Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
vielen Dank für die Onlineanfrage via frag-einen-anwalt . Vorweg möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass dieses Forum dafür angedacht ist, einen ersten Eindruck zu der Rechtslage zu vermitteln. Durch Weglassen oder Hinzufügen von wesentlichen Tatsachen könnte die Beurteilung Ihres Anliegens völlig anders ausfallen. Auf Grundlage Ihrer Angaben beantworte ich die Fragen weiter wie folgt:
1. Einzelvertragliche Vereinbarungen nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, sind grundsätzlich für den Fall zulässig, wenn der Arbeitnehmer vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden sollte.
2. Jedoch können derartige Zahlungsverpflichtungen, die an eine vom Arbeitnehmer zu verantwortende Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, gegen Treu und Glauben verstoßen. Das ist nach der Rechtsprechung anhand einer Güterabwägung der Arbeitnehmer -u. Arbeitgeberinteressen nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls jeweils zu ermitteln.
3. Dabei ist das Interesse des Arbeitgebers, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig zu nutzen, einerseits, mit dem Interesse des Arbeitnehmers, durch die Ausbildung die eigenen Arbeitsmarktchancen zu verbessern und sich gegenüber dem Arbeitgeber nur in einem solchen Umfange zu binden, wie das im Verhältnis zu dessen Aufwendungen angemessen ist, andererseits ins Verhältnis zu setzen (vgl.: zum Ganzen: BAG 24. Juni 2004 - 6 AZR 383/ 03
- zu B II 2 der Gründe, BAGE 111, 157
; 19. Februar 2004 - 6 AZR 552/ 02
- zu 2 a aa der Gründe, BAGE 109, 345
; 5. Dezember 2002 - 6 AZR 539/ 01
- zu 2 der Gründe, BAGE 104, 125
).
Dabei müssen die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.
Das ist in erster Linie nach der Dauer der Aus- oder Fortbildungsmaßnahme, aber auch anhand der Qualität der erworbenen Qualifikationen zu beurteilen.
Bei einer Fortbildungsdauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr soll nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 14. 1. 2009 - 3 AZR 900/ 07
) keine längere Bindung an das Unternehmen als drei Jahre und bei einer mehr als zweijährigen Fortbildungsdauer eine Bindung von fünf Jahren möglich sein.
Ihre Weiterbildung soll sich nach den Vorstellungen des Arbeitgebers über 17 Monate erstreckt und würde für Sie letztlich eine faktische Bindung an das Unternehmen bis zu fast 2 Jahre bewirken.
Ob die Vereinbarung einer gerichtlichen Prüfung Stand hielte lässt sich an dieser Stelle damit leider nicht abschließend beantworten, zumal es eben auf sämtliche Umstände des Einzelfalles ankommt.
Ihre Befürchtung, dass Sie bei Unterzeichnung des Schriftstückes auf den kompletten Kosten sitzen bleiben könnten ist damit zutreffend.
4. Was ist nun zu tun?
Sie sollten nun auf die Einhaltung / Erfüllung der mit dem Vorgesetzten getroffenen mündlichen Vereinbarung bestehen!
Die Vereinbarung, dass sich das Unternehmen i. H. v. 4.000,00 €uro an den Fortbildungskosten beteiligt ist wirksam, auch wenn sie "nur" mündlich abgeschlossen wurde. Ein Schriftformerfordernis sieht das Gesetz für solche Zusagen des Arbeitgebers nämlich nicht vor.
Im Streitfall träfe Sie allerdings die Beweislast dafür, dass der Vorgesetzte die Bezahlung der 4.000,00 €uro verbindlich zugesagt hat. Hilfreich wäre es, wenn Sie für die Zusage Zeugen benennen könnten. Auch wenn Sie keine Zeugen benennen können, so sollten Sie bei den anstehenden Gesprächen mit dem Arbeitgeber gleichwohl weiter auf Ihren Standpunkt bestehen. Andernfalls würden Sie schließlich bei Unterzeichnung der vom Arbeitgeber angedachten Vereinbarung riskieren, auf den kompletten Kosten der Fortbildung sitzen zu bleiben.
Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann. Sofern Sie eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes wünschen, empfehle ich, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren und die Sachlage mit diesem bei Einsicht in sämtliche Unterlagen konkret zu erörtern.
Bei den anstehenden Verhandlungen gehe ich davon aus, dass Sie eine gute Chance haben, Ihre Interessen durchzusetzen.
Zum einen wurde Ihnen die Beteiligung an den Fortbildungskosten vom direkten Vorgesetzten nämlich schon zugesichert und zum anderen liegt Ihrem Arbeitgeber ganz offensichtlich viel daran, Sie an das Unternehmen auf Dauer zu binden!
Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion, um an mich eine kostenfreie Nachfrage zu richten. Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche erste Orientierung ermöglicht zu haben und wünsche Ihnen für Ihr berufliches Fortkommen viel Erfolg .
Mit freundlichen Grüßen
Diese Antwort ist vom 02.10.2010 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Vielen Dank für Ihre ausführliche Rückmeldung!
Würde als Beweislast im Streitfall die schriftliche Vereinbarung (ohne Unterschrift) die mein Vorgesetzter auf Firmenbriefpapier verfasst hat reichen? Zudem gibt es einen Hinweis auf diese Vereinbarung in der offiziellen Dokumentation meines Jahresgespräches "zu Trainingsbudget siehe Trainingsvereinbarung mit Datum vom..."
Ich könnte als Zeugin nur eine Kollegin in der Buchhaltung bennenen, die von meinem Vorgesetzten die Anweisung erhalten hat das Geld auszubezahlen (ohne dass er eine Rückzahlungsvereinbarung erwähnt hat). Beim Gespräch war sonst keiner anwesend. Leider ist es jedoch diese Chefin die in Vertetung der Geschäftsführung auf die zweite Vereinbarung besteht, sodass sie mir wohl nicht als Zeugin zur Verfügung steht.
Nochmals danke und viele Grüße
Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
ich bedanke mich für Ihre prompte Rückmeldung / Nachfrage, die wie folgt beantworte:
Eine vom "Chef" unterschriebene Vereinbarung würde vor Gericht in jedem Fall Stand halten. Leider liegt Ihnen nur eine schriftliche Vereinbarung ohne Unterschrift vor.
Dieser Entwurf einer "Vereinbarung" wurde jedoch offensichtlich vom Arbeitgeber selbst erstellt, sodass im Streitfall das Arbeitsgericht dieses Schriftstück wohl als geeignetes Beweismittel für die mündliche Zusicherung der Bezahlung der 4.000,00 €uro Teilnahmegebühr durch den Arbeitgeber anerkennen würde.
Die Kollegin von der Buchhaltung könnte sich im Streitfall nicht damit herausreden, dass sie nicht als Zeugin zur Verfügung steht. Wenn Sie die Dame als Zeugin mit Namen und Anschrift des Unternehmens benennen würden, so würde sie vom Gericht zur Zeugenaussage verbindlich geladen und müsste dort eine wahrheitsgemäße Aussage machen. Eine Falschaussage steht unter Strafe!
Alles in allem ist Ihnen damit nicht anzuraten, die vom Arbeitgeber nun vorgelegte nachteilhafte Vereinbarung zu unterzeichnen. Sie sollten weiter darauf bestehen, dass die Zusage des Vorgesetzten eingehalten wird!
Ich hoffe, Ihnen weiter geholfen zu haben und wünsche trotz des Ärgers noch ein schönes Wochenende.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Kohberger
Rechtsanwalt