Sehr geehrte/r Fragesteller/in,
zunächst weise ich Sie dararuf hin, dass es sich hier um eine erste rechtliche Orientierung handelt. Bei veränderten Tatsachen kann sich die rechtliche Bewertung erheblich verändern. Die konkrete Prüfung ist ohnehin nur bei Kenntnis sämtlicher relevanter Unterlagen möglich, die naturgemäß nicht im Rahmen einer Erstberatung auf dieser Plattform erfolgen kann.
Hiermit nehme ich zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen unter Berücksichtigung des dargestellten Sachverhaltes und des von Ihnen gesetzten Betrages in Höhe von 60 Euro wie folgt Stellung:
Das Ergebnis vorweg: Die Erfolgsaussichten eines rechtlichen Vorgehens dürften vorbehaltich einer weitergehenden Prüfung zumindest gegen die Ärztin positiv sein. Ob dies auch für den Chirugen gilt, kann so nicht eingeschätzt werden.
Ihre Empörung kann ich sehr gut nachvollziehen und dass Sie Gewissheit haben möchten, ob die Allgemeinmedizinerin und / oder der ambulant operierende Chriung rechtlich belangt werden können. Viele Mandanten, die uns aufsuchen, begehren Gewissheit und dass die verantwortlich Handelnden auch zur Rechenschaft gezogen werden.
Im Rahmen Ihrer Situation stellt sich ausdrücklich die Frage, ob hier ein Fall der Arzthaftung vorliegt. Grundansatz ist, dass dem Patienten in der ärztlichen Behandlung das Schadensrisiko aus seiner Krankheit grundsätzlich verbleiben muss, insoweit als es auch behandlungsfehlerfreie ärztliche Kunst nicht vermeiden kann. Haftungsausgleichung soll nur dasjenige Schadensrisiko finden, das aus schuldhaft fehlerhafter Behandlung erwächst, und zwar begrenzt auf das Risiko, das fehlerfreie ärztliche Behandlung vermieden hätte. Sprich: Haben die Ärzte den Facharztstandard eingehalten? Und falls nein: Hätte die fehlerfreie Behandlung die jetzigen schlimmen Folgen bei Ihrer Tochter vermieden?
1)
Hier kommt bei der Allgemeinmedizinerin als Fall des Behandlungsfehler der sog. Befunderhebungsfehler in Betracht. Der Arzt hat aus dem Behandlungsvertrag nicht nur die erhobenen Befunde zu bewerten, sondern er hat in aller Regel nach ersten Schlussfolgerungen in einem angemessenen zeitlichen Rahmen weitere Befunde zu erheben (Diagnostik). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die ersten Befunde oder auch nur die Anamnese den Verdacht auf das Vorliegen einer Erkrankung ergeben. Diesen Verdacht hat er mit den hierfür üblichen Befunderhebungen abzuklären, also entweder zu erhärten oder auszuräumen (Ausschlussdiagnostik), um dann zu behandeln und/oder weiteren differential-diagnostisch in Betracht kommenden Möglichkeiten nachzugehen. Maßgebend ist stets, was der medizinische Standard gebietet, nicht, was der mit der Behandlung befasste Arzt im Einzelfall annimmt.
Das umfasst auch, die Maßnahmen zeitlich so rasch durchzuführen, dass dem Krankheitsbild des Patienten Rechnung getragen wird. Grundsätzlich sind erforderliche Maßnahmen so schnell wie möglich durchzuführen und Verzögerungen zu vermeiden, so dass mit Hilfe der gewonnenen Ergebnisse zum Wohl des Patienten möglichst frühzeitig mit einer wirksamen Behandlung begonnen werden kann.
Ob der Facharztstandard es gebietet, dass ein MRT oder Ultraschall zur Abklärung durchführen zu lassen, kann ich Ihnen hier nicht mitteilen, dazu wären weitere Recherchen notwendig. Allerdings haben Sie ja den Hinweis aus dem Uni-Klinik, was den Verdacht konkretisiert, so dass sich eine weitere Abklärung lohnen würde.
Zusätzlich wäre für eine rechtliche Rechenschaft der Ärztin notwendig, dass der Befunderhebungsfehler der Ärztin auch vorwerfbar ist. Ob dies der Fall ist, kann hier nicht beurteilt werden, dazu wären weitere Informationen (insb. Behandlungsunterlagen) notwendig. Im Fall eines Gerichtsprozessses würde dies ein Sachverständiger klären müssen.
2)
Hinsichtlich des Chirugen kommt ein "typischer" Behandlungsfehler in Betracht, indem er den Tumor punktiert hat. Hier dürfte die entscheidende rechtliche Frage sein, ob dies dem Chirugen rechtlich vorzuwerfen ist. Die Rechtsprechung hat dabei klargestellt, dass die Frage des Behandlungsfehlers nicht abstrakt, sondern konkret zu beantworten ist, d.h. eine Behandlung entspricht nur dann den Regeln der medizinischen Wissenschaft, wenn nicht nur die abstrakt anerkannte Heilmethode angewandt wird, sondern konkret alles getan wird, was nach den Regeln und Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft zur Bewahrung des Patienten vor körperlichen Schäden getan werden muss.
Eine Klärung der Frage, ob das Verhalten des Chirugen ihm rechtlich vorzuwerfen ist, kann nur nach Sichtung der Unterlagen und unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen geklärt werden.
3)
TIPP
Bevor Sie den gerichtlichen Weg einschreiten können, müssen Sie außergerichtlich tätig werden. Unter Umständen ist ein Gerichtsprozess dann auch nicht notwendig, wenn die Haftpflichtversicherung des Arztes einen Behandlungsfehler anerkennt. Insofern ist es ratsam, kompetente anwaltiche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um den außergerichtlichen Weg einzuschlagen.
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