandlung sollten Sie natürlich mit der erforderlichen Sorgfalt vorgehen, also Hände desinfizieren usw.
Schadensersatzpflichtig wären Sie im schlimmsten Falle nur gegenüber der Dame. Da diese Sie jedoch angewiesen hat, die Wundbehandlung ensprechend vorzunehmen, wäre dies nur möglich, wenn Sie bei der Wundversorgung die erforderliche Sorgfalt verlezt hätten und sich der Zustand dadurch verschlimmert hätte. Auch strafrechlich haben Sie nichts zu befürchen solange die Dame klar im Kopf ist und weiß was sie möchte und Sie entsprechend anweist.
Da die Dame selbst Ihre Arbeigeberin ist und sie sich an deren Weisungen halten müssen, ist die Situtaion eine andere als in einem Pflegheim.
Wenn dies möglich ist, können Sie sich natürlich auch in einem separaten Schreiben absichern, wie Sie dies oben beschrieben haben.
Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Wochenende und viel Erfolg!
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weitergeholfen zu haben. Sollte Ihnen noch etwas unklar sein, dürfen Sie gerne die Nachfragemöglichkeit nutzen. Wenn Sie zufrieden sind, würde ich mich über eine positive Bewertung freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Yvonne Bellmann
Rechtsanwältin
Diese Antwort ist vom 16.03.2013 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Danke für Ihre umfangreiche und gute Antwort!Ich weiß gar nicht, ob es "die Behandlungsanweisung" vom Arzt bzw. auch evtl. nicht vom Heilpraktiker gibt, sondern die Methode einfach von der Familie/Frau H. aus langjährigen Erfahrungen mit dem eigenem Körper und Wissenserwerb auf verschiedenen Ebenen sozusagen selbst gewählt wurde. Nach Ihren Ausführungen hat die Dame auch das Recht dazu, dieses genau so zu leben. Ich taste mich da durch Fragen langsam vorsichtig heran, weiß nicht, ob es mir möglich sein wird, mir alles vom Arzt bzw. dem Heilpraktiker zeigen zu lassen bzw. ein Gesüräch mit diesen Personen zu führen (mehr aus psychologischen/taktischen Gründen, ich bin selbst aber grundsätzlich bereit dazu. Ist es mir zu empfehlen, mich mich dann im Arbeitsvertrag auch nur durch einen Passus:.....Behandlung nach Anweisung von Frau H....o.ä. abzusichern? Frau H. sagte mir, dass der Arzt sich die Beine meist gar nicht mehr zeigen läßt bei einer Behandlung (er hat sie wohl irgendwann mal gesehen, ich weiß auch nicht, was er (z.B.
Willensäußerungen) dokumentiert hat. Die aktuelle Behandlung wurde mir von der Tochter der Frau H. gezeigt.
Vergessen hatte ich, dass Frau H. die Pflegestufe 1 hat. Nach meinem Wissen gehe ich davon aus, dass sie die entsprechenden Gelder auch erhalten kann, wenn sie wie beschrieben handelt, da jeder sie nach meinem Wissen ja so ausgeben darf, wie er es möchte!? Ich frage mich allerdings, ob der MDK bei seinen Überprüfungen dieses als fachgerechte Versorgung empfindet?
Danke für Ihre Antwort
Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für Ihre freundlliche Bewertung.
Wie bereits beschrieben wäre ein Passus im Arbeitsvertrag, aus dem sich ergibt, dass Sie die Wundversorgung nach Anweisung von Frau H. oder deren Tochter durchführen, ausreichend. Wenn es möglich ist, eine zusätzliche Dokumentation über die gewünschte Versorgung durch Frau H. oder die Tochter zu erhalten, wäre dies sicher eine weitere Absicherung für Sie. Sie könnten sich natürlich auch abzeichnen lassen, dass Sie darauf hingeweisen haben, dass Sie die Behandlung nicht für erfolfversprechend halten, Frau H. diese Versorgung aber ausdrücklich weiterhin so wünscht. Hier müssen Sie selbst abschätzen, was mit der Familie möglich ist, ohne unnötig die Vertrauensbasis, die für Ihre Arbeit erforderlich ist, zu zerstören.
Die Pflegestufe I ändert hieran auch zunächst nichts. Pflegegeld erhält wer pflegebedürftig ist. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI
Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§15) der Hilfe bedürfen. Nach § 14 Abs. 3 SGB XI
besteht die Hilfe im Sinne des Absatzes 1 in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in der Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen.
Der MdK hat nach § 18 Abs. 1 SGB XI
zunächst nur die Aufgabe, festzustellen, ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt. Darüber hinaus hat der MDK auch Feststellungen darüber zu treffen, ob und in welchem Umfang Maßnahmen zur Beseitigung, Minderung oder Verhütung einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit einschließlich der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation geeignet, notwendig und zumutbar sind; insoweit haben Versicherte einen Anspruch gegen den zuständigen Träger auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Dies bedeutet, dass der MdK zwar Zweifel an der Wundbehandlung äußern und Vorschläge zu einer besseren Versorgung machen könnte, dennoch wäre auch hier das Selbstbestimmungsrecht der Frau H. zu beachten. Wenn Sie keine andere Behandlung wünscht, kann sie zu einer solchen nicht gezwungen werden, auch nicht, wenn sie heirbei die Amputation ihrer Beine in Kauf nimmt.
Verantwortlich für die Behandlung und Anordnung der Versorgung der wunden Beine ist und bleibt der Arzt bzw. Heilpraktiker! Wenn dieser sich die Beine schon gar nicht mehr zeigen lässt, wäre dieser unter Umständen in der Haftung, wenn die Beine amputiert werden müssten, weil die Behandlung nicht anschlägt. Dieser wäre verantwortlich, Frau H. eine andere Behandlung zu verordnen. Doch auch hier ginge das Selbstbestimmungsrecht der Frau H. vor.
Mit freundllichen Grüßen
Yvonne Bellmann
Rechsanwältin