Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Ihre gute und ausführliche Sachverhaltsdarstellung liefert gut Anhaltspunkte dafür, dass behandlungsfehlerhaft gehandelt wurde.
Im Raume stehen demnach mehrere Vorwürfe:
1. Zum einen könnten in der 22. SSW bereits genügend Anlass für eine stationäre Aufnahme bestanden haben, und eine solche entgegen dem ärztlichen Standard unterlassen worden sein.
2. Während der stationären Aufnahme könnten unzureichende diagnostische Maßnahmen ergriffen worden sein (etwa häufigere Ultraschalluntersuchungen).
3. Ggf. hätte die Geburt früher eingeleitet werden müssen.
4. Es könnten falsche Maßnahmen im Hinblick auf die Infektion getroffen worden sein.
Ob die Vorwürfe berechtigt sind, stellt vorrangig eine medizinische Fragestellung dar. Es wäre also notwendig, eine ärztliche Stellungnahme einzuholen. Im Rahmen dieser Stellungnahme müsste unter anderem auch festgestellt werden, ob die Behandlungsfehler zu Gesundheitsschäden geführt haben.
Erste Hinweise auf einen Behandlungsfehler können sich aus einem Abgleich mit den medizinischen Leilinien ergeben.
Falls Sie gesetzlich krankenversichert sind, können Sie auch bei Ihrer Krankenkasse beantragen, dass diese ein medizinisches Gutachten in Auftrag geben könnte. Nach dem Gesetz soll Ihre Krankenkasse Ihnen bei der Überprüfung, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, behilflich sein.
Darüber hinaus können Sie auch die Gutachterstelle der Landesärztekammer anrufen. Dort kann dann ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden.
Neben Behandlungsfehlern führen auch Aufklärungsfehler ggf. zu Schadenersatzansprüchen. Ob ein solcher vorliegt, ist einfacher festzustellen als Behandlungsfehler. Daher sollte eine dahingehende Überprüfung unbedingt stattfinden. Als Patientin sind Sie nämlich in verschiedener Hinsicht aufzuklären. Von der Aufklärungspflicht umfasst sind insofern
- die vorliegenden Diagnosen und die daraus resultierenden Prognosen über den Krankheitsverlauf,
- die beabsichtigten Therapieansätze inklusive der Chancen und Risiken,
- den Verlauf der gewählten Therapie und
- (in Ihrem Fall vor allem) über die möglichen Komplikationen und Gefahren, die bei ordnungsgemäßer (!) Behandlung auftreten können.
Um das Vorliegen eines Aufklärungsfehlers feststellen zu können, müssten die Behandlungsunterlagen eingesehen werden, die unproblematisch angefordert werden können. In diesen muss die Aufklärung nämlich dokumentiert sein.
Sollte sich das Vorliegen eines Behandlungs- oder Aufklärungsfehlers bestätigen, müsste weiterhin festgestellt werden, welche finanziellen und immateriellen Nachteile Ihnen entstanden sind. Des Weiteren ist eine Erklärung des Krankenhauses bzw. dessen Versicherers einzufordern, wonach diese für ungewisse, in der Zukunft liegende Schäden haften wird. Welche Ansprüche Ihnen konkret zustehen, müsste anhand weiterer Informationen eruiert werden.
Die angeführten Forderungen müssen Sie innerhalb von drei Jahren nach Bekanntwerden des vermeintlichen Behandlungsfehlers geltend machen. Ansonsten droht Verjährung.
Da Prozesse teuer sind, sollte zunächst eine außergerichtliche Einigung versucht werden. Gelingt dies nicht, kann entweder die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe überprüft werden. Zum anderen kann versucht werden einen Prozessfinanzierer ins Boot zu holen, der für die Kosten aufkommt.
Der Vollständigkeit halber möchte ich noch auf die Möglichkeit hinweisen, durch Stellung einer Strafanzeige ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren auf den Weg zu bringen. Im Rahmen der Ermittlungen würde dann auch ein gutachten in Auftrag gegeben, dass für Sie natürlich kostenfrei wäre. Allerdings ist eine außergerichtliche Einigung dann regelmäßig nicht mehr möglich.
Sollten Sie weitere Hilfe benötigen, stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung. Kontaktieren Sie mich einfach per Email oder Telefon und lassen Sie sich über die Möglichkeiten informieren.
Abschließend möchte ich Ihnen noch zu Ihrer Tochter gratulieren und meine Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass sich für sie gesundheitlich alles zum Besten entwickelt.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen