Sehr geehrter Ratsuchender,
auf der Grundlage des von Ihnen angegebenen Sachverhalts beantworte ich Ihre Frage hiermit im Rahmen einer Erstberatung wie folgt:
Dem Wortlaut des Gesetzes nach erfüllen Sie tatsächlich die Voraussetzungen des § 57 SGB III
und hierauf könnten Sie die Begründung Ihres Widerspruches stützen. Als Argumentationshilfe empfehle ich insoweit die Lektüre eines Urteils des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 01.10.2009 L 12 AL 4/07
– allerdings noch zum damaligen Überbrückungsgeld.
Eine Erfolgsaussicht für eine Klage ist jedoch tatsächlich in Ihrem Fall jedenfalls aufgrund einer aktuellen Gesetzesänderung nicht gegeben, unabhängig von der umstrittenen Frage, ob überhaupt ein Anspruch bei Eigenkündigung (dazu siehe weiter unten) bestehen kann.
Seit dem 28. Dezember 2011 ist der Gründungszuschuss bei Neuanträgen tatsächlich nur noch eine Ermessensleistung, auf die kein Rechtsanspruch bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen besteht! Insoweit beachten Sie bitte auch, dass Sie die maßgebliche Bestimmung in der für Sie aktuellen Fassung ansehen. Dass die Leistungsbewilligung im Ermessen der Behörde liegt, ergibt sich aus dem Wort „kann" in § 57 Abs. 2 SGB III
. „Ein Gründungszuschuss KANN geleistet werden, wenn...".
Nun bedeutet Ermessen aber natürlich nicht Willkür. Soweit die Behörde durch Gesetz ermächtigt ist, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs 1 Satz 1
Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)). Der Versicherte hat Anspruch auf eine pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB I
).
Aber ein Rechtsanspruch auf eine Leistung, deren Bewilligung im Ermessen der Behörde steht, setzt voraus, dass die dem Ermessensausübung zu gar keinem anderen Ergebnis als der Leistungsbewilligung (sogenannte Ermessensreduzierung auf Null!) kommen kann und hierfür gibt es in Ihrem Fall keine Möglichkeit zu argumentieren. Denn die Abwägung der Agentur für Arbeit ist doch nachvollziehbar. Gar nicht angesprochen bei der Abwägung wurde auch der weitere Punkt Ihrer Eigenkündigung unmittelbar vor der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit. Wenn die (sehr kurze) Arbeitslosigkeit außerdem in Ihrem Fall unproblematisch durch Vermittlung wieder beendet werden kann.
Dies kann ein weiteres „Problem" darstellen, weil Sie unmittelbar vor Aufnahme der Selbständigkeit selbst gekündigt haben: Nun gibt es aber etliche Gerichte (und das kann man nicht ortsbezogen eingrenzen, denn selbst am selben Gericht gibt es bei unterschiedlichen Richtern unterschiedliche Urteile, es bleibt eine Einzelfallentscheidung), welche über den reinen Wortlaut des § 57 SGB III
aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes schließen, dass dass ein Anspruch auf Gründungszuschuss ausscheidet, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitslosigkeit durch eine Eigenkündigung seines bisherigen Beschäftigungsverhältnisses erst begründet bzw. selbst herbeiführt.
Hierzu ist u.a. ausgeführt worden, es sei mit Sinn und Zweck des Zuschusses nicht vereinbar, im Ergebnis ein Verhalten zu fördern, das eine Belastung der Solidargemeinschaft zwar vermeide, diese Belastung jedoch zunächst überhaupt erst begründet habe (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 28.4.2006 - L 8 AL 4150/05
; SG Aachen, Urt. v. 25.5.2007 - S 9 AL 5/07
)
Bei einer Ermessensentscheidung gibt es keinen Rechtsanspruch bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen, sondern nur aufgrund der Bewilligung selbst oder bei einer Ermessensreduzierung auf Null. Das Gesetz wurde geändert.
Ich bedauere, Ihnen keine andere Mitteilung machen zu können. Einen Fachanwalt für Sozialrecht vor Ort in Berlin finden Sie entweder über dieses Portal oder über den Deutschen Anwaltsverein oder Ihre örtliche Rechtsanwaltskammer.
Mit freundlichen Grüßen
Diese Antwort ist vom 27.01.2012 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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...Seit dem 28. Dezember 2011 ist der Gründungszuschuss bei Neuanträgen tatsächlich nur noch eine Ermessensleistung...
Der Antrag auf Gründungszuschuss beinhaltet aber eine Besonderheit im Vergleich zu vielen anderen Anträgen: Bereits die Abholung der Antragsunterlagen bei der Agentur für Arbeit gilt als Antragstellung. Das habe ich am 18.11.2011 gemacht. Gilt für mich trotzdem die neue Fassung des Gesetzes?
Sehr geehrter Ratsuchender,
für Sie gilt bereits die neue Gesetzesfassung, denn auch wenn Sie die Unterlagen bereits vorher abgeholt haben, kann Ihre Antragstellung nicht früher wirken, als die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Da das Gesetz am 28.12.2011 in Kraft getreten ist und bei Ihnen erst danach überhaupt die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren, gilt die aktuelle Gesetzesfassung leider auch bereits für Sie.
Mit freundlichen Grüßen
Britta Möhlenbrock
Rechtsanwältin
Internet: www.ra-moehlenbrock.de
Email: info@ra-moehlenbrock.de